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Kapitel 3 UN-Vollversammlung – 1. Tag – 10.12.2015

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Der frühe Morgen des folgenden historischen Donnertags der UN-Vollversammlung war an der amerikanischen Ostküste von stürmischem Wind und eisigem Schneeregen geprägt.

„Genauso ein Mistwetter, wie bei uns zuhause. Und das an einem Tag, an dem Geschichte geschrieben werden soll“, war alles, was Alex dazu zu bemerken hatte, als er an diesem amerikanischen Morgen, knapp zwei Stunden nach dem Start, zusammen mit seiner Frau Mora gegen 08:00 Uhr Ortszeit die Zentrale der THERRA-X betrat.

„Wir könnten zwar bereits heute in euer Wetter eingreifen, aber momentan ist das meines Erachtens eher noch nicht angebracht“, meinte die auf der Schiffsbrücke ebenfalls schon anwesende Erzherzogin Shira-Khor. „Wir wollen ja schließlich nicht all unsere Karten schon vor den Verhandlungen auf den Tisch legen.“

„Wann starten wir denn nach New York?“, fragte Alex sogleich.

„Unsere europäischen Staatschefs sind einschließlich deiner Kanzlerin schon vor einer Viertelstunde mit Regierungsflügen der Amerikaner vom Dulles International Airport nach New York gereist.

Und unser Gastgeber, Präsident Parker, wollte lieber mit seinem eigenen Hubschrauber, der Marine One, dorthin fliegen“, erwiderte die larojanische Großkanzlerin, als bei ihren letzten Worten auch die mitreisenden larojanischen Minister in der Zentrale der THERRA-X erschienen.

„Keine Sorge, wir werden nichts versäumen“, meinte Shira-Khor, als sie die fragenden Mienen ihrer irdischen Freunde näher musterte.

„Unsere beiden Shuttlepiloten Chris Krüger und Henry Gerber warten schon in der THERRA-X-1 auf uns. Und die THERRA-X-2 wird unter Kendos Kommando gleich nach uns den Rest der bei uns verbliebenen Delegationsmitglieder zur UN-Plaza befördern.“

„Und wer kümmert sich inzwischen um das Ausladen und den Transport der beiden mitgebrachten STYXX-Pyramidenwracks?“, fragte Alex umgehend.

„Das habe ich schon geregelt“, antwortete Erzherzogin Shira-Khor sofort. „Oskar 1 und mehrere seiner Androidenkameraden werden sich dazu an Bord der Wracks begeben, die danach vom Traktorstrahl einer Korvette der THERRA-X ins Schlepp genommen und vor dem UN-Gebäude abgesetzt werden. Unsere Androiden sind ja übrigens auch schon ganz gut darin, historische Artefakte einem interessierten Publikum vorzuführen.

Nachdem wir ja wissen, dass der Platz vor der UN-Plaza für zwei Shuttles ausreicht, werden wir das in der Trümmerzone eures Sonnensystems sowie das auf LARO 5 geborgene Schiff genau dort für alle Zweifler öffentlich zur Schau stellen.“

„Und was machen unsere beiden Shuttles in der Zwischenzeit?“, warf Mora an dieser Stelle ein. „Die können dort dann ja nicht stehenbleiben.“

„Nun, die werden über dem Konferenzort in großer Höhe Warteposition beziehen – denn das dient aus gegebenem Anlass zudem der Absicherung der UN-Vollversammlung vor unliebsamen Überraschungen“, erwiderte augenblicklich der larojanische Verteidigungsminister Kendo Khar.

„Okay meine Freunde, es ist jetzt 08:30 Uhr – und wir sollten dann so langsam mal aufbrechen“, meinte Erzherzogin Shira-Khor, als sie in die inzwischen versammelte Runde ihrer wartenden Begleiter blickte.

Kurz nach 09:00 Uhr landeten die beiden Beiboote der THERRA-X endlich auf dem von einem großen Polizeiaufgebot abgeriegelten freien Platz vor dem UN-Gebäude.

Nachdem Erzherzogin Shira-Khor und alle larojanischen und europäischen Diplomaten, zusammen mit Mora und Alex sowie deren Mitarbeitern, die Beiboote verlassen hatten, hoben die beiden Shuttles sofort unter dem Blitzlichtgewitter und den auf sie gerichteten TV-Kameras wieder ab und gingen in großer Höhe über dem UN-Gebäude auf Wachposition.

Die in ihren dunkelblauen, samtähnlichen Amtstalar gehüllte Shira-Khor wurde am Eingang des UN-Gebäudes – wie schon alle Staatsoberhäupter und Regierungschefs zuvor – vom ein wenig sorgenvoll blickenden UN-Generalsekretär Mansur-el-Rabat, einem geborenen Ägypter, höflich empfangen.

„Herzlich Willkommen, auf der Erde Euer Exzellenz“, sagte Mansur in die bereitstehenden Mikrophone der Medien, als er der larojanischen Regierungschefin unter den erneuten Blitzlichtern der Weltpresse die Hand schüttelte.

„Es ist mir eine wirkliche Ehre, dass Sie, Herr Generalsekretär, mir heute die Gelegenheit geben, zu den Völkern der Erde zu sprechen und ich freue mich sehr, hier bei Ihnen zu sein“, erwiderte Shira-Khor höflich, während sie mit ihrer Delegation dem Generalsekretär in das Gebäude folgte.

Als die larojanische Großkanzlerin wenig später, von vielen Kameras verfolgt, beherzt vor das Rednerpult trat und die versammelten Regierungschefs und UN-Diplomaten musterte, gab es – neben dem überwiegenden Applaus der meisten Staatschefs – auch ein paar abfällige Rufe.

„Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe“, glättete der UN-Generalsekretär sofort die Wogen.

„Ich bitte Sie alle, zuerst einmal zuzuhören, was uns unser außerirdischer Gast zu sagen hat. Sie haben das Wort, verehrte Großkanzlerin.“

Shira-Khor begann ihre Rede auf Englisch mit den folgenden Worten:

„Meine Damen und Herren Exzellenzen! Sie alle sind sicher sehr neugierig – und vielleicht auch ein wenig misstrauisch, da Sie wahrscheinlich bisher nur wenig über meinen Heimatplaneten, die larojanische Bevölkerung und mich selbst wissen.

