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Der Schüler bestimmt, was verstärkend wirkt

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Die richtige Auswahl der „Belohnung“ ist wichtig. Wenn ich einen Hund trainiere, dann entscheidet der Hund, was für ihn verstärkend wirkt. Wenn ein Hund lieber Zerrspiele spielt anstatt Hähnchen zu fressen, dann setze ich Spiel als meine Reaktion auf einen guten Abruf (das heißt, der Hund kommt, wenn er gerufen wird) ein. Ein anderer Hund straft ein Spielzeug vielleicht mit Nichtachtung, wenn echtes Fleisch eine Option ist, und ich respektiere dessen Meinung genauso.

Alles, was Freude macht, kann ein Verstärker sein – aber die besten Dinge wirken immer am stärksten. Für die meisten Hunde gibt es eine Abstufung der Belohnungsqualität: Echtes Fleisch ist besser als ein trockener Hundekeks, aber der ist besser als Trockenfutter. Um das auf Menschen umzulegen – es gilt zumindest für die meisten Menschen: Ein Keks ist besser als ein Cracker, und der ist besser als Salat. Wenn wir kreativ denken wollen, ist es wichtig, auch andere Verstärker außer Futter in Betracht zu ziehen. Was ein Hund in einem bestimmten Augenblick am meisten will, ist vielleicht eine Chance, rauszugehen, ein Apportierspiel zu spielen, den Bauch gekrault zu bekommen oder ein neues Spielzeug. Gleichermaßen wünscht sich ein Mensch vielleicht eine Rückenmassage, das Recht, den nächsten Film aussuchen zu dürfen oder das Angebot eines Familienmitglieds, das Geschirr abzuwaschen oder die Wäsche zu falten.

Auch Arbeitgeber täten gut daran, wenn sie ihre Angestellten mit den Dingen bestärken würden, die für diese auch am verstärkendsten wirken. Für manche Menschen ist das vielleicht mehr Geld, aber für andere wäre vielleicht mehr Freizeit besser und für wieder andere könnte der beste Verstärker zusätzlicher Büroraum für die Arbeit sein. Ebenso sollte ich das Lieblingsessen einer Person verwenden, wenn ich Essen als Verstärker einsetzen will. Für meinen Vater ist zum Beispiel zweifellos Vanilleeis der beste Verstärker, während es für meinen Mann und meinen jüngeren Sohn Karamellbonbons sind und für meinen älteren Sohn Kartoffelchips. Wenn Sie jemandem einen Verstärker anbieten, den diese Person oder dieses Tier gar nicht mag, dann kann sich der Verstärker sogar in eine Strafe verwandeln, die die Häufigkeit des Verhaltens verringert und nicht steigert. Im Hundetraining ist das bekannt. Das häufigste Beispiel ist, wenn Menschen ihre Hunde zu sich rufen und ihnen dann als Belohnung den Kopf tätscheln. Die meisten Hunde hassen das und viele Trainer setzen diese Aversion sogar ein, um aufdringliche Hunde davon abzuhalten, den Leuten in den Schoß zu springen. Für mich ist das Kopftätscheln bei Hunden in etwa so, als ob Großtanten und andere Verwandte einen in die Wange kneifen würden. Vielleicht bin ich in dieser Beziehung übersensibel, weil mir als Kind sehr viel in die Wange gekniffen wurde und einige meiner Verwandten wirklich grob dabei waren. Sie meinten es liebevoll und es bereitete ihnen anscheinend Freude, aber für mich war es abschreckend und unangenehm. Auch die meisten Hunde wollen nicht noch einmal kommen, wenn sie dafür ein Kopftätscheln ernten. Im Gegenteil, es bringt ihnen bei, dass etwas Abschreckendes passiert, wenn sie kommen und es verringert die Wahrscheinlichkeit, dass sie dies in Zukunft wieder tun werden. Es ist auch insofern schade, als jeder gelungene Abruf eine Gelegenheit ist, dieses Verhalten in der Zukunft wahrscheinlicher zu machen, indem wir dem Hund für sein Kommen Freude bereiten – und nicht Ärger. Wenn ein Hund kommt und als Folge Hähnchen, einen Kauknochen oder ein neues Spielzeug erhält, wird dieser Hund sehr viel wahrscheinlicher auch in Zukunft kommen.

Wenn Sie einem Hund den Kopf tätscheln, der auf Ihr „Komm“ reagiert hat, ist das so, als ob Sie Ihr Kind am Spielplatz von der Schaukel wegrufen, um ihm dann – wenn es von der Schaukel springt und zu Ihnen kommt – in die Wange zu kneifen. Das wird die Bereitschaft des Kindes nicht erhöhen, auch in Zukunft von der Schaukel zu springen und zu kommen. Ganz im Gegensatz zu einer besonderen Süßigkeit oder der Chance, ins Kino zu gehen.

