Читать книгу Andere Spezies, gleiches Prinzip - Karen B. London - Страница 28

Löschung und spontane Erholung

Оглавление

Manchmal können wir ein unerwünschtes Verhalten zum Erliegen bringen, indem wir sicherstellen, dass wir es nicht verstärken – beziehungsweise indem wir aufhören, es zu verstärken, falls wir das bislang taten. Wenn wir uns entscheiden, ein Verhalten nicht mehr zu verstärken (das wir bis dahin verstärkt haben), damit es aufhört, sprechen wir von einer Löschung (oder Extinktion) des Verhaltens. Das Schwierige daran ist, dass ein Individuum, welches für ein Verhalten bestärkt wurde, eine Zeit lang braucht, um zu merken, dass es nun nicht mehr bestärkt wird – und damit aufhört. Dies gilt besonders, wenn das Verhalten nur manchmal verstärkt wurde. In anderen Worten, periodisch verstärktes Verhalten kann sich als besonders löschungsresistent erweisen, weil das Individuum an verstärkungsfreie Zeiträume gewöhnt ist und deshalb sehr lange braucht, um zu merken, dass es niemals mehr eine Verstärkung geben wird. Wenn jemand daran gewöhnt ist, dass ein Verhalten jedes Mal verstärkt wird, dann fallen ihm wahrscheinlich schon ein paar Wiederholungen ohne den Erhalt eines Verstärkers auf. Eine bekannte Analogie wäre, dass Menschen einen Spielautomaten sehr lange weiter mit Münzen füttern, selbst wenn sie keinen Gewinn (Verstärker) erzielen, während sie bei einem Getränkeautomaten schon nach ein oder zwei erfolglosen Versuchen aufgeben und kein Geld mehr einwerfen.

Es gibt zwei besonders häufige Verhaltensweisen bei Hunden, die Menschen oft löschen wollen: bei Tisch um Futter betteln und bellen, um aus der Hundebox gelassen zu werden. In beiden Situationen ist das größte Hindernis der konsequente Verzicht auf jegliche Verstärkung. Wenn der Hund sehr lange bellt und schlussendlich herausgelassen wird, dann wurde das Bellen verstärkt – ebenso wie die Hartnäckigkeit des Hundes. Die periodische (gelegentliche) Verstärkung bedeutet, dass der Hund beim nächsten langen Aufenthalt in seiner Hundebox erwarten wird, dass ausdauerndes Bellen zu seiner schlussendlichen Befreiung führen wird. Ebenso wird das Betteln eines Hundes periodisch verstärkt, wenn dieser viele Mahlzeiten hindurch unter dem Tisch warten muss, ohne dass irgendwelche Essensstücke herunterfallen, aber für den hin und wieder dann doch ein Stückchen Steak abfällt. Dies verstärkt das Verhalten eher, als dass es dieses verringern oder gar zum Erliegen bringen würde.

Gleichermaßen schafft es Probleme, wenn Kinder darum betteln, aufbleiben zu dürfen und sie dies manchmal dürfen, während ihnen das Privileg meistens verwehrt bleibt. Das erwünschte Verhalten aus der Sicht der Eltern (ins Bett gehen, ohne um mehr Zeit zu betteln) wird weniger wahrscheinlich, während das Bettelverhalten wahrscheinlicher wird. Deshalb machen Eltern es ihren Kindern besonders schwer, wenn sie zwar wollen, dass diese ohne Murren ins Bett gehen, aber dabei selbst inkonsequent sind. Nicht nur verstärken sie das Verhalten, das sie nicht wollen (betteln, noch länger aufbleiben zu dürfen), sie verstärken es auf eine unvorhersehbare Art, was dieses Verhalten potenziell weiter festigt. Der Grund ist, dass periodische Verstärkung ein Verhalten löschungsresistenter werden lassen kann, was bedeutet, dass es schwieriger ist, dieses Verhalten zum Erliegen zu bringen.

Es gibt einen praktischen Hinweis darauf, dass der Prozess der Löschung fast abgeschlossen ist. Ganz kurz, bevor ein Verhalten zum Erliegen kommt, gibt es ein Phänomen, das spontane Erholung oder Löschungstrotz genannt wird. Dies bedeutet, dass sich die Frequenz eines Verhaltens zeitweilig wieder erhöht, obwohl die Verstärkung dafür aufgehört hat. Wenn man aufhört, ein Verhalten zu verstärken, kann der Hund sich frustriert fühlen. („Warum funktioniert das nicht mehr?!“) Das Ergebnis ist ein Versuch, sich noch mehr anzustrengen, was übersetzt bedeutet, dass ein Verhalten noch öfter oder noch stärker gezeigt wird. Stellen Sie sich ein Kind mit einem Tobsuchtsanfall vor, dessen Eltern früher darauf reagiert hatten, indem sie dem Kind Aufmerksamkeit schenkten, aber die den Tobsuchtsanfall nun bewusst ignorieren. Bei solch einem Kind würde die Häufigkeit oder Intensität der Tobsuchtsanfälle nicht gleichmäßig abnehmen, um dann aufzuhören. Stattdessen sollte man sich auf eine Häufung von Tobsuchtsanfällen kurz vor deren Ende einstellen – und manche davon hätten es wahrscheinlich in sich. Die hohe Intensität und Frequenz der Tobsuchtsanfälle sind ein letzter, verzweifelter – und wahrscheinlich frustrationsbedingter – Versuch, die Verstärkung durch ein Mehr an Anstrengung zu erhalten. Danach folgt die Einsicht, dass das Verhalten der Tobsuchtsanfälle nicht mehr funktioniert.

Es ist sehr verlockend, einem extremen Tobsuchtsanfall nachzugeben, damit das Elend ein Ende findet. Aber aus einer Trainingsund Verhaltensperpektive wäre das ein schrecklicher Fehler. Nicht nur würden Sie damit ein Verhalten verstärken, das schon nah am Verschwinden war, Sie würden es noch dazu schwieriger machen, das Verhalten in der Zukunft zum Erliegen zu bringen. Wenn man ein Verhalten während einer spontanten Erholung verstärkt, verstärkt man damit nicht nur das unerwünschte Verhalten, sondern auch dessen Intensität und potenziell die Hartnäckigkeit des ausführenden Individuums. Wenn Sie ein Verhalten verstärken, das so nah an seiner Löschung ist, erhöhen Sie die Wahrscheinlichkeit, dass es immer schwieriger werden wird, dieses Verhalten permanent abzustellen. Es wird schwieriger werden und mehr Anstrengung benötigen, weil das Verhalten nun stärker und löschungsresistenter geworden ist. So ein Mist aber auch.

Ein klassisches Beispiel für eine spontane Erholung ist die Situation, in der Sie vergeblich auf einen Lift warten und dann den Liftschalter wiederholt fest und schnell drücken – bevor Sie aufgeben und die Treppe nehmen. Ebenso ist es eine spontane Erholung, wenn Sie bei einem kaputten Snackautomaten wütend immer wieder auf den Knopf eindreschen. Wir sind daran gewöhnt, unseren Snack zu erhalten, wenn wir auf den Knopf drücken. Passiert dies (die Verstärkung) nicht, erhöhen wir die Intensität und Frequenz des Knopf-Drückens – kurz, bevor wir aufgeben.

Andere Spezies, gleiches Prinzip

Подняться наверх