Ich verstehe das gut, da ich wahrscheinlich genauso auf Besucher von fremden Planeten reagieren würde. Daher will ich Ihnen auch zuallererst einmal mein Volk und mein heimatliches Sternensystem, aber auch dessen Geschichte vorstellen, die – wie Sie später noch sehen werden – ein stückweit auch Ihre eigene Geschichte ist.

In diesem Zusammenhang eine Feststellung vorweg. Wir Larojaner sind keine außerirdischen Aliens, die mit Invasionsgelüsten zu Ihnen auf die Erde gekommen sind.

Vielmehr sind auch wir Menschen, wie Sie. Schließlich stammen unsere Vorfahren von der Erde ab. Ich jedenfalls freue mich wirklich außerordentlich, dass wir nach ausgesprochen langer Zeit unseren Herkunftsplaneten, und damit die mit uns verwandten Schwestern und Brüder der Erde wiedergefunden haben.

Und wir würden uns noch mehr freuen, wenn es uns heute und in den kommenden Tagen gelänge, die Basis für eine künftige Zusammenarbeit zu legen.“

Nach einer kurzen Pause setzte Shira-Khor ihre Rede anhand kurzer Videosequenzen und Bilder fort, die hinter ihr, für alle Anwesenden gut sichtbar, auf eine Großbildleinwand projiziert wurden.

„Meine Damen und Herrn! So sah meine Heimat vor rund 3.000 Jahren aus. Das hier sind Bilder meines Heimatplaneten LARO 5, die seinerzeit bei einer Dokumentation von einem anfliegenden Schiff unserer Vorväter aus dem Raum heraus aufgenommen wurden.

Meine Heimatwelt liegt ziemlich genau 490 Lichtjahre von hier entfernt und ist etwa 10% größer als Ihre Erde.

Und Ihre Wissenschaftler auf der Erde kennen unseren Planeten seit dem letzten Jahr Ihrer Zeitrechnung unter der Bezeichnung Kepler-186f, als er und unser Sonnensystem von Ihrem Kepler-Teleskop der NASA4 entdeckt wurden.

LARO 5 ist der äußerste Planet eines Fünf-Planeten-Systems und ebenso, wie die Erde, wird LARO 5 von einem kleinen Mond umkreist, der seine Lage im Raum stabilisiert und ohne den es auf meiner Welt keine beständigen, vor allem klimatisch erträglichen Lebensverhältnisse gäbe.

Mit seinen großen Ozeanen, den vereisten Polkappen und vier Kontinenten sieht er Ihrem Planeten sehr ähnlich. Nur ist es bei uns über das ganze Jahr hinweg ein ganzes Stückweit kühler, als bei Ihnen, weil unsere Sonne LARO viel kleiner als Ihr Hauptgestirn ist. Und ein Jahr dauert bei uns nur etwa halb so lange, wie Ihr irdisches Jahr.“

Die Zuschauer der Versammlung verfolgten nun gespannt den weiteren Anflug des filmenden Schiffs, das nun allmählich in einen vor Raumschiffverkehr wimmelnden Orbit um LARO 5 einschwenkte und dabei langsam tiefer ging.

Schon sehr bald waren die von Bergen und grüner Vegetation bedeckten vier Hauptkontinente besser zu erkennen. Dann tauchten die ersten Großstädte mit ihren vorwiegend zylinder- und würfelförmigen Hochbauten sowie eine große Anzahl gewaltiger Raumhäfen auf.

Und auch hier sprang der offensichtlich dichte, zwischen diesen Ansiedlungen vorwiegend auf Hochbahnen verlaufende Verkehr den ungläubig blickenden Beobachtern sofort ins Auge.

„Wir befinden uns jetzt im direkten Anflug auf den Zentralraumhafen unserer Hauptstadt TIKAL, die es auch heutzutage noch gibt“, fuhr die larojanische Großkanzlerin an dieser Stelle fort.

„Allerdings sehen die Stadt und die Oberfläche von LARO 5 heute leider so aus“, ergänzte sie dann mit ein wenig trauriger Stimme. „Das hier sind Bilder, die von der Besatzung der KUNTUR vor wenigen Monaten bei ihrem Anflug auf unser System aufgenommen wurden.“

Sofort brandete bei den überraschten Zuschauern lautes Gemurmel auf, als sie jetzt erstmals die total verwüstete Oberfläche und die größtenteils zerstörten Bauwerke und Verkehrseinrichtungen auf LARO 5 erblickten.

„Was Sie hier sehen, ist das Resultat eines Angriffs, mit dem mein Volk vor etwas mehr als 2.700 Jahren, wie aus dem Nichts heraus, konfrontiert wurde.

Es waren nur einige hundert Raumschiffe der uns bis dahin völlig unbekannten Insektenrasse mit Namen STYXX, die diese Zerstörungen damals angerichtet haben. Wir – und die ebenfalls von larojanischen Menschen bewohnten Nachbarplaneten LARO 3 und LARO 4 hatten diesen grausamen Invasoren – trotz unserer hochentwickelten Technologie – nur wenig entgegenzusetzen.

Heute wissen wir, dass diese Insektoiden damals eines unserer Explorerschiffe namens GATHOR bei dessen Rückkehr in unser Sonnensystem verfolgt hatten.

Unser parlamentarischer Rat hatte nämlich einige Zeit zuvor beschlossen, nicht nur die KUNTUR zur Suche nach unserem Herkunftsplaneten TERRUM auszusenden.

Der Auftrag einer Reihe weiterer Explorerschiffe war es, den abgebrochenen Kontakt zu einigen erdähnlichen Sternensystemen wiederaufzunehmen, zu denen etliche Millionen Jahre vorher – und dann in einer zweiten Welle nochmals vor rund 3.000 Jahren – Menschen aus dem Laro-System nach langen, untereinander ausgetragenen interplanetarischen Kriegen, aufgebrochen waren.