Wenn Sie Ihrem Hund eine Belohnung anbieten, die die meisten Hunde mögen, aber Ihr Hund nicht, wirkt dies ebenfalls nicht verstärkend. Wenn Sie also einen ungewöhnlichen Hund haben, der vielleicht gerne Steak frisst, aber keine Würstchen mag, dann werden bei diesem Hund Würstchen nicht als Verstärker funktionieren. Dasselbe gilt für Menschen. Ich zum Beispiel hasse alles, was nach Pfefferminz schmeckt. Ich ertrage den Geschmack in der Zahnpasta, um gesellschaftsfähig zu sein, aber ansonsten vermeide ich ihn. Minzbonbons oder Minzschokolade stellen für mich keine Belohnung dar und jeder Versuch, mich damit zu bestärken, wird großteils erfolglos sein. (Ich sage „großteils“, weil ich eine gedankenvolle Geste zu schätzen weiß, selbst wenn mir das Geschenk nicht gefällt.) Es ist dermaßen wichtig, Verhalten mit etwas zu bestärken, das auch wirklich verstärkend wirkt, dass ich noch mehr dazu sagen muss. (Ich rede sehr viel, wenn ich eine Leidenschaft für etwas habe und es sieht so aus, als ob das auch beim Schreiben zutrifft. Wer hätte das gedacht?) Wenn man Blumen für jemanden kauft, der stark allergisch auf Blumen reagiert oder einfach so praktisch veranlagt ist, dass er nicht einsieht, warum man Geld für Blumen ausgeben würde, wenn Bargeld doch viel willkommener wäre – dann gilt auch hier, dass die Blumen nicht sehr verstärkend wirken werden. Wenn Sie jemandem eine Reise schenken, der arbeitsbedingt so viel reisen muss, dass er sich über jede Chance freut, zuhause zu bleiben, dann könnte es gut sein, dass die Reise als Strafe angesehen wird und somit ganz sicher kein Verstärker ist.

Gleichermaßen gilt: Wenn Sie Ihren Hund im Park mit „Komm!“ rufen und ihn dann, nachdem er genau das gemacht hat, was Sie von ihm verlangt haben, anleinen und mit ihm nach Hause gehen, dann bestrafen Sie damit den Hund für einen wundervollen Abruf. Das ist unklug, obwohl es vielleicht keinen Schaden anrichtet, wenn der Abruf Ihres Hundes sehr gut verankert ist und es eine lange Geschichte positiver Verstärkung gibt. Rufen Sie Ihren Hund stattdessen zu sich und geben Sie ihm eine Futterbelohnung oder ein Spielzeug, wenn er kommt. Lassen Sie ihn danach noch ein bisschen spielen. Das ist eine Verstärkung! Die Situation ist identisch mit jener, die Eltern allzu gut kennen, wenn ihre Kinder am Spielplatz spielen. Kommen die Kinder bereitwillig auf Ihren Zuruf, dann können Sie dieses Verhalten verstärken, indem Sie sie noch länger spielen lassen. Sagen Sie Ihren Kindern, es sei Zeit zu gehen, und wenn diese sich kooperativ zeigen und abmarschbereit zu ihnen kommen, lassen Sie sie noch ein wenig bleiben. Ich erhielt immer sehr viele Komplimente (und auch den gelegentlichen schockierten Ausdruck) von Eltern, die von der Reaktion meiner Kinder und deren Bereitschaft, den Spielplatz mit mir zu verlassen, beeindruckt waren. Dieses Verhalten hatte ich zum Teil so etabliert.

Manchmal denken wir auch zu viel darüber nach, was der beste Verstärker wäre. Hin und wieder befinde ich mich in Frauengruppen, in denen das Gespräch sich darum dreht, was ihre Männer wollen. Die Frauen reden von mehr Romantik oder davon, mehr Zeit mit ihren Männern zu verbringen, oder dass sie ihnen ihr Lieblingsessen kochen wollen. Sie reden davon, Liebesbriefe schreiben zu wollen oder etwas anderes zu tun, um ihre Ehemänner glücklich zu machen. Ich muss dann immer dem Drang widerstehen, zu rufen, was eine meiner Freundinnen einmal zu dem Thema gesagt hat: „Es ist nicht so kompliziert! Ich glaube, die meisten von euch würden keinen Fehler machen, wenn ihr mehr Sex hättet!“

Andere Spezies, gleiches Prinzip

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