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Kapitel 7. Unser Anfang in Amerika

Ich hatte nach Beendigung meines Studiums (Ingenieur für Schiffsbetriebstechnik) die Seefahrt an den berühmten Nagel gehängt und zuvor auch meine Jugendliebe Rita geheiratet.

Wir hatten einen Sohn und ich hatte als relativ junger Ingenieur meine zweite Anstellung in Hannover bei einer großen Firma, die u.a. auch Öl und Gas produzierte und zudem auch Gas in Untertage-Gasspeichern zur Versorgung der Industrie und Privathaushalte wieder einspeicherte.

Ich hatte inzwischen eine Menge Erfahrung mit der Planung von Anlagen zum Herstellen und Nutzen von Kavernen für die unterirdische Lagerung von Öl und Gas. Dies wurde derzeit von einer international tätigen Tochterfirma, mit der ich schon diverse Projekte zusammen realisiert hatte, getätigt, so dass ich dort im Hause ein- und ausging.

An einem Mittwoch im Juli 1977 bekam ich von dem technischen Geschäftsführer der Tochtergesellschaft einen Anruf mit der Frage: „Herr Wiener, hätten Sie Interesse, für 12 Jahre in die USA, nach New York, zu gehen, um hier gemeinsam mit einem amerikanischen Partner für das Departement of Energy-DOE, die amerikanische Energiebehörde, die Planung für mehrere riesige Kavernenprojekte zu realisieren?“

Gleichzeitig wies er darauf hin, dass er am nächsten Tag um 10.00 Uhr meine verbindliche Antwort erwarte und wenn die Antwort Ja sei, ich am kommenden Sonntag mit einem kleinen Team in der Lufthansamaschine nach New York sitzen und am Montag am ersten Meeting teilnehmen würde.

Ich war schon in meiner bis dahin erfolgten beruflichen Laufbahn immer ein Schnellentscheider gewesen. Hier ging es aber nicht nur um mich, sondern auch um meine Frau und meinen 3 Jahre alten Sohn, der gerade seit 4 Wochen in unserem Wohnort einen Kindergartenplatz hatte, und nicht zuletzt auch um meine Schwiegereltern, deren einziges Kind nun gerade mal meine Frau war.

Nach einer kurzen Atempause ging ich zu meinem damaligen Chef und informierte ihn über das Ansinnen unserer Tochtergesellschaft, die natürlich die ganze Aktion bezüglich meiner möglichen Mitarbeit bis dahin unter der Decke behandelt hatte.

Zuerst war mein Chef verärgert über das Verhalten unserer Tochtergesellschaft und wollte mich auch aufgrund der in seinem Bereich anstehenden Aufgaben nicht freigeben. Damit wäre der mögliche Amerikaeinsatz bereits im Ansatz gestorben, bevor ich zu Hause große Erklärungen abgeben musste. Nach einer kurzen Zeit unserer Unterhaltung zeigte mein Chef Größe und fragte mich, ob ich an dieser interessanten Aufgabe Spaß hätte, zumal dieser Einsatz nach meiner Rückkehr sicherlich auch meine Karrierechancen vergrößern würde. Ich beantwortete ihm das wahrheitsgemäß mit einem klaren Ja und sagte ihm, dass ich diese Chance gerne wahrnehmen würde, vorausgesetzt, die Familie spiele mit.

So erhielt ich von ihm sein OK, unter der Bedingung, dass ich nach ca. 3–4 Wochen noch mal zurückkommen und meine hiesigen Aufgaben an Kollegen übertragen würde.

Mit diesen Bedingungen konnte ich gut leben, da das Fliegen damals für mich noch nicht zum Tagesgeschäft gehörte und ich das Fliegen liebte, zumal ich damals Atlantikflüge in der Business-Klasse absolvieren durfte.

Mit diesem Ergebnis ging ich zurück in mein Büro und rief bei mir zu Hause an, um meiner Frau vor meiner abendlichen Heimkehr etwas mehr Zeit zum Nachdenken zu geben. Zu diesem Zeitpunkt waren gerade meine Schwiegereltern bei uns zu Besuch und wie es der Teufel so wollte, war meine Schwiegermutter am Telefon, da meine Frau gerade zum Einkaufen außer Haus war.

Ich fragte meine Schwiegermutter, ob sie im Moment gerade stehe oder sitze und, falls sie stehe, sie sich doch bitte setzen möge, da ich etwas Aufregendes zu berichten hätte. Dann sagte ich ihr: „Wenn Rita mitmacht, gehen wir für 1—2 Jahre nach Amerika.“

Danach war es eine ganze Weile ruhig, für mein Gefühl eine Ewigkeit lang. Dann fragte sie mich noch mal, ob sie richtig verstanden hätte, etwas von Amerika oder so. Sie hatte meine Mitteilung irgendwie nicht wirklich realisiert und so sagte ich ihr, sie möge Rita nach ihrer Rückkehr bitte sagen, dass diese mich mal anrufen solle.

Eine halbe Stunde später ging mein Telefon und Rita war am Apparat. Sie teilte mir mit, dass ihre Mutter wohl etwas durcheinandergebracht hätte und einen zerstörten Eindruck machte.

Ich informierte Rita dann über den Werdegang und sagte ihr am Ende des Telefonates, dass es nur noch bei ihr läge, ob wir das machten oder nicht.

Als ich dann abends nach Hause kam, sagte Rita: „Wir sind jung, wir sind unternehmungslustig und reisen gerne, was können wir verkehrt machen, wenn wir für 1–2 Jahre in die USA und dann auch noch nach New York gehen? Ich bin dabei!“ Meine Schwiegereltern waren zwar nicht sonderlich glücklich über diese Entscheidung, konnten Rita aber auch nicht umstimmen.