Ja, ich muss zugeben, auch uns Larojanern waren in der Vergangenheit Streitereien und kriegerische Auseinandersetzungen nicht fremd.

Als man vor rund 20 Millionen Jahren, nach zahlreichen Schlachten – angesichts der horrenden Verluste an Menschen und Material – endlich zu begreifen begann, dass Gewalt kein probates Mittel zur Konfliktbewältigung ist, erwiesen sich die danach folgenden Kolonisations- und Auswanderungsbewegungen als die Lösung, mit der die um unterschiedliche politische Auffassungen streitenden Parteien am Ende in einem lockeren Bündnis eigenständiger Planeten zusammenleben konnten.

Und so kam es zunächst zur Besiedlung unserer Nachbarwelten LARO 3 und 4, bei der alle Parteien – trotz ihrer Meinungsverschiedenheiten – gemeinschaftlich zusammenarbeiteten, um diese Planeten für Menschen bewohnbar zu machen.

Nur kurze Zeit später setzte eine weitere Auswanderungswelle derer ein, die auch mit diesem klugen Arrangement noch nicht zufrieden waren und sich lieber vom Laro-System in Gänze lösen wollten.

Das funktionierte nur deshalb, weil unsere Astronomen unterdessen herausgefunden hatten, dass es in unserem Quadranten der Milchstraße ein weit entferntes Sonnensystem gab, und auch heute noch immer gibt, welches über zwei für Menschen bewohnbare Planeten verfügt.

Unsere Vorfahren gaben diesem System damals den Namen SANTOR – und Sie auf der Erde kennen es heute unter der Bezeichnung Kepler-62f. Und sobald es halbwegs zuverlässige Fernraumschiffe gab, wanderten mehrere Millionen noch immer unzufriedener Bürger vor etwa 20 Millionen Jahren im Laufe der Zeit nach und nach dorthin aus.

Doch zurück zum Angriff der STYXX vor rund 2.700 Jahren. Unsere ehemalige larojanische Systemraumflotte war, wegen der nach den Auswanderungswellen folgenden langen Friedenszeit, stetig verkleinert worden.

Doch vor rund 3.000 Jahren gab es erneut Meinungsverschiedenheiten und Auseinandersetzungen mit unseren unmittelbaren Nachbarn auf LARO 3 und 4. Da jedoch die daraus resultierenden Kämpfe rasch beigelegt werden konnten, dachte man schon allein aus Kostengründen auch dann nicht über eine Verstärkung der Flotte nach. Und das, obwohl ein Teil der Flotteneinheiten bei diesen Auseinandersetzungen zerstört wurde.

Dann kamen die STYXX. Zu diesem Zeitpunkt war unsere nach wie vor kleine Raumflotte, bis auf wenige, im Raum stehende Wacheinheiten – und die kurz zuvor abgereisten Explorerschiffe – auf den Raumhäfen von LARO 5 stationiert.

Die STYXX verhandelten nicht mit uns, sondern begannen sofort mit der überfallartigen Eliminierung unserer Kampfschiffe, einschließlich der zu unserer Planetenverteidigung im Orbit stationierten Raumforts.

Die Hauptwaffe ihrer Pyramidenschiffe waren sogenannte Intervallkanonen, mit denen sie mühelos jede Abwehr unserer Verteidigungssysteme durchbrachen.

Darüber hinaus verfügten sie über hochwirksame Schutzschirme. Deshalb konnten unsere schwersten Einheiten nur dann Abschüsse feindlicher Schiffe erzielen, wenn es ihnen gelang, von mehreren unserer Raumer aus, gezieltes Punktfeuer auf die überlegenen STYXX-Pyramiden zu eröffnen.

Dennoch erwies sich das letztlich als aussichtsloses Unterfangen. Jedoch ergab sich so, wenigstens für einen Teil unserer Bevölkerung, die Chance, sich unbemerkt in schon lange bestehende, unterplanetarische Schutzeinrichtungen zurückzuziehen.“

Shira-Khor machte erneut eine kleine Pause, ehe sie fortfuhr. „Bilder von diesem Kampf gibt es leider nicht, aber das noch heute sichtbare Ergebnis, das ich Ihnen soeben gezeigt habe, spricht meines Erachtens für sich selbst“, setzte sie ihre Erläuterungen danach umgehend fort.

„Was dann folgte, war die Landung der STYXX auf unserem Planeten. Sie plünderten unsere Städte und Siedlungen über Wochen hinweg völlig aus. Sie verluden Rohstoffe, Industrieprodukte sowie alle sonstigen Waren und Handelsgüter von Wert, derer sie habhaft werden konnten.

Anschließend setzten sie ihr brutales Zerstörungswerk fort und machten unsere gesamte Infrastruktur dem Erdboden gleich, ehe sie wieder in den Raum starteten. Doch sie ließen uns zuvor noch einen Bio-Erreger als Andenken zurück, mit dem sie offenbar beabsichtigten, auch die letzten Überlebenden ihres Angriffs zu eliminieren.

Aber, wie Sie sehen, haben diese Insektenabkömmlinge das nicht ganz geschafft. Während es auf LARO 3 und 4 – nach der Zerstörung der dortigen technischen Anlagen zur Atmosphärenerzeugung – keine überlebenden Menschen mehr gab, sah die Sache auf LARO 5 ein wenig anders aus.

Denn nur hier gab es eine natürliche Atmosphäre und wir verfügten aus früheren kriegerischen Zeiten über subplanetare Schutzbauten, die etwa 250.000 Menschen ein vorläufiges Überleben garantierten.

Dieser Viertelmillion Männer und Frauen, zu denen viele hochrangige Wissenschaftler und auch etliche Führungspersönlichkeiten des larojanischen Rats gehörten, und ihren damals noch zunehmend zahlreicher werdenden Nachkommen gelang das scheinbar Unmögliche.

