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Im Sommer

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Das Jahr 1971 zeichnete sich durch einen Sommer aus, der als „der heiße Sommer“ in die Geschichte Schonens einging.

Die Sonne brannte auf die fruchtbare Erde und auf die Menschen, die guten und die schlechten.

Wer konnte, flüchtete aus der Steinwüste der Stadt, als die Hitzewelle ihren Höhepunkt erreichte. Es war tatsächlich so, daß man den Turm der Domkirche im Wärmedunst zittern zu sehen glaubte.

Die Abende waren lang, hell und schön.

Die Anlagen waren dichtbelaubt und spendeten wohltuenden Schatten.

Viele verliebten sich in diesem Sommer, und an einem heißen Augustabend liebte ein junger Mann sein Mädchen im Stehen am Tor des Ostfriedhofs.

Eine ältere Dame, die ihren Hund ausführte, wurde bei diesem Anblick vom Schlag getroffen.

Inger Elwing wurde in diesem Sommer, genauer gesagt, am 3. August, fünfzehn Jahre alt.

Am 22. Juli verbrachte sie den Abend bei ihrer Freundin Kerstin Johansson.

Die beiden Mädchen ließen Schallplatten laufen und rauchten am offenen Fenster.

Kerstins Eltern waren an diesem Abend ausgegangen. Kerstin hatte ein Flasche Rotwein aus dem Keller geholt, und sie hoffte, daß ihr Vater das Fehlen der Flasche nicht merken würde. Die Mädchen tranken ausgiebig.

Um Viertel vor neun verließ Inger das Mietshaus in der Brunnenstraße, wo Kerstin wohnte. Sie ging zu Fuß zum Botulfplatz. Von dort wollte sie mit dem Bus nach Nordfäladen heimfahren. Nordfäladen ist ein Viertel mit Mietskasernen im Norden der Stadt.

Der Botulfplatz ist die Endhaltestelle des Autobusses. Dort liegt auch die große Markthalle, die in den Jahren 1907/08 von der Stadt erbaut worden ist. Sie besteht aus roten Ziegelsteinen und sieht viel älter aus, als sie in Wirklichkeit ist.

Inger fühlte sich etwas unsicher auf den Beinen und kicherte immerzu vor sich hin. Der Wein tat seine Wirkung.

Im Sommer verkehren die städtischen Autobusse in Lund nur spärlich.

Inger sah den Bus, den sie hatte nehmen wollen, gerade abfahren, als sie den Botulfplatz erreichte.

Der nächste ging erst in vierzig Minuten.

„Scheiße“, sagte sie laut, als sie das feststellte.

Da sie keine Lust hatte, so lange zu warten, beschloß sie, ein Stück zu Fuß zu gehen. Den Rest des Weges wollte sie dann fahren.

Vom Wein benebelt, ging sie aufs Geratewohl los.

Sie hätte die nördliche Richtung einschlagen müssen, zum Marktplatz, an der Domkirche vorbei, über die Breitestraße und am Krankenhaus vorbei.

Aber aus irgendeinem unersichtlichen Grund schwenkte sie bei Gleerups Buchhandlung ab und nahm Kurs gen Westen, zum Grand Hotel und zum Bahnhofsplatz.

Erst beim Bahnhofsplatz merkte sie, daß sie die verkehrte Richtung eingeschlagen hatte.

Ihre Schwipsstimmung war von Müdigkeit abgelöst worden, von schlechtem Befinden und Schwindelgefühl. Sie ging im Schneckentempo und hatte die größte Lust, sich in die Gosse zu legen und zu schlafen.

Krampfhaft bemühte sie sich, die Richtung auszumachen, obwohl die Umgebung doppelte Konturen zu haben schien. Sie ging am Bahnhof vorbei zum Clemensplatz.

Als sie beim Clemensplatz anlangte, überwältigte die Müdigkeit sie so sehr, daß sie mitten auf dem Platz beim Brunnen auf eine Bank sank. Ihr war sehr übel.

