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Altenberg, Peter (1859–1919)
ОглавлениеDer Wiener Exzentiker wartet mit Texten auf, die ihn weit über das Genre der Kaffehausliteratur hinausheben und den Vorgarten des Antinatalismus betreten lassen:
„Also Ihr, Menschelein, seid zufällig da, hineingeboren in eine der kompliziertesten merkwürdigsten Welten, die es je gegeben hat, und Ihr nützet es nicht einmal richtig aus, vorhanden zu sein,
für hoffentlich nicht viel länger als 80 Jahre,
sondern Ihr begehet ganz unnötige Dummheiten, von Jahr zu Jahr ärgere!?!
Wehe, nein, Gott sei Dank! Sie vernichten vorzeitig rechtzeitig sich selbst!“ (Altenberg, Peter: Mein Lebensabend, S. 134f)
Der sonst kein Blatt vor den Mund nehmende Altenberg übt sich in Akkusationszurückhaltung. Wir werden dargestellt als zufällig hineingeboren in die Welt, als wären wir Produkte einer chemischen Reaktion. Kein Wort über vorgängige generative Entscheidungen oder die Zeugung, die allem Hineingeborenwerden vorangeht.
In seinen „Märchen des Lebens“ verquickt Peter Altenberg auf unnachahmliche Weise die Verurteilung der Frauen zum Gattungsdienst und den Gebärterror, mit Nächstentoderfahrungen, der Daseinsverurteilung jedes Gebürtigen und der Thanatalität:
„Meine Mama ist tot. Nichts von ihr ist übrig, sie ist aus der Welt verschwunden. (...) Vor einigen Tagen stand ich nachts 2 Uhr vor dem Hause Franzensbrückenstraße 3. Ich sah zu den dunklen Fenstern hinauf im 2. Stockwerk. Hier also, um diese stille Stunde, war meine schöne Mama in unendlichen Leiden gelegen, hatte mich zur Welt gebracht. Ich hörte gleichsam mein erstes Winseln, sah Mama zu Tode erschöpft von ihrer Lebenspflicht.
Also ich war da; das Verhängnis meines Daseins war nicht mehr rückgängig zu machen, ich war verurteilt für die endlosen Verirrungen; ich schrie [Schreien], aber die Hebamme sagte wahrscheinlich: »O, eine gesunde Lunge!«
Nun stehe ich da, vor diesen Fenstern, in derselben Nachtstunde, höre gleichsam Mamas Seufzer wieder. Ich bin glatzköpfig und ziemlich verkommen und 48 Jahre alt und habe es zu nichts gebracht trotz herrlicher Anlagen.“ (Altenberg, Peter: Was der Tag mir zuträgt, S. 172f)
Gefangene des Lebens, Kinderwunsch, Kindes-Verfluchung, Krankheit, Neugeboren, Wozu ist man geboren?