Sie erschufen unter der Oberfläche meines Heimatplaneten nicht nur ein sich selbst versorgendes Habitat, das unser Überleben garantierte, sondern sie erbauten im Laufe der Zeit auch subplanetarische Werft- und Industrieanlagen, mit denen wir noch heutzutage nicht nur unsere modernen Schiffe, sondern alle lebensnotwenigen Produkte im Verborgenen fertigen.

Ferner entwickelten sie – eingedenk des damaligen Überfalls der Pyramidenraumer – wirksamere Waffen und Schutzschirme, mit denen wir einen etwaigen erneuten Angriff heutzutage sicher abwehren könnten. Denn es darf nie mehr passieren, dass Milliarden von Menschen jemals wieder Opfer dieser grausamen Invasoren werden.“

„Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Großkanzlerin?“, meldete sich in diesem Augenblick der amerikanische Präsident etwas irritiert blickend zu Wort. „Bitte sehr Mister President, natürlich“, erwiderte Shira-Khor prompt.

„Nun, ich frage mich, warum Sie bis heute noch nicht begonnen haben, Ihren Planeten auch an der Oberfläche wieder neu aufzubauen. Ist der damals ausgebrachte Bio-Kampfstoff noch immer wirksam und ist das dafür der Grund?“

„Nein Mr. President, den Kampfstoff konnten unsere Wissenschaftler schon wenige Jahrzehnte nach dem Überfall vollständig eliminieren. Das ist übrigens auch der Grund, warum es heute wieder Vegetation und Tiere auf unserer Planetenoberfläche gibt.

Und ganz so ungenutzt, wie es auf den ersten Blick aussieht, ist die Oberfläche von LARO 5 inzwischen auch nicht mehr. Zumindest unsere ehemaligen Raumhäfen sind – wenn auch scheinbar von Vegetation überwuchert – schon seit Langem wieder in Betrieb. Nur kann man unsere dort stationierten Kampfschiffe, dank der von uns mittlerweile entwickelten Tarntechnologie, vom Raum aus weder sehen, noch anderweitig orten.

Aber ich will ehrlich sein. Wir haben zwar in der Zwischenzeit wieder viele Tausend moderne Schiffe gebaut, die aber zumeist nur – entweder vollautomatisch von Robotern, oder von unseren Androiden geflogen werden können.

Was ich damit sagen will – woran es in erster Linie fehlt, sind eine hinreichende Anzahl menschlicher Führungsoffiziere, die zum Kommandieren einer schlagkräftigen Flotte, nach meiner Ansicht und der meines planetarischen Rats, nun mal unverzichtbar sind.

Dies letztlich auch deshalb, weil wir uns auf Dauer nicht größtenteils allein nur auf Roboter und Androiden – trotz deren überragender Fähigkeiten – verlassen wollen.

Anders als bei Ihnen, leidet mein Planet nämlich nicht an Überbevölkerung, sondern am genauen Gegenteil dessen, weil unsere Bevölkerungszahl mittlerweile nur noch ziemlich langsam anwächst.

Und vorwiegend deshalb halten wir uns, was die offene Zurschaustellung unserer Raumhäfen und den Wiederaufbau unserer Oberflächeninfrastruktur angeht, momentan immer noch ziemlich bedeckt.

Das ist letztlich zudem der Grund, weshalb wir auswanderungswillige Menschen der Erde bitten, uns auf LARO 5 im beiderseitigen Interesse als Siedler und bei der Bemannung unserer Raumschiffe zu unterstützen.

Beiderseitiges Interesse deshalb, weil auch der Erde – wie ich ja schon bereits an anderer Stelle gesagt habe – die latente Gefahr eines STYXX-Angriffs droht. Um das zu verstehen, muss ich Sie aber nun bitten, mir rund 65 Millionen Jahre in unsere gemeinsame Vergangenheit zu folgen.

Als unsere Urahnen zu dieser Zeit von der Erde ins Laro-System auswanderten, taten sie das nämlich nicht aus Abenteuerlust, sondern weil eine kosmische Katastrophe bisher ungekannten Ausmaßes unmittelbar bevorstand, vor der sie die Flucht ergriffen.

Es handelt sich dabei um den auch Ihrer Wissenschaft bekannten Einschlag eines riesigen Asteroiden nördlich der heutigen Halbinsel Yukatan im Golf von Mexiko. Und der Auslöser für diesen Impact war zu jener Zeit der Angriff einer STYXX-Flotte auf Ihr Sonnensystem.“

Um das Rumoren und die Zwischenrufe aus dem Auditorium zu übertönen, sprach Shira-Khor jetzt lauter. „Meine Damen und Herren, wir haben dafür nicht nur eindeutige Beweise, sondern – was noch besser ist – einen Zeitzeugen, der Ihnen jetzt gerne darüber berichten wird.“

Auf einen Wink Shiras trat während der schlagartig einsetzenden, ungläubigen Stille in diesem Moment der in die Uniform eines Admirals der PHAETON-Raumflotte gekleidete Mero-Khan an ihre Seite.

„Erschrecken Sie bitte nicht, dieser Mann, der gerade zu mir ans Rednerpult gekommen ist, ist einer von zwei noch lebenden Zeitzeugen, die aus erster Hand erfahren haben, was vor über 65 Millionen Jahren in Ihrem Sonnensystem geschah. Und warum er wundersamer Weise heute noch lebend vor Ihnen steht, wird er Ihnen gleich anschließend erklären.“

Damit übergab Shira-Khor das Mikrofon an Admiral Mero-Khan, blieb aber neben ihm auf dem Podium stehen.

„Meine Damen und Herren“, begann der uralte Flottenkommandeur sofort zu sprechen. „Mein Name ist Mero-Khan – und ich war vor rund 65 Millionen Jahren Ihrer Zeitrechnung Kommandeur der auf dem untergegangenen Planeten PHAETON stationierten Raumflotte unserer gemeinsamen Vorfahren.“

Das augenblicklich laut einsetzende, ungläubige Murmeln vieler Staatschefs und Delegierter wurde daraufhin unüberhörbar.

„Lassen Sie diesen Mann doch bitte seinen Vortrag halten“, mischte sich sogleich der Generalsekretär der UN von seinem Platz aus mit einem Ordnungsruf ein.

