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ОглавлениеKapitel 6. Die „Großen Seen“
Die ersten negativen Erlebnisse mit „meinem Amerika“ wurden abgehakt und ich war fest davon überzeugt, dass ab jetzt nur noch gute Erlebnisse folgen würden, und dies trat auch zu einem erheblichen Teil mit den Große Seen-Fahrten ein.
Ich schildere diese Fahrten neben der ersten Reise nach Amerika, da dieser Teil Amerikas zu den interessantesten und schönsten Gebieten gehört, die ich auf der Welt gesehen und auch sehr häufig befahren habe.
Die verschiedenen Seen-Fahrten führten in unterschiedliche Anlaufhäfen, die an den verschiedenen
5 Großen Seen (Erie, Ontario, Michigan, Huron und Oberer) lagen, aber alle zunächst den gleichen Zugang hatten, den mächtigen St.Lorenz-Strom.
Der St.Lorenz-Strom stellt die Verbindung zwischen dem Atlantik und den Großen Seen dar und bildet mehr oder weniger durchgängig die natürliche Grenze zwischen den USA und Kanada.
Auf der USA-Seite sind in diesem Bereich keine aufregenden Städte am Strom. Ganz anders sieht es auf der kanadischen Seite aus. Auf der Reise vom Atlantik zu den großen Seen durchkreuzt man auf kanadischer Seite die Provinz Quebec, die gleichermaßen auch Namensgeber der Stadt ist, und auch die Stadt Montreal.
Der Name Quebec lässt schon die französische Vergangenheit erahnen und der französische Einfluss ist auch in beiden Städten unübersehbar. Es wird hier als erste Sprache Französisch und erst an zweiter Stelle Englisch gesprochen. Es hat sogar schon Versuche gegeben, sich von dem englischsprachigen Teil Kanadas zu trennen und einen eigenständigen Staat zu proklamieren.
Dieses Ansinnen ist jedoch im Keim erstickt worden und aus meiner Sicht wäre es auch sehr schade gewesen, dieses große und stolze Kanada zu teilen.
Der erste Mensch, der auf dem Fluss ins Landesinnere vorstieß, war der Franzose Jacqes Cartier im Jahre 1535.
Hinsichtlich seiner Abmessungen, zumindest bis Montreal, erinnert der Strom eher an ein eigenständiges Meer als an einen Fluss. Daher scheint der Name der Mohawk-Indianer, Kaniatarowanenneh = goßer Wasserweg, besonders gut zutreffend.
Je nach Quelle bzw. Endpunkt wird die Länge sehr unterschiedlich definiert. Die kürzeste Länge ergibt sich mit 560 km vom östlichen Ende des Ontariosees bis in die Nähe der Stadt Quebec, da ab hier das Wasser salzhaltig wird (der Rest wird eben dem Meer zugerechnet).
Die nächste, aus meiner Sicht zutreffende Länge ergibt sich mit ca. 1200 km und umspannt den Fluss von seiner Mündung bei der Insel Anticosti bis zum Ontariosee.
Es gibt aber auch Angaben in der Literatur mit ca. 3000 km; dies umspannt den Fluss als Quelle in Lake County, Minnesota (USA) durch die Seen hindurch bis zur Insel Anticosti.
Das Mündungsgebiet des Flusses ist mit 1.030.000 km3 dreimal so groß wie die Bundesrepublik Deutschland und dieser Fakt beschreibt am besten die Größe dieses Stromes.
Im Strom findet man diverse Walarten bis hin zum Größten aller Wale, dem Blau- und Finnwal.
Wie auch immer die richtige Länge sein mag, es ist ein beeindruckender Fluss, in traumhaft schöner Landschaft eingebettet.
Bei der Beschreibung dieses außergewöhnlichen Wassersystems, bestehend aus dem
St. Lorenz-Strom und den Großen Seen, ist der Höhenunterschied, je nach Wasserstand, bis zu 250 m.
Da große Seeschiffe und auch die ebenfalls gleich großen Spezialschiffe, die Laker, bis auf den westlichsten See, den Oberen See fahren, ist ein gewaltiges Schleusensystem gebaut worden, was eben diesen Transportweg ermöglicht.
In den Jahren 1951 bis 1959 konzipierten und bauten die USA und Kanada gemeinsam den St. Lorenz-Seeweg. Es ist ein System aus Kanälen, Schleusen, sowie Flussvertiefungen und – Begradigungen, die die Schiffbarkeit dieses Systems ermöglichten.
Über den St.Louis-Fluss, der in den Oberen See mündet, dem Infracostal Waterway und dem Illinois Waterway, ist die Schiffbarkeit für große Seeschiffe bis in die Mitte des nordamerikanischen Kontinents gegeben und dient hier dem nationalen und dem internationalen Warenaustausch.