Am nächsten Morgen fuhr ich dann mit etwas gemischten Gefühlen in die Firma nach Hannover und teilte dem Geschäftsführer unserer Tochtergesellschaft mit, dass ich mit dabei sei. Darauf hin hat er mich für 10.00 Uhr zum Gespräch gebeten, dass ich dann wahrnahm. Nach einem etwa einstündigen Gespräch hatte er mich eingeweiht, mir diverse

Unterlagen übergeben, in die ich mich schnellstmöglich einarbeiten sollte, und mir mitgeteilt, dass das Flugticket mir mit dem Boten zugestellt werde.

3 Tage später, Mitte Juli 1977, dem folgenden Sonntag nach meiner Zusage, saß ich mit dem Prokuristen, dem deutschen Projekt-Manager und einem weiteren Kollegen aus unserer Tochtergesellschaft in der Lufthansa-Maschine nach New York, wo wir dann mitten in Manhattan, ganz in der Nähe vom Madison Square Garden, unser Hotel bezogen.

Nach einem schönen gemeinsamen Abendessen und ein paar Bieren sind wir dann schlafen gegangen, um am nächsten Morgen unser „neues Leben“ zu beginnen.

Am nächsten Morgen sind wir dann im One Penn Plaza im Büro unseres amerikanischen Partners vom Vize-Präsidenten empfangen worden, der uns sein bisheriges Team (nur wenige Leute mit noch weniger Ahnung von diesem Geschäft) vorstellte und wir uns unsererseits dem Rumpfteam vorstellten, was mit radebrechendem Englisch gelang.

Hier empfand ich nach meiner Kindheit und den wenigen schlechten Erfahrungen von zuvor wieder Sympathie für die Amerikaner, da unser schlechtes Englisch mit der den Amerikanern angeborenen Freundlichkeit und Lässigkeit übergangen wurde und uns überzeugend mitgeteilt wurde, dass das kleine Manko der Sprache durch sie kompensiert würde, wenn wir nur genügend Know-how einbringen würden.

Danach lernte ich das erste Mal im Leben, was Organisationstalent bedeutete. Ich hatte noch keine Ahnung, wie viel Personal der verschiedenen Disziplinen wir benötigen würden und welcher Bürobedarf erforderlich sein würde und wo man diesen Platz hernehmen würde, zumal die Projekte unter gehörigem Zeitdruck standen.

Ich war fast schockiert, als beim amerikanischen Projekt-Manager von ca. 200–300 Mitarbeitern die Rede war und man in dem riesigen Bürogebäude (damals das drittgrößte in NYC) entsprechend Etagen anmieten und mittels Leichtbauwänden herrichten würde.

In USA wird Personal überwiegend über die sogenannten Job Shopper rekrutiert und nur so war es möglich, in kurzer Zeit so viele Spezialisten zusammenzubekommen.

Wir drei Deutschen (der Prokurist war nach zwei Tagen wieder Richtung Deutschland abgereist) fingen an zu arbeiten, während das Büro und das fehlende Personal von den Amerikanern organisiert wurden. Es kamen täglich neue Kollegen, die aus den gesamten USA verpflichtet wurden, dazu. Das Büro erschloss sich schnell über mehrere Etagen und nach sage und schreibe vier Wochen waren wir komplett arbeitsfähig.

Wir Deutschen waren anfangs alle drei ohne unsere Familien in NYC, um den Anfang zu meistern und herauszufinden, wie es weitergehen sollte; dann kamen auch unsere Familien.

Es waren aufregende Tage und Wochen, in denen wir NYC kennenlernten mit all seinen positiven und negativen Seiten, die so anders waren, als wir es von Deutschland kannten.

In der ersten Woche unseres Arbeitsbeginns flogen wir alle nach Washington zu unserem Auftraggeber, dem Departement of Energy (DOE), und wurden hier vorgestellt.

Das DOE hatte seinerseits auch bereits ein Team zusammengestellt und so konnte die Arbeit Zug um Zug beginnen.

Nach ca. 4 Wochen flog ich nach Deutschland, um absprachegemäß meine Projekte an Kollegen zu übertragen, und nach weiteren 2 Wochen flog ich zurück nach NYC, um meine Arbeit hier weiterzuführen.

Während eines unserer häufigen Projektmeetings tauchte ein mexikanisch aussehender Mann Namens Berni Buschboom auf. Berni war schon lange bei unserem amerikanischen Partner PBQD angestellt und hatte diverse Projekte offenbar sehr zufriedenstellend ausgeübt.

Berni wohnte mit seiner Familie noch in Albany/NY und sollte als unser Fieldingenieur nach Bryan Mount/TX wechseln.

Berni wollte das auch gerne machen, wollte aber auch seine Familie mit in den Süden nehmen, da sie von den eisigen, schneereichen Wintern in Upstate New York die Nase voll hatte. Wie sich herausstellte, war Berni Deutscher und 1960 seinem damaligen Schwarm Marlies nach New York gefolgt, wo er nach einigen Unwegsamkeiten dann seine Marlies heiratete und 2 Kinder mit ihr in die Welt setzte.

Da ich als Deputy Project Manager für das Project Bryan Mount vorgesehen war, wurden wir automatisch Kollegen und so kam es, dass wir unsere erste gemeinsame Reise von New York nach Texas antraten und auf dem gemeinsamen dreieinhalbstündigen Flug nach Houston die ersten gemeinsamen Whiskys tranken und uns über Gott und die Welt unterhielten. Es war der Beginn einer bis heute andauernden Freundschaft.

Mein Amerika

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