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Gute Unterlassungen

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Autoren eines Handbuches zum Antinatalismus ziehen unweigerlich die Frage auf sich, warum sie für die Nachkommenlosigkeit argumentieren und werben, statt sich einem – wie man vielleicht meint – lohnenderen Unterfangen zu widmen, bei dem existierenden Menschen geholfen wird. Warum argumentative Energie dafür aufbringen, dass weitere Menschen nicht zu existieren beginnen – „denen“ aber durch „ihren“ Nichtexistenzbeginn offenkundig nicht geholfen wird –, wo doch Abermillionen Menschen existieren, denen man helfen könnte? Unsere Antwort auf diese berechtigte kritische Nachfrage lautet, dass nicht nur Taten moralisch verdienstvoll sein können, sondern auch Unterlassungen. Ein – vereinfachtes – Beispiel: Wer es unterlässt, die Umwelt zu verschmutzen, indem er einen Langstreckenflug annulliert, sorgt dafür, dass die Lebensbedingungen anderer Menschen besser sind als im Falle der nichtunterlassenen Umweltverschmutzung.

Einem leidenden Menschen beizustehen, ist eine gut Tat. Moralisch verdienstvoll ist es aber auch Kinderwünsche zu überdenken und sich nicht fortzupflanzen, weil dadurch (mindestens) ein beistandsbedürftiger Mensch weniger existiert, der seelische und körperliche Schmerzen durchstehen muss und der nicht umhin kommt, Krankheit und Tod naher Verwandter mitzuerleben und schließlich selbst sterben muss. Auch wenn sich „niemand“ benennen lässt, für den es besser sein könnte, nicht zu existieren zu beginnen, ist es anerkanntermaßen schlecht, so zu handeln, dass „jemand“ sterben muss. Genau dies aber tut, wer so handelt, dass jemand infolge dieser Handlung zu existieren beginnt. Wer einen Menschen zeugt, handelt so, dass ein Mensch sterben muss, was außer in Fällen von Notwehr einhellig verurteilt wird. Kurz: Wenn wir sagen „Es ist besser, x zu tun oder y zu unterlassen“, kann die entsprechende Tat oder Unterlassung auch dann moralisch sein, wenn sich keine Person benennen lässt, für die „es“ besser ist. – Wir vergleichen dann Weltzustände und ziehen einen Weltzustand O ohne leidende (und frohe) Wesen einem Weltzustand M mit leidenden (und frohen) Wesen vor, auch wenn in Weltzustand niemand davon profitieren kann, dass es niemanden gibt. Aber es kann auch niemand darunter leiden, wenn es niemanden gibt. Während in Weltzustand M jemand da sein wird, der leidet.

Antinatalismus

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