Eines der markantesten Bauwerke in diesem System ist der Wellend-Kanal, der bereits 1932 eröffnet wurde und zu Kanada gehört. Er verbindet über ca. 44 km Länge den Ontariosee mit dem Eriesee bei einem Höhenunterschied von ca. 100 m. Der Ontariosee liegt bereits 75 m über dem Meeresspiegel.
Der Höhenunterschied wird über 8 Schleusen (Lock’s) realisiert, die durchschnittlich eine Hubhöhe von 14 m aufweisen. 7 der 8 Schleusen sind erforderlich, um die Schichtstufe des Niagara-Falls zu überwinden. Die letzte Schleuse gleicht den Gezeitenunterschied im Eriesee aus.
Im Bereich des östlichen Ausganges des Ontario-Sees liegt ein landschaftliches Paradies im Strom, die Thousend Islands. Die Schleusen sind so konzipiert, das Schiffe mit maximal 225 m
Länge und einer Breite von 24 m bei einem maximalen Tiefgang von ca. 8 m geschleust werden können.
Die Durchfahrt des Wellandkanals mit dem Schiff dauert im Durchschnitt 11 Stunden.
Die 1865 Inseln der Thousend Islands verteilen sich auf einer Länge von 80 km und sind teilweise nur kleine Felsen im Strom. Es gibt aber auch größere Inseln, wie Wolfe Island, mit 45 x 15 km, als Größte der Inseln.
Viele der kleinen Felsen sind unbewohnt, einige sind das ganze Jahr bewohnt und einige sind mit Ferienhäusern wohlhabender Anwohner aus der Region belegt.
Eine der Inseln gehörte der Singer-Familie (Nähmaschinen), die in Deutschland ein Schloss zerlegen ließ und auf einer dieser Inseln maßstabsgetreu wieder aufbauen ließ.
Trinkwasser ist kein Problem hier. Wer keinen eigenen Brunnen hat, nimmt das Wasser aus dem Strom (so sauber ist das Wasser hier) und filtert und chlort dieses für die Nutzung.
Im Winter sind die Großen Seen zugefroren, so auch das Wasser um die Thousend Islands, was aber kein Problem darstellt, da einige Leute mit dem kleinen Flugzeug kommen, insbesondere aber mit Motorschlitten.
Es gibt wunderbare Bootstouren in den Thousand Islands, vom Ausflugsdampfer über zu mietende Paddelboote bis zu Segelbooten und Motorbooten, je nach Geschmack und Geldbeutel des Reisenden.
Die Großen Seen bestehen aus den bereits erwähnten 5 Seen. Obwohl es sich ausschließlich um Binnenseen handelt, sind aufgrund ihrer immensen Größe Gezeiten auf den Seen bemerkbar.
Die Gesamtfläche beträgt 245.000 km2 und hat damit die Größe der Bundesrepublik vor der Wiedervereinigung. Sie weist damit die größte Binnensüßwasserfläche der Welt auf und ist somit von enormer Bedeutung als Wasserreservoir für die USA und Kanada.
Zum Vergleich: Das größte deutsche Binnengewässer ist der Bodensee mit 536 km2.
Die Tiefe der Seen reicht bis zu 400 m.
Der Michigansee ist der einzige der 5 Seen, der komplett in den USA liegt, die anderen Seen teilen ihre Grenze zwischen den beiden Staaten. Die angrenzenden US-Staaten sind Indiana, Illinois, Wisconsin und Michigan. An seinen Ufern liegen die bekannten Städte Chicago und Milwaukee (schlechthin die Bierbrauerstadt der USA mit deutschen Wurzeln).
Der Huronsee verbindet als zentrales Bindeglied den Michigansee, den Oberersee und den Eriesee und grenzt an Michigan und Ontario im Norden. In diesem See befindet sich auch die größte Binneninsel der Welt, Manitoulin.
Der Oberersee ist mit 82.000 km2 der größte der 5 Seen, entspricht der Größe Österreichs und ist flächenmäßig der zweitgrößte See der Welt.
Die angrenzenden Staaten sind Minnesota, Wisconsin, Michigan und im Norden Ontario.
Der Eriesee grenzt an die Staaten Ohio, Michigan, Pennsylvania, New York und im Norden Ontario. An der Verbindung zum Ontariosee befinden sich die Niagarafälle.
An seinem Ufer liegt die Stadt Cleveland.
Der Ontariosee ist mit 18.960 km2 der Kleinste der 5 Seen, ist aber immer noch 36-mal größer als der Bodensee. Er grenzt an die Staaten New York und im Norden an Ontario.
Toronto bezieht zu einem erheblichen Teil sein Trinkwasser aus diesem See.
Die großen Seen sind nicht nur wegen ihres enormen Süßwasserpotentials für die USA und Kanada so wichtig, sondern eben auch als überragender Verkehrsweg.
An die großen Seen grenzen die weltgrößten Getreideerzeugungsstaaten, USA und Kanada. Von dort wird über unzählige Getreidesiloanlagen Getreide auf dem nordamerikanischen Kontinent und weltweit verteilt.
