Читать книгу Andere Spezies, gleiches Prinzip - Karen B. London - Страница 29
Jackpot für besondere Leistung
ОглавлениеNicht alle Verstärker sind gleichwertig. Hunde wissen das und Menschen auch. Hunde reagieren unterschiedlich, je nachdem, ob sie einen einzigen Hundekeks bekommen oder ob der Trainer einen ganzen Sack öffnet und sie sich frei bedienen dürfen. Gleichermaßen reagieren Menschen anders, je nachdem, ob ihr Arbeitgeber ihnen eine Tankkarte für eine gut gemachte Arbeit schenkt oder ob sie ein neues Auto für eine korrekte Leistung bekommen. Solche Super-Verstärker haben eine große Bedeutung und das Verhalten, das sie verstärken, wird in der Zukunft wahrscheinlich noch öfter auftreten.
Im Hundetraining nennen wir derartige Riesenverstärker „Jackpots“ und wir sagen, dass wir überragende Leistungen mit einem „Jackpot belohnen“. Hier ist ein Beispiel dafür, wie ich einen Jackpot im Hundetraining eingesetzt habe: Ich war einmal mit meinem Hund Bugsy auf der Farm in Wisconsin unterwegs, wo ich damals wohnte. Die sechzig Hektar Farmland bestanden aus Haus und Hof, Wiesen und Wald. Ich arbeitete an Bugsys Abruf und er war in seinem Training schon ziemlich weit fortgeschritten. Er kam immer, wenn er drinnen und im Hofgelände war. Er war auch komplett zuverlässig, wenn er sich draußen innerhalb eines 10-Meter-Radiuses von mir befand oder innerhalb eines 15-Meter-Radiuses, wenn er nicht besonders abgelenkt war. Seine größte Herausforderung war, zu kommen, wenn er ein Reh gesichtet hatte – von denen es viele auf dem Gelände gab. Er schaffte es, wenn er noch nicht zu jagen begonnen hatte, aber ich hatte Zweifel, dass er umdrehen und zu mir zurückkommen würde, wenn er einmal mit der Hatz begonnen hatte. Das war unser Endziel, aber davon waren wir in unserem Trainingsablauf noch einige Schritte entfernt. Eines Tages, als wir spazieren waren, sah er ein Reh, das ich nicht bemerkt hatte – was bedeutete, dass ich ihn nicht rufen konnte, bevor er sich in Bewegung gesetzt hatte. Er hatte seine Hetzjagd bereits begonnen, als ich mich endlich soweit gesammelt hatte, um mit meiner freudigsten, lockendsten Stimme zu rufen: „Bugsy, komm!“
Er drehte so schnell um, dass er in der Zehntelsekunde zwischen Umdrehen und Zu-Mir-Rennen selbst einen überraschten Gesichtsausdruck hatte. Ich könnte schwören, wenn er eine ComicSprechblase über seinem Kopf gehabt hätte, um seine Gedanken zu beschreiben, dann hätte dort gestanden: „Warum habe ich das gerade gemacht?! Da waren Rehe und ich habe sie gejagt, aber jetzt renne ich plötzlich in die andere Richtung. Was ist da los?“ Es war eine wirklich überragende Leistung, weil er noch nicht komplett darauf trainiert war, eine Rehhatz abzubrechen – obwohl sein Abruf in den meisten anderen Situationen ziemlich perfekt wirkte. Ich wollte ihm einen Jackpot für dieses wundervolle Verhalten gönnen, weshalb ich die Futtertasche abnahm, die ich um meine Taille trug, sie weit aufmachte und ihm erlaubte, seine Schnauze hineinzustecken und jedes einzelne Leckerli zu fressen. So ein Jackpot macht einen riesigen Eindruck auf einen Hund. Ich stelle mir gerne vor, wie er denkt: „Was habe ich gemacht, um das zu verdienen? O ja, richtig, ich habe das Reh in Ruhe gelassen. Das war es total wert!“
Als meine Kinder noch kleiner waren, fand eine der Jackpotträchtigsten Situationen im Auto statt. Manchmal fuhr ich schon los, obwohl die Kinder noch nicht in ihren Sitzen angeschnallt waren. Wenn eines von ihnen dann sagte, „Warte! Ich bin noch nicht angeschnallt!“, fand ich dieses Verhalten immer wundervoll (da es potenziell lebensrettend war!) und bot dafür auch immer einen Jackpot an. Manchmal war das ein riesiger Jackpot, wie in den Park zu gehen, anstatt die geplanten Besorgungen zu machen, und manchmal etwas Einfacheres, wie in einen Laden zu gehen und die Kinder jeweils eine Süßigkeit aussuchen zu lassen. Mein Ziel war, sie dazu zu bringen, es mir zu sagen, wenn sie nicht angeschnallt waren – denn obwohl ich mich bemühte, sehr darauf zu achten, traten hin und wieder Probleme auf. Vielleicht hatte ich sie angeschnallt, aber die Schnalle hatte sich versehentlich wieder gelöst. Als sie älter waren, konnte es auch vorkommen, dass sie einfach noch nicht fertig waren und ich es ein bisschen zu eilig gehabt hatte, loszukommen.
