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Ach, wäre ich doch schon geschaffen/geboren

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Ein Spiegelbild der Klage „O wär’ ich nicht geboren!“ ist der Ausruf „Ach wär’ ich doch schon geschaffen!“. Soll dieser Ausruf rational sein, so wird vorausgesetzt, dass man seiner eigenen „Erschaffung“ – etwa als unverkörperte Seele – beiwohnen kann. Mithin läuft er dann bloß auf einen Verkörperungswunsch hinaus: „Ach, wäre meine Seele doch schon verkörpert!“ Damit liegt die Erschaffung des Ichkerns, der Seele, aber bereits zurück. Ihrer eigenen Erschaffung könnte keine Seele beiwohnen. Der Wunsch, bereits geschaffen worden zu sein, ist um Größenordnungen irrationaler als die Klage „O wär’ ich nie gezeugt worden!“ Denn hier gibt es ein Ich, das sich in einem Rücklauf vor die Zeugung als nichtseinwollendes aus der Welt herausreflektiert. Demgegenüber müsste der Ausrufer von „Ach wär’ ich schon geschaffen!“ die eigene Nichtexistenz hintergehen. Von daher fällt es Hegel nachstehend nicht schwer, das gegen ihn vorgebrachte „Argument“ eines Rezensenten abzuwehren, der Mensch sei nicht Herr seines Geborenwerdensollens:

„Nun kommt ein Meisterstück von Widerlegung: »Der Mensch ist nicht Herr darüber, daß er geboren werden soll.« (Gewiß nicht! Aber wenn der Verfasser für nötig findet, diese Gegenrede zu machen, so bringt er den Schein herbei, als ob gesagt worden wäre, daß der Mensch Herr darüber sei, daß er geboren werden solle. Daß es dem Verfasser um diesen Schein ganz wesentlich zu tun sei, dafür zeugt vollends das, was der Verfasser am Schluß seiner Deduktion versichert, daß dieser Satz (von der Möglichkeit, daß der Mensch sich verstümmle, ja töte), »nur aufgestellt ist, um die absolute Kausalität des einzelnen Subjekts zu behaupten«. Referent hat wohl in einer alten Jesuiter- Komödie, »Die Erschaffung der Welt« betitelt, die Vorstellung gesehen, daß Adam vor seiner Erschaffung auftritt und in einer Arie den Wunsch ausspricht, ach wenn er doch schon geschaffen wäre! Aber auch dort ist nicht so weit gegangen, daß Adam als Herr darüber aufgeführt wäre, »ob er geboren werden solle«.“ (Hegel, Rezensionen aus den Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik, Werke Bd. 11, S. 401f)

Bei Léon Bloy (1846-1917) finden wir in allegorischer Rede die Überzeugung, ausnahmlos alle Kinder verlangten nach dem Geborenwerden, woraus sich – mit Schopenhauer – der ganze Wahnwitz der Liebe erklären lasse: „Ich bin gar nich einmal so weit davon entfernt, mit dem ekelhaften Schopenhauer zu glauben, dass ausnahmslos alle Kinder den Wunsch haben, geboren zu werden, und dass sich auf diese Weise die widersinnigen Wege der Liebe erklären lassen.“{4}

Hegel

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