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Anaxagoras’ Anthropodizee

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Anaxagoras war ein Zeitgenosse des Sophokles im Athen des 5. vorchristlichen Jahrhunderts. Während Sophokles in seinem Ödipus von Kolonos den Ausruf tätigen ließ, dass Beste sei es, nicht geboren zu sein, warf Anaxagoras (so Aristoteles in seiner Eudemischen Ethik) die Frage auf, aus welchem Grunde wohl ein Mensch sich entscheiden könnte, lieber geboren als nicht geboren zu sein. Anaxagoras’ Antwort lautet: „um das Himmelsgebäude zu betrachten und die Ordnung im Weltall.“ (Zit. nach Blumenberg, Die Genesis der kopernikanischen Welt, Bd. 1, S. 16f).

In der Darstellung Blumenbergs sind die Frage und die Antwort Anaxagoras’ überaus bemerkenswert, „weil er die nackte Frage herauspräpariert, was das Faktum des Lebens – als solches einmal hingenommen und ohne die gedankliche Konstruktion einer möglichen Wahl zuvor – rechtfertigen könnte.“ (A.a.O., S. 17) In dem Maße, in dem diese Deutung zutrifft, dürfen wir in Anaxagoras einen vorsokratischen Entdecker und Bearbeiter des Problems der Anthropodizee erblicken, von dem Blumenberg sagt, es gehöre in den „philosophischen Untergrund“: „Wie auch immer es mit der Antwort des Anaxagoras bestellt sein mag, die Frage, der er sich stellt, gehört in den philosophischen Untergrund und tritt spätestens zutage, wenn Kant aus der Unmöglichkeit, die Zustimmung der ins Leben Tretenden zuvor einzuholen, die Folgerung der ihnen rechtlich durch ihre Erzeuger geschuldeten Kompensation zieht, sie nachträglich mit der ungewollten Existenz zu versöhnen und ihnen dadurch die eigene Zustimmung zu diesem Faktum zu ermöglichen.“ (Ebd.)

Während Kants Rechtfertigung der ungefragten Hervorbringung neuer Menschen darin besteht, dass Eltern diesen bis zum Eintritt der Volljährigkeit das Leben pädagogisch und materiell so zu gestalten haben, dass die Kinder das Dasein selbstbestimmt gewählt haben würden – hätten sie denn die Wahl gehabt – ist die Anthropodizee des Anaxagoras auf die theoretisierende Anschauung des Kosmos beschränkt, bei der der Mensch im Grunde jedoch ein distanziert schauender Fremder bleibt, da er weder in einen Schöpfungsplan eingebunden ist, noch sonstwie teleologisch ausgezeichnet oder Endzweck:

„Ganz anders jene Antwort des Anaxagoras auf die Frage, welches Ziel es wohl für den Menschen rechtfertigen könnte, sich dafür zu entscheiden, lieber geboren als nicht geboren zu sein. Sie sieht den Menschen weder im Zusammenhang eines Kosmos, der als solcher gerechtfertigt wäre, noch als den Vollstrecker einer Bestimmung die ihm – von wem auch? – mitgegeben wäre. Sie sieht den Kosmos als ein Angebot, durch die Wahl der theoretischen Handlung das Leben zu rechtfertigen und für sich anzunehmen. Der Kosmos ist der Glücksfall für den Menschen, obwohl er nicht für den Menschen ist.“ (A.a.O. S. 18)

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