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B: ITALIEN

DIE ENTWICKLUNG BIS 1968

Traditionen

Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in Italien eine lange antistaatliche Tradition. Die Zusammenführung zweier so unterschiedlicher Landesteile wie des industrialisierten, reichen Nordens und des halbfeudalen, armen Südens hat seit der Einigung immer wieder für Spannungen gesorgt. Im Süden gibt es aufgrund der Abwesenheit staatlicher Institutionen, die das Gewaltmonopol durchsetzen könnten, zudem eine Tradition nichtstaatlicher Gewalt. Bis in die Nachkriegszeit existierte in Süditalien ein gesellschaftliches Subsystem aus Clientelismus, Familismus, mit dem die Mafia ihre Herrschaft begründete. So war es bis in die 60‘er Jahre üblich, dass man sich bei Problemen nicht an die – ohnehin machtlose- Polizei wandte sondern an den örtlichen Capo. Auch Arbeitsplätze und andere gesellschaftliche Notwendigkeiten wurden über solche informellen Strukturen vermittelt, da der staatliche Apparat gar nicht die Ressourcen hatte, die vielfältigen Probleme des Südens zu lösen.

Ebenfalls im Süden existiert eine Tradition der gewalttätigen Revolte, die im Agrarrebellismus und Banditentum ihren Ausdruck findet. Das dem Banditen anhaftende Robin- Hood- Image ist jedoch umstritten. Genannt werden müssen aber noch die zahlreichen lokalen Aufstände der Tagelöhner, Pächter und Kleinbauern, sowie die Landnahmebewegung von 1943 bis 1950, an der Zehntausende Bauern beteiligt waren. Auch die große anarchistische Bewegung brachte einige Aufstandsversuche hervor, wie im Jahre 1877, als die Bauern Campaniens von den Anarchisten Cafiero und Malatesta zu einem Aufstand aufgestachelt wurden.

Auch wenn der geschätzte Umfang mit 30.000 Anhängern bei rund 4000 bis 5000 in Gruppen organisierten Anarchisten 1969 der größte in Europa war, spielen Anarchisten für den bewaffneten Kampf der 70‘er Jahre keine Rolle, wenn sich auch immer wieder für faschistische Bombenanschläge verantwortlich gemacht wurden. Die Brigate Rosse berufen sich aber auf andere historische Wurzeln.

Resistenza

Das Schlüsselereignis, auf das sich die linken bewaffneten Gruppen auch immer bezogen haben, war die Resistenza im Zweiten Weltkrieg. Im Gegensatz zu Deutschland leisteten die Italiener einen relevanten Eigenanteil zur Befreiung vom Faschismus. Der gemeinsame bewaffnete Widerstand von Kommunisten und Sozialisten, Katholiken und Liberalen ist als Gründungskonsens der Nachkriegsrepublik anerkannt. Wenn bewaffnete Gruppen der 70‘er Jahre meinen, sie müssten vollenden, was damals abgebrochen wurde, so ist darin Kritik an der Politik der Arbeiterparteien enthalten, die eine genauere Betrachtung erfordert.

Der Zweite Weltkrieg ging für Italien zweimal zu Ende. Zum einen kapitulierte Italien am 8. September 1943 vor den Alliierten, die von Süden vordrangen. Vorausgegangen war der Sturz des Duce Mussolini nach 20- jähriger Herrschaft durch den faschistischen Großrat am 25. Juli 1943 als Reaktion auf die unerfüllten Hoffnungen, die an den Krieg gestellt worden waren. Die neue Regierung unter dem Generalstabschef Badoglio stand allerdings eindeutig in faschistischer Kontinuität und versuchte Zeit zu gewinnen, um sich den Alliierten als Verbündeter gegen die „kommunistische Gefahr“ anzudienen. Einen Tag nach der Kapitulation befreiten deutsche Fallschirmjäger Mussolini und errichteten in Norditalien die „Soziale Republik von Salo“, die noch über anderthalb Jahre unter faschistischer Besatzung blieb, bevor am 28./ 29. April 1945 der Krieg auch für Norditalien zu Ende ging.

Terrorismus in Deutschland und Italien: Theorie und Praxis der RAF und der BR

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