Ich möchte gerne noch zwei Dinge zu dem Anschnall-Jackpot sagen, damit Sie mich nicht für eine Idiotin halten. Erstens kam es ziemlich selten vor, dass ich sie nicht angeschnallt hatte – in den Dutzenden Jahren der Elternschaft, in denen ich Kindersitze in Gebrauch hatte, vielleicht vierbis fünfmal. Ich bin ein bisschen zwanghaft veranlagt und überprüfte die Sicherheitsgurte ständig doppelt und dreifach, aber Schlafmangel und andere schlechte Augenblicke bedeuteten gelegentliche Fehlleistungen. Deshalb wollte ich meine Kinder miteinbeziehen, um zusätzliche Kontrolle und Sicherheit zu haben. Nur einmal, als mein Ältester noch ein Baby war, vermasselte ich es vollständig und fuhr mit ihm, obwohl er nicht komplett angeschnallt war. Diese Erinnerung verursacht mir heute noch Alpträume. (Wenn jemand mit mir über Babys und Schlafentzug reden will, ich bin immer dafür zu haben. Mein erster Sohn weinte jede Nacht von 22 Uhr bis 2 Uhr morgens, und das monatelang. Sagen wir einfach, mein Mann und ich waren während dieser Zeit nicht in Bestform.). Bei allen anderen AnschnallZwischenfällen bemerkte jemand (einer meiner Söhne oder ich) das Problem, während wir noch in unserer Einfahrt oder am Parkplatz waren – weshalb ich das Gefühl habe, dass unser System ziemlich gut funktioniert.
Wenn Sie über Verstärkung im Allgemeinen nachgedacht haben, fragen Sie sich nun vielleicht, ob eine derart starke positive Verstärkung die Frequenz des Sich-Nicht-Anschnallens vor der Fahrt erhöht hat. Die Antwort lautet „Nein“, aber es ist ein berechtigter Einwand. Mir selbst bereitete das von Anfang an Sorgen, aber als die Kinder noch sehr klein waren, war es meine Verantwortung, sie anzuschnallen, weshalb es nicht anders möglich war. Als sie dann alt genug waren, um sich selbst anzuschnallen, hatten sie sich bereits zu sehr daran gewöhnt, bei Autofahrten angeschnallt zu sein und hatten große Angst davor, nicht richtig gesichert zu sein. Obwohl die Möglichkeit also durchaus bestanden hätte, glaube ich nicht, dass es eintrat, weil meine Kinder sich angeschnallt immer am wohlsten fühlten. Sie wollen angeschnallt sein und haben Angst davor, keine Sicherheitsgurte zu tragen. Folglich verstärkten meine Jackpots das Verhalten des Mich-wissen-lassens,-wenn-sie-nicht-angeschnallt-waren und nicht das Verhalten des Nicht-angeschnalltseins während der Fahrt. Ein Hinauszögern des Anschnallens war für meine Kinder überhaupt nicht verlockend, weshalb sie es auch nicht taten. Wenn andere Eltern diese Strategie ausprobieren möchten, sollten sie sich dieser Möglichkeit aber definitiv bewusst sein, da sie nicht immer auszuschließen ist.