„Ich bitte um Ruhe“, rief er gleich anschließend nochmals, ehe er Mero-Khan zunickte. „Bitte fahren Sie fort.“

„Exzellenzen, ich kann mir lebhaft vorstellen, dass Sie meiner persönlichen Vita im Augenblick nicht zu glauben vermögen. Und dennoch ist sie wahr. Zu meiner Zeit hätte ich das an Ihrer Stelle auch bezweifelt.

Aber seien Sie versichert, vor Ihnen steht einer von nur zwei überlebenden Offizieren der ehemaligen Kommandantur des Raumhafens auf PHAETON, der einmal der 5. Planet Ihres Sonnensystems zwischen MARS und JUPITER war.

Meine Stellvertreterin, Kommodore Lara-Thar, und ich hatten das Glück, dass unsere Cryo-Kapseln die vielen Millionen Jahre auf einem Bruchstück meines ehemaligen Planeten, welches Sie heute unter dem Namen CERES kennen, überdauert haben. Meine Begleiterin und ich wurden vor wenigen Monaten, gerade noch rechtzeitig vor dem endgültigen Versagen unserer Kältetanks, von der Besatzung der KUNTUR gefunden. Doch dazu später.

Ich zeige Ihnen jetzt einige Bilder und zwei uralte Videoaufzeichnungen. Beide Videodokumente – das kann ich Ihnen versichern – sind keine Fälschungen. Vielmehr wurden sie von dem auf der Erde im letzten Jahr wieder instandgesetzten und von einer irdischen Besatzung geflogenen Raumschiff KUNTUR vor noch nicht allzu langer Zeit im Meteoritengürtel zwischen MARS und JUPITER geborgen. Doch auch dazu komme ich noch im Laufe meines Reports.“

Inzwischen war im Auditorium der irdischen Staatschefs eine fast knisternde Anspannung zu spüren, als die ersten vorgeschalteten Standbilder auf dem großen Bildschirm des UN-Konferenzraums unter den erläuternden Bemerkungen des alten Admirals der phaetonischen Raumflotte erschienen.

„Das, meine Damen und Herren, ist Ihre Erde vor ca. 65 Millionen Jahren“, sagte Admiral Mero-Khan, als er das erste Standbild auf den Großbildschirm projizierte.

„Wundern sie sich nicht, das kontinentale Bild der Erde sieht infolge der Kontinentalverschiebung heute ein wenig anders aus, als damals. Dieses Bild, genauso, wie die Theorie der tektonischen Plattenbewegungen, ist auch der irdischen Wissenschaft nicht unbekannt.

Und auch die folgenden Fakten werden von Ihren Forschern geteilt. Ich fasse das, was damals passiert und unbestritten auch Stand der irdischen Forschung ist, deshalb erst einmal kurz zusammen.

Möglicherweise wissen Sie, dass vor rund 65 Millionen Jahren ein sog. ‚KT5-Impact’, also ein Kreide-Tertiär-Asteroideneinschlag, im Golf von Mexiko rund 75% aller irdischen Spezies ausgelöscht hat.

Zuerst gab es nach diesem Einschlag eine gewaltige Druck- und Hitzewelle, die rund 1.600 km rund um den Auftreffpunkt des Asteroiden reichte. Danach folgte ein Mega-Tsunami mit unglaublicher Vernichtungskraft.

Durch den Impact wurden zudem rund 500 Milliarden Tonnen glühender Gesteinsbrocken bis in den Weltraum geschleudert. Deren anschließender Wiedereintritt in die irdische Atmosphäre führte zu riesigen Bränden rund um den gesamten Globus.

Staub und Asche in der Atmosphäre sorgten schon wenig später dafür, dass die Temperatur schon bald darauf weltweit für viele Monate stark absank. Als die Sonne langsam wieder durchkam, ging, aufgrund des damit einsetzenden Treibhauseffekts, saurer Regen nieder, der die sich langsam wieder erholende, nicht verbrannte Vegetation erneut angriff. Damit war die Nahrungskette für nahezu alle auf der Erde lebenden Arten für eine längere Zeit unterbrochen.

Woher wissen Ihre Wissenschaftler das? Nun, es findet sich rund um die Erde eine sogenannte KT-Schicht, die das beweist. Bei dieser KT-Schicht handelt es sich vor allem um hochkonzentriertes Iridium und metamorphes, d.h. zertrümmertes Quarzgestein.

Iridium ist ein Metall, das vor allem in Meteoritengestein in hoher Konzentration vorkommt. Das allein wäre noch nichts Besonderes. Aber der metamorphe Quarz genau in dieser Schicht belegt, dass ein Großteil der damals zur gleichen Zeit beim Aufprall des Asteroiden herausgeschleuderten Gesteinsbrocken wieder glühend in die Erdatmosphäre zurückstürzte und mit hoher Wucht auf der Erdoberfläche auftraf.

Und noch ein drittes Element ist Teil dieser sogenannten KT-Schicht. Ich rede von einer Ruß- und Kohleschicht im Volumen von rund 70 Milliarden Tonnen, was hochgerechnet nahezu der gesamten damaligen Vegetation der Erde entspricht, die zum gleichen Zeitpunkt, durch den globalen Wiedereintritt glühenden Gesteinsmaterials, in nur wenigen Tagen fast zur Gänze verbrannte.

Damit ist auch klar, warum beinahe die gesamte Vegetation und Tierwelt – und wie ich heute hinzufüge – auch fast alles menschliche Leben auf der Erde nahezu komplett ausgelöscht wurde. Und bis auf meine gerade ergänzte Anmerkung vom Tod vieler Milliarden Menschen – teilen Ihre Fachleute diese erdgeschichtlichen und geologischen Forschungsergebnisse.“

Mero-Khan machte eine Pause, während der er ein wenig um Fassung zu ringen schien. Dann fuhr er fort: „Auch, wenn es für Sie unglaubwürdig klingen mag, es gab diese seinerzeit nahezu völlig vernichtete Erste Menschheit wirklich. Und ich selbst bin nur ein uraltes Relikt aus dieser Zeit.

