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Adorno, Theodor (1903–1969)

Als Theoretiker von Verblendungszusammenhängen und der gescheiterten Zivilisation denkt Adorno öfters im Vorhof des Antinatalismus, ohne je zu ihm vorzustoßen.

Adornos Antinatalismusblindheit und Komplizenschaft mit dem Unheil

Kaum ein gesellschaftskritischer Denker, dessen Diagnose so nah am Antinatalismus liegt, wie diejenige Adornos. Und doch wischt er – bereitwilliges Opfer des von ihm angeprangerten Verblendungszusammenhang und in seinen Worten – den Antinatalismus gleichsam mit dem freudigen Schwanzwedeln eines Hundes von der philosophischen Tagesordnung, womit er sich zum Komplizen des von ihm vorausgesagten künftigen Unheils macht:

„Fragen ließe sich, von solchen, denen Verzweiflung kein Terminus ist, ob es besser wäre, daß gar nichts sei als etwas. Noch das weigert sich der generellen Antwort. Für einen Menschen im Konzentrationslager wäre, wenn ein rechtzeitig Entkommener irgend darüber urteilen darf, besser, er wäre nicht geboren. Trotzdem verflüchtigte sich vorm Aufleuchten eines Auges, ja vorm schwachen Schwanzklopfen eines Hundes, dem man einen guten Bissen gegeben hat, den er sogleich vergißt, das Ideal des Nichts.“ (Negative Dialektik, S. 373)

Vielleicht kann man sich Adornos Antinatalismusblindheit damit erklären, dass er eine Vorstellung ablehnt, derzufolge mit der Negation des Negativen bereits das Positive gesetzt sei (vgl. Adorno, Metaphysik, S. 225) Demnach würde er es ablehnen, in einer Verunmöglichung von Auschwitz auf dem Wege des Verschwindens aller Menschen etwas Positives zu sehen. – Was bedeuten könnte, dass er – gegen seine sonstige Lehre – insgeheim doch an einer Positivierung des Daseins für die Menschen festhalten möchte.

Minima Antinatalia

In „Kulturkritik und Gesellschaft“ setzt Adorno die Hervorbringung von Menschen nach Auschwitz offenbar als eine nichthintergehbare Selbstverständlichkeit voraus, stellt jedoch die Hervorbringung von Gedichten in Frage: „nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch...“ (Gesellschaftstheorie und Kulturkritik, S. 65) Diese Äußerung revidiert er in seiner Negativen Dialektik, wo er zwar das Leben der Entkommenen in Frage stellt, weiterhin aber nicht aber die Hervorbringung neuer Menschen: „Das perennierende Leiden hat soviel Recht auf Ausdruck wie der Gemarterte zu brüllen; darum mag falsch gewesen sein, nach Auschwitz ließe kein Gedicht mehr sich schreiben. Nicht falsch aber ist die minder kulturelle Frage, ob nach Auschwitz noch sich leben lasse, ob vollends es dürfe, wer zufällig entrann und rechtens hätte umgebracht werden müssen.“ (Negative Dialektik, S. 355) Allem Eingedenken von Auschwitz zum Trotz verbleibt Adorno im Vorhof des Antinatalismus.

Neben der Flucht in die von der Warenwelt losgekoppelte Logizität des Ästhetischen kennt Adorno die Exzentrik als eine Weise des Überdauerns im falschen Gesamten. Während für Plessner der Mensch also solcher Exzentriker ist, ist für Adorno der Exzentriker unter soziologischen Vorzeichen ein Widerständler:

„Was wäre Glück, das sich nicht mäße an der unmessbaren Trauer dessen was ist? Denn verstört ist der Weltlauf. Wer ihm vorsichtig sich anpasst, macht eben damit sich zum Teilhaber des Wahnsinns, während erst der Exzentrische standhielte und dem Aberwitz Einhalt geböte.“ (Minima Moralia, Aph. 128, S. 266) Demnach müssten Eltern sich zumindest in der Hoffnung ergehen, dass aus ihrem Kind einst ein Exzentriker wird. – Bedachte Adorno die immensen Leidensunkosten exzentrischer Lebensführung? Antinatalismusblindheit ist das eigentliche Manko der gesamten Kritischen Theorie, nachdem sie ihren revolutionären Impetus abgeworfen hatte.

Antinatalismus

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