Читать книгу Andere Spezies, gleiches Prinzip - Karen B. London - Страница 24
Vermasseln Sie nicht die Chance auf eine Verstärkung, indem Sie Strafe anwenden – nur weil Sie so lange auf das erwünschte Verhalten warten mussten
ОглавлениеWenn Ihr Mann Ihnen Blumen bringt und Sie sich daraufhin beschweren, dass er das nicht oft genug macht, was tun Sie dann? Sie bestrafen ihn. (Das ist eine häufige Klage, die fast schon aus einem Witz stammen könnte: „Meine Frau hat mich angeschrien, als ich ihr Blumen gebracht habe, weil ich es angeblich nicht oft genug mache. Ein tolles Dankeschön.“) Szenarien dieser Art finden wir in unserer Gesellschaft nur allzu häufig vor: Eltern, die sich während eines Besuchs ihrer Kinder darüber beschwerden, dass diese sie so lange nicht besucht hätten. Ein Freund, der sich bei seiner Freundin beklagt, dass sie schon ewig nicht mehr angerufen habe. Ein Geistlicher, der seiner Gemeinde (denen, die im Gottesdienst anwesend sind!) predigt, wie schlecht die Gottesdienste besucht seien und wie schlecht es sei, nicht regelmäßig in die Kirche zu gehen. Vom Standpunkt der Verstärkung aus ist das alles kontraproduktiv. Tatsächlich ist es so: Etwas passiert, was Ihnen gefällt, woraufhin Sie die Person bestrafen, die etwas Nettes gemacht hat, indem Sie nörgeln oder aggressiv sind. Dadurch machen Sie die wünschenswerten Handlungen in der Zukunft weniger wahrscheinlich. Zusätzlich ist es eine völlig verpasste Chance, weil Bestrafung in solchen Situationen immer auch eine verpasste Gelegenheit ist, das Verhalten zu bestärken, das man sehr wohl haben will.
Es ist wirklich wichtig, keine Chance auf positive Verstärkung zu vermasseln, nur weil etwas zu lange gedauert hat oder weil es zu selten vorkommt. Die Leute wollen häufig wissen, wie sie die Frequenz bestimmter, seltener Vorkommnisse erhöhen können: Wie kann ich meinen Partner dazu bringen, sich aus der Arbeit öfter zu melden? Wie kann ich meine Kinder dazu bringen, zu kommen, um mir bei der Hausarbeit zu helfen? Wenn Sie sich beschweren, wenn die Person Ihnen dann endlich schreibt oder vorbeikommt, um Feuerholz zu spalten und zu schlichten, dann verringert das die Wahrscheinlichkeit, dass sie so etwas Nettes noch einmal tun wird. Aber eigentlich möchten Sie ja genau das Gegenteil – Sie wollen die Wahrscheinlichkeit für die Zukunft erhöhen.
Hundetrainer predigen ihren Klienten immer, dass man einen Hund nie bestrafen darf, wenn er auf Abruf kommt – selbst wenn er dafür sehr viel länger gebraucht hat, als Sie das wollten, weil er noch ein totes Eichhörnchen beschnüffeln musste, bevor er sich zu Ihnen umgedreht hat. Das ist ein guter Ratschlag, weil Sie zwar versuchen, jemanden dafür zu bestrafen, dass er oder sie zu lange für etwas gebraucht hat – aber in Wirklichkeit bestrafen Sie das gewünschte Verhalten. Sie sollten das Verhalten im Gegenteil verstärken, damit es mit größerer Wahrscheinlichkeit wieder auftritt. Betrachten Sie es einmal aus dem Blickwinkel Ihres Hundes. Sie hören das Signal „Komm!“, aber Sie reagieren nicht gleich, weil Sie so vom toten Eichhörnchen und diesen herrlichen Maden in seinem Inneren abgelenkt sind, dass das Signal nur in einer sehr entfernten Ecke Ihres Hirns ankommt. Ihre Sinne sind vollkommen mit diesem besonderen Schatz vor Ihnen beschäftigt. Aber dank des vielen tollen Trainings und der Übungseinheiten, die Sie erhalten haben, erkennt Ihr Hirn schließlich, dass Sie gerufen werden und obwohl Sie sich eigentlich nicht von Ihrer derzeitigen Beschäftigung losreißen möchten, drehen Sie sich um und laufen zu Ihrer Besitzerin. Sie machen das, weil Sie wissen, dass es erwartet wird und weil normalerweise etwas Gutes passiert, wenn Sie machen, was sie sagt. Sie sind nicht sofort gekommen, aber Sie haben das Eichhörnchen Eichhörnchen sein gelassen und sind zu Ihrer Besitzerin gerannt. Und was passiert? Nicht nur erhalten Sie nichts Gutes dafür, dass Sie gemacht haben, was von Ihnen erwartet wurde (nicht einmal eine fröhliche Begrüßung oder irgendein Zeichen der Anerkennung), nein, Sie werden angebrüllt. Mist, sich von diesem Eichhörnchen loszureißen war es absolut nicht wert! Da kommen Sie also zu ihr, obwohl Sie eigentlich Besseres zu tun gehabt hätten, und dann fühlen Sie sich schrecklich.
Dasselbe gilt, wenn Sie Ihren Freund dafür bestrafen, dass er Sie aus der Arbeit anruft (was Sie ja eigentlich wollen, oder?), indem Sie sich über seine zu seltenen Anrufe beschweren. Er wird nur bereuen, dass er sich das überhaupt angetan hat. Es ist so viel besser, wenn Sie glücklich, leichtherzig und fröhlich klingen – und voller Lob für ihn sind. Denn das wird er hoffentlich als bestärkend empfinden. Außerdem sollten Sie sich klarmachen, dass es auch eine Strafe für ihn sein kann, wenn Sie ihn zu lange an der Strippe halten, obwohl er sehr viel Druck in der Arbeit hat. In dem Fall wird es ihm leidtun, dass er jemals angerufen hat, weil er in seiner Arbeit zurückfällt beziehungsweise Schwierigkeiten am Arbeitsplatz bekommt. Halten Sie das Gespräch kurz, damit Sie ihn nicht bestrafen, indem Sie seine Arbeitszeit mehr beschneiden, als er es sich gewünscht hätte.
Noch besser wäre es, wenn Sie Ihren Freund für seinen Anruf bestärken würden, anstatt einfach davon abzusehen, ihn zu bestrafen. Sie können hier alles in Betracht ziehen, was ihn glücklich macht – das kann die Erwähnung sein, dass Sie unbedingt bald wieder Lasertag mit ihm spielen wollen oder dass Sie ihm heute Abend sein Lieblingsessen kochen wollen, oder es kann auch einfach eine flirtende Bemerkung sein, über die er sich freut. Was zählt, ist nur, dass er am Ende froh sein soll, angerufen zu haben – und nicht voller Reue. Denken Sie immer daran, dass Sie keine Chance auf eine Verstärkung vertun dürfen, nur weil Sie so lange auf das erwünschte Verhalten warten mussten – Sie wollen ja schließlich, dass er öfter anruft. Selbst wenn es für Ihren Geschmack nicht oft genug passiert, sollten Sie sich ins Gedächtnis rufen, dass positive Verstärkung die Frequenz des Verhaltens erhöhen kann. Im Gegensatz dazu bringt es gar nichts, sich in dem Moment über die Seltenheit des Verhaltens zu beschweren, in dem es auftritt. (Gott sei Dank gibt es heutzutage Textnachrichten – Streiterein über die Häufigkeit und Dauer von Anrufen sind dadurch fast ausgestorben!)