Was jedoch diesen gigantischen Asteroideneinschlag auf der Erde damals ausgelöst hat, ist Ihrer Wissenschaft offenbar nur unzureichend bekannt. Denn der Impact geschah nicht einfach so, als zufälliger Zusammenstoß eines vom Kurs abgekommenen Himmelskörpers mit der Erde, wie das ja auch in späterer Zeit noch häufiger vorkam und auch heute in meist viel kleinerem Ausmaß noch immer passiert. Er hatte eine andere Ursache.

Ich kommandierte zu der Zeit, als die Katastrophe begann, den Raumhafen unseres Werft- und Flottenplaneten PHAETON, als der völlig überraschende Angriff einer uns damals unbekannten Rasse auf das damalige Sol-System seinen Anfang nahm.

Den Kampf gegen die Eindringlinge – wie wir erst später erfuhren, eine intelligente Insektenrasse mit dem Namen STYXX – verloren wir sehr rasch, weil unsere damaligen Raumstationen und Schiffe mit all ihren Strahlwaffen und Schutzschirmen den Pyramidenschiffen dieser brutalen Räuberbande hoffnungslos unterlegen waren.

Die damalige Erde, unsere gemeinsame Ur-Heimat, war zu jener Zeit, vor allem auf dem heutigen amerikanischen Kontinent, von der Ersten Menschheit besiedelt. Und der heutige MARS war unser industrielles Wirtschafts- und Handelszentrum, das bei diesem Angriff ebenfalls stark in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Die meisten Ihrer Wissenschaftler, die sich bislang noch nicht mit unseren bisherigen Veröffentlichungen beschäftigt haben, denken noch immer, dass der Einschlag im Golf von Mexiko damals aus dem noch heute existenten Asteroidengürtel zwischen MARS und JUPITER kam.

Nun, das ist zwar vordergründig richtig. Die spannende Frage dahinter ist jedoch: Wodurch ist dieser Asteroidengürtel selbst eigentlich entstanden? Er war nämlich nicht, wie man bis heute auf der Erde denkt, schon immer da. Ich wundere mich übrigens, dass nur wenige Ihrer Astronomen die Lücke zwischen Mars und Jupiter richtig interpretieren. Denn es sind nur diese Wenigen, die dort, wo sich heute der Meteoritengürtel befindet, einen anscheinend fehlenden Planeten vermuten.“

Erneut machte Mero-Khan eine Pause, ehe er weiterredete. „Meine Damen und Herren, die jetzt folgenden beiden Videosequenzen zeigen Ihnen, was damals wirklich geschah. Das erste Video wurde – wie ich schon gesagt habe – im vergangenen Jahr durch die KUNTUR aus einem der noch im Asteroidenring schwebenden Wracks unserer damaligen Raumflotte geborgen.

Und den zweiten Bildbeweis konnte die KUNTUR wenig später bei ihrem Flug nach LARO 5, dank der Aufmerksamkeit ihrer Crew, auf dem Planetoiden CERES in den Überresten meiner ehemaligen Flottenkommandantur sicherstellen.

Aufmerksamkeit deshalb, weil die Ortungszentrale der KUNTUR beim Durchfliegen des Asteroidenrings die Energiesignaturen unserer Kälteschlafkammern anmessen konnte und deshalb auf CERES einen ungeplanten Zwischenstopp machte.

Der Planetoid CERES ist nämlich – wie ich schon ausgeführt habe – das übrig gebliebene größte Trümmerstück meines zerstörten Heimatplaneten PHAETON. PHAETON wurde von den Angreifern seinerzeit mittels abgeworfener Kernbrandbomben rasch zur Explosion gebracht, um so unseren Hauptflottenstützpunkt zu vernichten.

Aus den Resten des Planeten bildete sich dann nicht nur der schon angesprochene Asteroidenring. Einzelne Trümmerstücke erreichten nämlich sogar die Nachbarplaneten, wo sie bald darauf einschlugen und große Schäden anrichteten.

Das Auseinanderbersten des 5. Planeten des Sol-Systems war damit auch die Ursache für den Impact eines rund 10 km messenden Asteroiden im heutigen Golf von Mexiko.

Ich kann an dieser Stelle nur betonen, wie dankbar ich über den mutigen Einsatz der KUNTUR-Besatzung bin. Denn auf CERES hat sie mich und eine weitere Überlebende meiner Raumhafenkommandantur aus dem Millionen Jahre andauernden Schlaf in unseren freiwillig bezogenen Cryo-Särgen gerettet.“

„Blödsinn, was sollen diese unglaublichen Geschichten?“, meldete sich jetzt der chinesische Außenminister Ho-Feng Tian zu Wort. Mein russischer Kollege hier neben mir hat mir gerade erklärt, dass Meteoriteneinschläge auf der Erde – so, wie bei ihm im sibirischen Tunguska im Jahr 1908 – öfters passieren und daher gang und gäbe sind. Also mit Verlaub – ich glaube Ihr fantasievolles Märchen nicht.

Ich stelle momentan nur fest, dass Sie eine Macht vertreten, die für uns ein echtes Risiko darstellt und ...“ – damit blickte er sich nach dem russischen Premier um – „... wir sind von dem, was Sie hier erzählen beileibe nicht überzeugt. Verraten Sie uns doch lieber mal, woher Sie diese überaus kleidsame Operettenuniform haben, in der Sie heute hier Ihre anscheinend gut einstudierte Rolle spielen?“

„Herr Minister, das ist eine sehr gute Idee, die Sie da – wenn auch in verunglimpfender Form – soeben zur Sprache gebracht haben. Danke, dass Sie mich darauf hingewiesen haben. Ich habe diese Uniform am heutigen Tag nämlich nicht aus Geltungssucht oder zur bloßen Zurschaustellung angezogen.“

Damit legte Mero-Khan zum Erstaunen der Zuhörer die Jacke seiner Admiralsuniform ab und begann seine rotgolden schimmernden Rangabzeichen und Orden von der Jacke zu entfernen.