Das Gleiche kann über die Viehzucht und die Schlachthöfe (klassisch für Chicago) gesagt werden.
Wichtiger noch für die USA war die Autoproduktion mit Mittelpunkt Detroit. Hier bauten die größten amerikanischen und weltweit größten Autobauer General Motors (GM), Ford und Chrysler Unmengen von Autos, sowohl für Amerika und Kanada als auch für den Rest der Welt.
Amerika hatte sich hier wohl zu sicher gefühlt und vorübergehend den technischen und wirtschaftlichen Anschluss zur Welt verpasst, so dass es zu einem starken Niedergang der amerikanischen Autoindustrie kam, während insbesondere die Japaner, Südkoreaner, aber auch die Deutschen Autos bauten, die innovativer, besser und teilweise preiswerter als die amerikanische Konkurrenz war.
Dieser Niedergang hatte GM als ehemals größten Autohersteller der Welt fast in den Bankrott getrieben und GM wurde nur durch das Eingreifen der amerikanischen Regierung vor dem Bankrott gerettet. Diese Region hat aufgrund der Autoproduktion enormen Bedarf an Stahl, der ebenfalls über die Großen Seen angeliefert wird, wo auf umgekehrtem Weg die Autos wieder verschifft werden.
Die Autoproduktion ist zwischenzeitlich wieder im Kommen, GM hat seine Schulden an den Staat zurückgezahlt und ist inzwischen wieder an 2. oder 3. Stelle (je nach Statistik) der größten Autoproduzenten zurückgekehrt.
Durch diese Krise wurde die ehemals blühende und reiche Stadt Detroit pleite und ganze Stadtteile sind verkommen. Auch das ist Amerika: Der Staat lässt einfach eine Millionenstadt untergehen. Erfreulicherweise haben sich in einigen Stadtteilen Künstler und andere Lebenskünstler niedergelassen, so dass sich die Stadt ganz langsam wieder erholt. Dieses Verhalten ist das typisch Amerikanische, das „Niemals aufgeben, Eigenverantwortung übernehmen“ und findet sich in allen Belangen des Lebens wieder; man will nicht zu viel Staat, ganz anders eben als in Deutschland.
Wir hatten auf meinen Große Seen-Reisen in Holland meistens gewaltige Rollen aus Tiefziehblech für die Autoindustrie in USA geladen und waren auf dem Rückweg meistens mit Getreide wieder über den Atlantik zurückgefahren.
Die klassischen Zielhäfen waren Quebec, Montreal, Cleveland, Detroit, Chicago und Duluth.
Auf amerikanischer Seite grenzen die bereits vorher erwähnten 7 Staaten (Illinois, Indiana, Michigan, Minnesota, Ohio, Pennsylvania und Wisconsin) an die Großen Seen und auf kanadischer Seite die Staaten Quebec und Ontario.
Als besondere Naturschönheit dieser gesamten Region gibt es im Herbst den sogenannten Indian Summer, der richtigerweise in der Landessprache Foliage heißt und in dem sich die Farben der unterschiedlichen Ahornblätter in ein wahnsinniges Farbspiel verwandeln. Es ist nicht unüblich unter Kennern, mit dem Foliage zu reisen. Das bedeutet, man fängt beispielsweise in den nördlichen Regionen an, weil sich aufgrund der tieferen
Temperaturen die Natur hier zuerst wandelt, und reist über Tage mit der Blätterverfärbung Richtung Süden.
Urlaubsmöglichkeiten gibt es hier für jeden Geschmack. Aufgrund der Größe der Staaten und der dünnen Besiedelung sind Fahrten mit dem Wohnmobil als besonders empfehlenswert zu bezeichnen, zumal auch noch Mountainbikes und Kanus mitgenommen werden können.
Diese Freizeitutensilien kann man jedoch auch überall örtlich mieten.
Wassersport, Angeln, Wandern, Bergsteigen und Golfen sind weitere beliebte und verbreitete Sportarten, die fast überall ausgeführt werden können.
Aufgrund der vielen großen Städte muss das Shopping nicht zu kurz kommen. Es gibt riesige Malls, die zum Shoppen einladen. In Minnesota wird keine Steuer auf Textilien aufgeschlagen und ansonsten kann der Reisende sich am Flughafen die Steuer zurückzahlen lassen.
Wir Europäer müssen zudem mit einem weit verbreiteten Vorurteil Schluss machen, dem Glauben, die USA/Kanada seien kulturell mit Europa nicht vergleichbar. Ich kann nur sagen, dass es in den großen Städten dieser beiden wunderbaren Länder Museen und Konzertsaale gibt, die in Europa, von wenigen Ausnahmen abgesehen, ihresgleichen suchen.
Zudem gibt es wunderschöne großzügige Shopping Malls, in denen das Herz einer jeden Frau (und eines jeden Mannes) höherschlägt.