Читать книгу Antinatalismus - Karim Akerma - Страница 99

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Aufklärung, nativistische

Gemäß einem bekannten Diktum Kants bedeutet Aufklärung: der Ausgang des Menschen aus selbstverschuldeter Unmündigkeit. Nun kommen alle Menschen Geheiß ihrer Eltern – und nicht etwa selbstverursacht – zur Welt. Folglich müssen wir das von Kant diagnostizierte Selbstverschuldetsein der Unmündigkeit relativieren. Unmündigkeit ist anteilig immer auch elternverschuldet. Indirekt registriert Kant eine anteilige Elternschuld an aller Unmündigkeit in seiner Metaphysik der Sitten, wo er Eltern in die Pflicht nimmt, ihre Kinder bis zur Daseinsautonomie zu erziehen. Mit Bezug auf Kant stellt sich hier die grobschlächtige scheinende Frage: Wenn Unmündigkeit verwerflich ist weil sie dem Wesen menschlicher Autonomie und Freiheit widerstreitet, warum plädierte Kant dann nicht entschieden dafür, die Hervorbringung mehr oder minder unmündiger Wesen einzustellen. Die Antwort lautet dahingehend, dass Kant – ganz im optimistischen Sinne der Aufklärung – zwar nicht an eine Vervollkommnung, aber doch an eine teilweise Verbesserung der Gattung glaubte.

Nativistische Aufklärung ist der Hinweis darauf, dass die selbstverschuldete Unmündigkeit, von der Kant spricht, in letzter Instanz fremdverschuldet ist, nämlich elternverschuldet (Elternschuld). Ziel nativistischer Aufklärung ist die antinatalistische Aufhebung aller elternverschuldeten Unmündigkeit etwa mittels Bekanntmachung aller potentiellen Eltern mit einer Zeugungsfolgenabschätzung.

Trotz einer großen Anzahl antinatalistischer Äußerungen und Einsichten der Vergangenheit – dazu dieses Handbuch – leben wir nach wie vor in antinatalistisch unaufgeklärten Zeiten. Dabei gilt folgende Relation: Die Elternschuld eines Paares korrespondiert dem Maß, in dem sie mit nativistischer Aufklärung bekannt geworden ist. Kant paraphrasierend formulieren wir: Aufklärung korrespondiert immer auch dem Austritt des Menschen aus elternverschuldeter Unmündigkeit und damit aus dem Naturerbe des Fortpflanzungszusammenhangs.

Einleitung Aufklärung und Schuld

Antinatalismus als Konsequenz der Religionsaufklärung?

Indem Albert Caraco die Behauptung aussprach, ohne Hoffnung und Glauben würden die Menschen ihre Fortpflanzung sofort einstellen (Optimismus), versuchte er einen Zusammenhang zwischen Religion und Antinatalismus zu etablieren: „Ich bin nicht der einzige, der das behauptet, was ich hier vorbringe, aber wenn es welche gibt, die wie ich denken, würden sie es wagen, dies zu schreiben oder besser: es von der Höhe einer Kanzel herab zu verkünden? Und welche Regierung würde eine Lehre dieser Art dulden? Und welche Religion solche Predigten? Sie fordern uns nachdrücklich auf, zu hoffen und zu glauben, wir sollen irgend etwas hoffen, wir sollen glauben, was wir auch wollen…“ (Caraco, Brevier, S. 112)

Wenn der Glaube und die durch ihn vermittelte Hoffnung pronatalistische Einstellungen stabilisieren, dann steht zu erwarten, dass die Fortpflanzungsraten mit schwindender Religiosität zurückgehen. Mit dem Vorantreiben der Religionsaufklärung würde man folglich dem Antinatalismus Vorschub leisten.{20}

Antinatalismus

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