„Diese Abzeichen bestehen aus einer Gold-Rubidium-Legierung. Ich schlage deshalb vor, dass das ja auch bei Ihnen respektierte MIT6 jetzt sofort eine Rubidium-Strontium-Analyse dieser Metallteile durchführt – und ich bin auch damit einverstanden, dass Ihre nationalen Labore dasselbe tun. Wie Sie vielleicht wissen, sind damit, im Gegensatz zur Radio-Carbon-Methode, Altersdatierungen bis zu 50 Milliarden Jahren in die Vergangenheit möglich.

Tun Sie sich also keinen Zwang an, Sie dürfen meine Rangabzeichen zerschneiden, pulverisieren und untersuchen. Ich werde sie zwar vermissen, aber letztlich gibt es den Planeten und das Kommando, zu dem sie einst gehörten, ja schon längst nicht mehr.

Und bis dahin denke ich, sollten wir uns jetzt vielleicht mal die beiden Videos anschauen, deren Wahrheitsgehalt Sie, Herr Minister Tian – genauso, wie Ihr russischer Kollege ja offenbar bezweifeln. Ich schlage daher vor, dass wir nach den beiden Filmen eine Pause einlegen und das Ergebnis des MIT abwarten. Und übermorgen können Sie uns dann ja mitteilen, zu welchem Ergebnis Ihre eigenen Wissenschaftler gekommen sind.“

Damit startete der hinzugeeilte Oskar 5 auf den Wink des inzwischen von seiner Jacke und aller Rangabzeichen entblößten Admirals die erste, nur wenige Minuten dauernde Videosequenz, die mit einer ins Englische übersetzten Tonspur unterlegt war und die aus dem besagten, in der Schlacht vernichteten phaetonischen Schiff stammte.

„Das meine Damen und Herren, war nur ein kurzer Eindruck dessen, was sich damals in Ihrem Sonnensystem, das damals auch das meine war, tatsächlich abgespielt hat. Gefilmt von einer Fregatte meiner Raumflotte, die bis zu ihrer vollständigen Vernichtung mutig versuchte, die damals auf der Erde lebenden Menschen vor Schlimmerem zu bewahren“, erklärte Admiral Mero-Khan mit bitterer Stimme.

Übergangslos folgte das zweite Video, das aus den auf CERES geborgenen Datenbanken der Raumhafenkommandantur stammte, und das nicht nur die Aufzeichnung des verzweifelten Abwehrkampfs der damaligen Raumflotte, sondern darüber hinaus auch die durch Kernbrand herbeigeführte Zerstörung des Planeten PHAETON bis unmittelbar vor dessen Auseinanderbrechen zeigte.

Als die Videosequenz zu Ende war, erhob sich ein erneuter Tumult, der vorwiegend durch subalterne Vertreter der chinesischen und russischen Regierung sowie durch einige Diplomaten eines Teils der asiatischen Staaten initiiert worden war.

„Unglaublich! Betrüger! Lügner! Aberwitzige Behauptungen!“, waren nur ein paar der vernehmbaren, ziemlich abfälligen Worte, die jetzt, trotz der verzweifelten Beschwichtigungsbemühungen des UN-Generalsekretärs in den Saal gebrüllt wurden.

„So, jetzt reicht’s mir aber!“, rief in diesem Augenblick die von ihrem Besucherstuhl sichtlich erbost an das Rednerpult herangepreschte Mora Klausner-Kranz.

„Mir sind eure dämlichen taktisch-diplomatischen Spielchen und internationalen Macht-Techtelmechtel nämlich sowas von Wurscht! Das glaubt Ihr gar nicht! Wie idiotisch! – Und das geht gleichermaßen an die Adresse der am lautesten schreienden Delegationen – oh, ich vergaß – an die ‚Herren Exzellenzen’.

Wie überaus borniert muss man denn eigentlich sein, um dem bislang vorgelegten Beweismaterial nicht zu glauben? Ich bin eine wissenschaftlich ausgebildete Frau von der heutigen Erde und ich war bis vor kurzem noch Professorin der Archäologie an einer renommierten deutschen Universität.

Darüber hinaus war ich sowohl bei der Entdeckung des Raumhafenfragments auf CERES als auch bei der Bergung der Datenspeicher aus einem der damaligen phaetonischen Verteidigungsschiffe im Meteoritengürtel als Kommandantin des Explorerschiffs KUNTUR an vorderster Front dabei. Und jetzt sagen Sie mir bitte nochmal ins Gesicht, dass ich und meine irdische Besatzung Sie alle hier anlügen.“

Damit wandte sich Mora mit zornblitzenden Augen an den russischen Präsidenten. „Darf ich Sie vielleicht mal daran erinnern, dass wir Ihnen noch vor wenigen Wochen ein geklautes russisches Atom-U-Boot zurückgebracht haben, von dem aus Terroristen Europa mit Atomraketen beschießen wollten?“

Damit erhob Mora demonstrativ ihre ausgestreckten Arme und zeigte damit in die Runde der Versammlung. „Und darf ich Sie alle zudem daran erinnern, dass wir heute nicht hier säßen, wenn die, vor wenigen Tagen auf uns und ihre eigenen Botschafter abgefeuerte atomare Mittelstreckenrakete dieser islamistischen Terrorgruppe ‚Flammendes Schwert’ in Europa eingeschlagen wäre? Halten Sie aberwitzigerweise darüber hinaus auch die Bedrohung durch die Insektenrasse STYXX für ein Märchen?

Nun, Sie haben von dieser Gefahr für die Erde bisher nur über die Medien erfahren, aber wir haben draußen auf der UN-Plaza inzwischen zwei Wracks von Pyramidenschiffen der STYXX per Traktorstrahl zur Besichtigung absetzen lassen.

