Читать книгу Carl Gustav CARUS - Julia Ludwig - Страница 8
2.3 Der Familienvater
Оглавление1804, als Carus sein Studium begann, verließ der jüngere Bruder seiner Mutter das gemeinsame Haus, so dass Carus’ Vater seine um viele Jahre jüngere Stiefschwester Karoline, welche die Tochter der dritten Ehefrau von Carus Großvater väterlicherseits war, aufnehmen konnte. Karoline, fünf Jahre älter als Carl Gustav, verstand sich sehr gut mit der Familie und wurde von Carus’ Mutter wie eine eigene Tochter aufgenommen. Zum Sohn hatte Karoline bald ein vertrautes Verhältnis aufgebaut. Er erläutert hierzu näher:„Das freundliche hübsche Mädchen wollte niemand recht als eine Tante von mir gelten lassen, und bald hatten wir jungen Leute uns recht aneinander gewöhnt.“21
Gemeinsame Leseabende und eine „gemütvolle Seele“22, wie er es bezeichnet, führten bei ihm zu dem Wunsch, die einsamen Stunden und die Zurückgezogenheit aufzugeben und sich einer Frau hinzugeben, die ihn während der Ehe in seiner Arbeit und seiner Kunst unterstützte und ihm die Erziehung der Kinder abnahm.
Über Frauen urteilte Carus in Briefe über Goethes Faust (1835), ihnen käme eine „hohe Bedeutung“ zu, „teils und zunächst als versöhnendem, beruhigendem, läuterndem Prinzip in dem vom streitenden Kräften angeregten und vorwärts gedrängten Leben des Mannes“23. 1820 ließ er noch verlauten, dass für Frauen „das eigentliche Feld der Wissenschaft und Spekulation, die Schärfe des Urteils, die Tiefe männlicher Vernunft, […] der weiblichen Seele unzugänglich [sind]“24 sei.
Trotz des großen Zeitaufwandes in der ärztlichen Tätigkeit und in der Forschung sowie der Hingabe der Kunst, insbesondere in Krisenzeiten, beklagte sich seine Ehefrau wegen einer vermeintlichen Vernachlässigung der Familie anscheinend nicht. In einer 48-jährigen Ehe bekam das Paar durchschnittlich alle zwei Jahre ein Kind.25 Insgesamt wurden elf Kinder geboren, von denen drei jedoch Totgeburten waren und ein weiteres Kind nach acht Tagen verstarb. Das erste Kind, ein Mädchen mit dem Namen Sophie Charlotte, wurde bereits 1810, ein Jahr vor der Hochzeit der Eltern geboren. Carus verschweigt die Geburt der Tochter vor der Heirat in seiner Autobiographie. Dies mag jedoch, da er sich im Laufe der Biographie sehr positiv und fürsorglich über sie äußert, nicht an einem eventuell schlechten Verhältnis zwischen Vater und Tochter gelegen haben, sondern vielmehr an der – für damalige Verhältnisse – unsittlichen unehelichen Geburt. Mit lediglich 28 Jahren verstarb das älteste Kind, hinterließ jedoch zwei Söhne, von denen der ältere Ernst Rietschel wie Carus Mediziner
wurde. Inwiefern er von seinem Großvater bei dieser Berufswahl animiert wurde, ist nicht bekannt.
Neben Carus’ Zweitgeborenem Ernst August, der 1812 geboren wurde und bereits nach vier Jahren an Scharlachfieber verschied, gab es weitere drei Söhne und drei Töchter, die jedoch kinderlos blieben und bis auf den viert ältesten Albert Gustav, der 1817 das Licht der Welt erblickte, blieben alle Kinder ledig.
Albert Gustav verfolgte als einziges die Arbeit des Vaters. Er wurde Mediziner, Nachfolger der Praxis Carus’ und Leibarzt des sächsischen Könighauses. Die Vorliebe zum Theater teilte er ebenfalls mit seinem Vater und heiratete schließlich eine Schauspielerin.
Auch Carus Lieblingstochter, die im Jahre 1814 geborene Marianne Albertine starb im Alter von 54 Jahren ledig und kinderlos.
Trotz einer Vielzahl an Nachkommen Carus’ überlebten ihn nur zwei seiner Kinder: Albert Gustav und Caroline Cäcilie. Und trotz seiner Urenkel, die er noch zu seinen Lebzeiten kennen lernte, starb sein Familienzweig 1895 aus.26
Bei Carl Gustav Carus scheint zunächst eine Aufteilung seiner Kinder nach Beliebtheit auf zu fallen. Zwar wird jedes Kind in den Memoiren erwähnt, doch wird über Marianne offen mitgeteilt, dass sie eine Lieblingstochter gewesen sei. Der erste Sohn und dessen Tod im Alter von vier Jahren, waren für Carus psychisch schwer zu verarbeiten – Carus sagt selbst, dies wäre „das erste Mal, dass der Tod, den ich in hundertfältigen Gestalten wohl soviel Opfer hatte fordern sehen, mir nahe ans Herz griff.“27 Ferner werden vereinzelte positive oder einschneidende Erlebnisse mit jeweiligen Kindern genannt. Gleich ist hierbei, ob es sich um die Mitnahme der Töchter Charlotte oder Marianne zu einem Kuraufenthalt des Prinzen handelt, ob Eugenie „sich an mich [Carus] schmiegte“28, oder ob er Angst hatte wegen einer Krankheit des Königs nicht bei der Geburt seines ersten Enkelkindes dabei sein zu können. „Die Lage der Dinge war schwierig genug. In wenigen Wochen sah meine Charlotte ihrer ersten Entbindung entgegen, und dass dabei das liebe Kind die Anwesenheit des Vaters sehr vermissen würde, fiel mir freilich am schwersten aufs Herz.“29
Carus‘ Liebe zu seinen Kindern beschreibt er in seiner Autobiographie als schmerzhaft, da er sich Sorgen um sie mache und gleichzeitig Sorge um sich selbst trage, da er zum Beschützen zugegen sein müsse. Sein eigenes Leben würde somit „gewichtige[m] Wert
[verliehen].“30 Schlussfolgernd könnte gesagt werden, Carus würde seinem Leben durch die Kinder ein Sinn gegeben. Auffällig ist in diesem Zusammenhang auch das kurze Beschreiben des Todes seiner Frau und seines Sohnes August Wolfgang 1859 in den Memoiren. Bis dato lebten nur noch drei seiner Kinder. Als hätte das Leben des viel beschäftigten Forschers zu jenem Zeitpunkt geendet, schließen die Lebenserinnerungen an dieser Stelle abrupt.31