Читать книгу Andere Spezies, gleiches Prinzip - Karen B. London - Страница 22

Verstärkung ist nicht jedes Mal notwendig!

Оглавление

Wenn man einem Hund (oder irgendjemand anderem) etwas Neues beibringt, ist es wichtig, das korrekte Verhalten jedes Mal zu verstärken, damit es erlernt werden kann. Wenn jemand für ein Verhalten regelmäßig bestärkt wird, fällt es demjenigen leichter, die Verbindung herzustellen. Es gibt jedoch keinen Grund, mit dieser Verstärkungsfrequenz bis in alle Ewigkeit weiterzumachen. Viele Menschen, die den Einsatz von Futter im Hundetraining ablehnen, geben als Hauptgrund dafür an, dass sie nicht ständig Leckerchen geben wollen. Bei einem guten Hundetraining ist das auch nicht nötig. Profis wissen, wie sie die Futterbelohnung, die in der frühen Trainingsphase für ein neues Verhalten jedes Mal verwendet wurde, langsam ausschleichen können. Zum einen ist es praktisch, wenn man die Belohnungsfrequenz für ein Verhalten verringern kann. Unsere Hunde sollten nicht nur dann reagieren, wenn es Leckerchen gibt. Und wenn ein Hund ein Verhalten sehr gut verinnerlicht hat, muss auch nicht mehr jede Reaktion verstärkt werden. Dasselbe gilt für Menschen. Als meine Kinder klein waren, bestärkte ich sie regelmäßig dafür, dass sie sich selbst anzogen, ihren Teller aufaßen oder sich die Zähne putzten. Jetzt, da diese Verhaltensweisen gut etabliert sind, muss ich sie nicht mehr dafür bestärken. (Diese Verhaltensweisen werden auf andere Weise verstärkt, wenn die Kinder älter werden. Das schlechte Gefühl von ungeputzten Zähnen fungiert als negativer Verstärker beim Zähneputzen. Verhaltensweisen wie Aufessen und Sich-vor demVerlassen-des Hauses-angemessen-Kleiden werden durch eine soziale Anerkennung bestärkt, die nicht unbedingt von mir kommen muss.) Das Tatsache, dass wir im Training dadurch eine verlässlichere Reaktion erhalten, ist ein zweiter Grund, warum wir weg von andauerndem Verstärken und hin zu gelegentlichem Verstärken wollen. Es gibt nämlich einige Hinweise darauf, dass sporadisches Verstärken im Vergleich zu konstantem Verstärken eine stärkere Wirkung bei Tieren erzielt.

Wissenschaftler haben die biochemischen Vorgänge im Gehirn während eines Signal-Verhaltens-Zyklus untersucht. Sie haben den freigesetzten Dopaminspiegel gemessen und sich dann angesehen, welches Aktivitätsniveau die Dopamin-Signalwege zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufwiesen. Das Ziel dabei war, herauszufinden, wann die Lustzentren des Tieres am stärksten aktiviert wurden. (Dopamin ist ein Neurotransmitter, der vermehrt ausgeschüttet wird, wenn man etwas als lohnend empfindet. Einer der DopaminHauptsignalwege spielt eine wichtige Rolle für die Verhaltensverstärkung.) Sobald ein Tier lernt, dass ein Signal ihm die Gelegenheit bietet, ein Verhalten zu zeigen und dafür etwas von Wert zu erhalten, bereitet ihm nicht nur der Verstärker Freude. In einer eleganten Studie hörten die Tiere ein Signal (eine Glocke) und erhielten daraufhin die Gelegenheit, einen Schalter mehrmals umzulegen. Nach einer Zeitverzögerung von wenigen Sekunden erhielten sie dann eine Futterbelohnung. Man würde denken, dass bei Erhalt der Belohnung am meisten Dopamin ausgeschüttet wurde und dass auch die Signalwege in diesem Moment am aktivsten waren, aber das war nicht der Fall.

Die stärkste Reaktion trat nicht auf, als das Tier den Verstärker erhielt, sondern in dem Augenblick, in dem die Glocke läutete und das Tier begann, den Schalter zu betätigen. Das Wissen um die Bedeutung des Signals und die richtige Reaktion darauf sowie die Vorfreude auf den Erhalt des Verstärkers erzeugten ein stärkeres Glücksgefühl als der Verstärker selbst. Noch faszinierender ist, dass der Dopaminspiegel und die Aktivität in den Dopamin-Signalwegen noch höher sind, wenn das Tier weiß, dass es wahrscheinlich einen Verstärker erhalten wird, aber sich nicht ganz sicher ist. Anders ausgedrückt, wenn ein Tier gespannt wartet und gleichzeitig auf eine Verstärkung hofft, zeigt das Gehirn Anzeichen größerer Glücksgefühle, als wenn sich das Tier der Verstärkung komplett sicher ist. (Was in einem Labor passiert, lässt sich nicht direkt auf das echte Leben übertragen, weil in einem Umfeld, das der Trainer nicht kontrolliert, immer die Möglichkeit miteinander konkurrierender Verstärker besteht. Leider kenne ich keine Studien, die diese Möglichkeit untersucht haben.) Für Hundetrainer und alle anderen, die positive Verstärkung zur Beeinflussung von Verhalten anwenden, bedeutet dies, dass gelegentliches Verstärken mehr als ein langsames Leckerchen-Entwöhnen der Hunde (oder anderweitiger Schüler) ist. Es ist ein potenzieller Weg, um die innere Reaktion ihres Lernobjekts noch stärker und wirkungsvoller auszulösen. Allerdings bestärke ich Hunde (und Menschen) trotzdem sehr viel und lehne es ab, mit Belohnungen zu geizen, nur weil es möglich ist. Eine hohe Verstärkungsfrequenz ist wichtig, wenn jemand etwas Neues lernt, aber nicht nur dann ist es klug, großzügig mit den Belohnungen umzugehen. Zahlreiche Verstärker sind angesichts von Herausforderungen jeglicher Art (Ablenkungen, eine neue Umgebung, unheimliches Wetter, das Tier ist aus irgendeinem Grund zögerlich oder fühlt sich unwohl) hilfreich, um eine lustige und positive Erfahrung zu schaffen. Wenn Sie mit Ihren Verstärkern großzügig umgehen, stellen Sie sicher, dass Sie das gewünschte Verhalten oft sehen werden – und dass es eifrig gezeigt werden wird. Und ist das nicht eigentlich das Ziel? Ich bin gerne die Quelle guter und lustiger Sachen für meine Hunde und alle anderen in meinem Leben.

Andere Spezies, gleiches Prinzip

Подняться наверх