Sie haben soeben auch den Bericht des letzten kommandierenden Admirals der PHAETON-Raumstreitkräfte gehört. Mero-Khan und seine damalige Stellvertreterin, Kommodore Lara-Thar, haben sich als letzte Überlebende der PHAETON-Katastrophe – trotz der gerade in den Raum gerufenen Schmähungen – bereit erklärt, Ihren Delegationen ab morgen früh detailliertere Fragen zum damaligen Kampf mit den Invasoren bei den weiteren Beratungen im Expertenkreis zu beantworten.

Wenn Sie danach immer noch nicht glauben, was erwiesenermaßen Fakt ist, sind sie nicht nur überaus dumm, sondern Ihnen ist dann wohl auch nicht mehr zu helfen. Und dann werden wir Sie zudem im weiteren Fortgang nur noch schwerlich als potenzielle Verbündete berücksichtigen können.

Sorry, Erzherzogin, aber das musste mal gesagt werden – auch wenn ich damit vielleicht die an diesem Ort sonst übliche, fein ziselierte diplomatische Etikette verletzt haben sollte“, ergänzte Mora mit zornblitzenden Augen abschließend, ehe sie etwas freundlicher mit einer letzten Aufforderung fortfuhr:

„Und jetzt lade ich Sie alle, auch die bislang Ungläubigen, zur Besichtigung der beiden Pyramidenwracks draußen vor dem Gebäude ein.“

Von den einigermaßen irritiert blickenden Regierungsvertretern, überwand der russische Präsident Yuri Semjow das auch in Shira-Khors Gesicht erkennbare Erstaunen am Schnellsten. Und während Mora wegen ihres gerade absolvierten Auftritts noch von ihrem Ehemann Alex ausgeschimpft wurde, meldete er sich formell zu Wort.

„Exzellenzen, meine Damen und Herren – das war gerade ein unerwartet erfrischender Beitrag, der wahrscheinlich in der Geschichte dieses Hauses einmalig sein dürfte, weil er mal die Spinnweben des sonst üblichen diplomatischen Geplänkels beiseite gefegt hat.

Liebe Frau Professor Kranz, ich jedenfalls danke Ihnen für Ihre klare Ansage. Und ich danke natürlich auch Ihnen, Erzherzogin Shira, im Namen aller Nationen, dass Sie jetzt schon zum zweiten Mal einen weltweiten Nuklearkrieg verhindert haben.

Ich bin zwar von dem, was ich bisher gehört habe, noch immer nicht restlos überzeugt – aber ich verspreche Ihnen, dass wir Ihre Beweise unvoreingenommen prüfen lassen. Und wenn’s nach mir geht, sollten wir jetzt zur Tat schreiten und die erhitzten Gemüter draußen bei der Wrackbesichtigung ein wenig abkühlen.“

Als sich Yuri Semjow wieder hingesetzt hatte, herrschte erst einmal allgemeines Staunen über dessen unerwarteten Redebeitrag, ehe der amerikanische Präsident aufstand und seinem russischen Dauerkontrahenten lebhaft applaudierte.

„Na, dann wollen wir mal runter zur UN-Plaza gehen“, meinte der ebenfalls ein wenig aus der Fassung geratene UN-Generalsekretär Mansur-el-Rabat in diesem Moment, während die Sicherheitsbeamten im Hintergrund bereits die Türen zu den Treppen und Aufzügen öffneten.

Kurz darauf trafen sich die Regierungsdelegationen im Vorraum des UN-Gebäudes und spähten murmelnd und überrascht durch die hohen Fenster der Eingangshalle in Richtung der UN-Plaza, wo die 100 Meter hohen Überreste zweier STYXX-Schiffe inzwischen abgeladen worden waren.

Oskar 1 und seine Androidenkollegen teilten alle Anwesenden unverzüglich in Gruppen ein, mit denen sie nacheinander zur eingehenden Besichtigung der beiden Wracks aufbrachen.

Als eine ganze Stunde später auch der letzte Besucher die Wracks wieder verlassen hatte, wurde nur wenig gesprochen. Und man merkte, dass kaum jemand das gerade Gesehene wirklich fassen konnte. Insbesondere hatten die erhalten gebliebenen Überreste der Insektenbesatzungen allgemeine – und zum größten Teil auch erschrockene Aufmerksamkeit erregt.

Und noch beim Mittagessen drehten sich alle Diskussionen darum, ob man dem anschaulich Dargebotenen Glauben schenken sollte, oder nicht.

Nachdem der UN-Generalsekretär am Kopf der langen Tafel sein Glas zum Toast auf die illustre Gesellschaft erhoben und Shira-Khor und ihren Ministern zugeprostet hatte, erwiderte die larojanische Regierungschefin Shira-Khor bei ihrer höflichen Replik:

„Exzellenzen, meine Damen und Herren, mir war klar, wie steinig und von Unglauben geprägt dieser erste Tag unseres Zusammentreffens werden würde. Ich bin daher sehr dankbar, dass auch die Zweifler unter Ihnen diese Versammlung noch nicht verlassen haben.

Doch ehe Sie nach dem Essen vorläufig wieder in Ihre diplomatischen Vertretungen eilen, will ich Ihnen noch ein weiteres Angebot machen.

Ich biete nämlich allen führenden Regierungen dieser Erde an, dass sie die Überreste der STYXX-Schiffe, die ich gerade wieder abtransportieren lasse, in nächster Zeit untersuchen können. Weisen Sie uns einen Absetzplatz auf Ihren Territorien zu und wir werden Ihren Wissenschaftlern Gelegenheit geben, sich vom Wahrheitsgehalt des heute Gesehenen und Gehörten zu überzeugen.

Ich weise aber vorsorglich darauf hin: Das da draußen sind wirklich nur noch Wracks. Ohne Waffen, Triebwerke und ohne Bordelektronik, denn all das ist zerstört, oder wir haben es wohlweislich bereits entfernt.

Es wird also niemand von Ihnen einen Vorteil davon haben, wenn er bei der wissenschaftlichen Untersuchung als Erster drankommt. Deshalb denke ich, dass unter diesen Bedingungen eine faire Untersuchung der Herkunft und des Alters der Schiffe, als auch der noch an Bord befindlichen Überreste der Insektenbesatzungen möglich sein wird.“

Planet der Sklaven

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