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Anthropofugale

Dichter oder Denker, die zwar ein Ende der Menschheit ins Auge fassen oder für erstrebenswert halten, aber auf anderem Wege als dem des Verebbens.

Gewinn der anthropofugalen Perspektive

Eine Voraussetzung für den Gewinn der anthropofugalen Perspektive ist die Abstandnahme von den menschheitsverankernden Denkschemata der Theologie und Metaphysik. Der französische Soziologe Auguste Comte entwickelte diesbezüglich ein Dreistufenschema bestehend aus 1. Theologischer, 2. metaphysischer Philosophie und 3. positiver Wissenschaft. Nachdem die Menschheit in seiner Diagnose die dritte Stufe geistiger Entwicklung erreicht hat, werfe sie auch die bislang gepflegten chimärischen Hoffnungen, die übertriebenen Ideen zur Bedeutung des Menschen im Universum über Bord. (Comte, La science sociale, S. 131) Comte sollte sich täuschen: Theologie und Metaphysik traten mit stets erneuten Versuchen an, ein Seinsollen von Menschen zu konzipieren.

Hartmann, E. v. (1842–1906)

Anders als Schopenhauer, erblickt v. Hartmann im angestrebten Verebben der Menschheit einen gefährlichen Irrweg, da es das Unbewusste unangetastet ließe, welches fortbestünde und auf dem Wege der Evolution abermals einen menschlichen Typus hervorbringen würde:

„Was hälfe es z.B., wenn die ganze Menschheit durch geschlechtliche Enthaltsamkeit allmählich ausstürbe, die Welt als solche bestände ja doch weiter und befände sich in keiner wesentlich andern Lage als unmittelbar vor der Entstehung des ersten Menschen auf Erden; ja sogar das Unbewusste würde die nächste Gelegenheit benutzen müssen, einen neuen Menschen oder einen ähnlichen Typus zu schaffen, und der ganze Jammer ginge von vorne an.“{14} (Hartmann, Phil. D. Unbew. Bd. 2, S. 399)

Hartmann ist folglich kein Antinatalist. Ihm schwebt mehr vor als ein bloßes Aussterben der Menschheit, nämlich eine Aufhebung des gesamten Weltgebäudes mittels Verneinung des Willens. Entscheide die Mehrheit aller Vernunftwesen – auf der Erde allein oder unter kommunikativer Einbeziehung extraterrestrischer Intelligenz (!) sich dereinst zu einer Aufhebung des Weltganzen, so werde dies eintreten:

„Die erste Bedingung zum Gelingen des Werkes ist die, dass der bei weitem grösste Theil des in der bestehenden Welt sich manifestirenden unbewussten Geistes in der Menschheit befindlich sei; denn nur dann, wenn die negative Seite des Wollens in der Menschheit die Summe alles übrigen in der organischen und unorganischen Welt sich objectivirenden Willens überwiegt, nur dann kann die menschheitliche Willensverneinung das gesammte actuelle Wollen der Welt ohne Rest vernichten, und den gesammten Kosmos durch Zurückziehung des Wollens, in welchem er allein besteht, mit einem Schlage verschwinden lassen.“ (A.a.O., S. 405)

Insofern Hartmann per „Universalwillensverneinung“ eine Aufhebung des Weltganzen vorschwebt, ist er weder bloßer Antinatalist noch bloß anthropofugal, sondern, das Nichts herbeiwünschend: onto-ethischer Nihilist.

Horstmann, Ulrich (*1949)

E. v. Hartmann argumentiert nicht allein gegen das Verebben der Menschheit, sondern antizipiert bereits eine anthropofugale Strategie wie diejenige Ulrich Horstmanns. Dieser begrüßt in seinem „Untier“ das Vorliegen von ABC-Waffen, weil es das Ende der Menschheit endlich – wie auch der gesamten Biosphäre – praktikabel mache, wovon Denker wie v. Hartmann nur geschwärmt hätten. Gegen den Einsatz neuartiger Massenvernichtungsmittel wusste Hartmann seinerzeit aus willensmetaphysischer Perspektive bereits vorzubringen:

„Was für das Aussterben des Menschengeschlechts durch geschlechtliche Enthaltsamkeit gilt, würde doch wohl erst recht für einen Kollektivselbstmord der Menschheit (etwa durch Dynamit oder noch aufzufindende Gewaltmittel) gelten. Der Prozess ginge in beiden Fällen nicht nur ruhig weiter, sondern wäre einfach auf das Stadium vor Entstehung der Menschheit auf Erden zurückgeschraubt.“ (Philosophie des Unbewussten, zweiter Teil, S. 561)

Ob eine auf Horstmannsche Manier von jeglichem Leid „befreite“ Erde in der bis zum Aufblähen der Sonne verbleibenden Zeit abermals empfindende oder intelligente Wesen hervorbringen könnte, mag dahingestellt bleiben. Erstaunlich ist, dass Horstmanns Anthropofugalität gegenüber der antinatalistischen Perspektive eines Verebbens der Menschheit verschlossen bleibt, wenngleich er sie streift, wo er konstatiert, wir seien „dem Fluch ewiger Fortzeugung entwachsen“ (Horstmann, Untier, S. 101)

Antinatalismus

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