Plötzlich erbrach sie sich, sie konnte gerade noch den Kopf abwenden, so daß ihr Kleid nichts abbekam.

Sie wußte nicht, was sie tun oder wohin sie gehen sollte. In diesem Augenblick gewahrte er sie.

Er hieß Rolf Jönsson und war siebenundvierzig Jahre alt.

Er ging auf sie zu.

„Ist dir nicht gut?“

Inger rülpste als Antwort.

Er erbot sich, sie zu sich nach Hause mitzunehmen, damit sie durch eine Tasse Kaffee wieder nüchtern wurde.

Sie kam willenlos mit.

Rolf Jönsson hatte ganz in der Nähe, in der Spolestraße, eine Zweizimmerwohnung mit Küche.

Er ließ sie auf einem Sofa Platz nehmen; dann begab er sich in die Küche, um den Kaffee zu kochen.

Sie saßen nebeneinander auf dem Sofa und tranken Kaffee. Sie sahen sich den Fernsehfilm an. Aber nach einer Weile wurde Inger so müde, daß sie einnickte.

Auch Jönsson war nicht ganz nüchtern; doch er war es gewohnt, Alkohol zu sich zu nehmen.

Inger hatte zum erstenmal in ihrem Leben Wein getrunken. Er stieß sie an. „Du, Inger, streck dich auf dem Sofa aus. Ich hole dir etwas zum Zudecken.“

„Mmmmm“, murmelte sie und streckte sich aus.

Er holte zwei Wolldecken, die er über sie ausbreitete. Er betrachtete sie und seufzte.

Er ging in die Küche und trank ein großes Glas Wodka, rauchte eine Zigarette und setzte sich mit dem zweiten Glas an den Küchtentisch.

Er hatte einen geistesabwesenden Ausdruck, während er auf die Wand starrte. Er sah aus wie ein Mensch, der entweder ganz konzentriert über etwas nachdenkt oder überhaupt keinen Gedanken im Kopf hat.

Eine Viertelstunde später ging er in sein Schlafzimmer.

Inger lag auf dem Rücken und schnarchte; sie schlief tief.

Um halb zwölf drang ein schwerer Seufzer aus Rolf Jönssons Schlafzimmer. Wenige Minuten später stand er vor dem Sofa und betrachtete das schlafende Mädchen.

Sie hatte blondes Haar, klare Züge und noch kindlich runde Wangen.

Jönsson trug nur seine Pyjamahose; sein erigierter Penis ragte durch den Schlitz.

Er schob Inger ein wenig auf die Seite und legte sich neben sie.

Er knöpfte ihre Jeans auf und zog sacht den Reißverschluß herunter, ganz langsam. Er streifte ihr die Jeans ab, das schwarze Höschen kam mit.

Er betrachtete ihre Schamhaare, legte die Hand darauf und streichelte sie mit der Handfläche. Mit dem Finger befühlte er die Scheide; sie war feucht.

Dann drehte er Inger auf die Seite, bog ihre Beine auseinander und steckte den Finger hinein.

Sie erwachte, starr von Schrecken und Entsetzen.

Sie brachte keinen Ton über die Lippen.

Mit aufgerissenen Augen starrte sie zur Decke empor. Die Decke war verputzt, aber der Putz hatte Risse wie alte, verrunzelte Haut.

Er drehte Inger auf den Rücken, legte sich auf sie und drang in sie ein.

Nachdem Jönsson sich befriedigt hatte, fiel er in Schlaf.

Inger wagte sich nicht zu rühren.

Aber nach einer Weile begann sie lautlos zu weinen. Sie fühlte einen stechenden Schmerz zwischen den Beinen und klebrige Feuchtigkeit.

Sie wußte nicht, wie spät es war, als sie einschlief.

Am Morgen wurde sie von Rolf Jönsson geweckt. Er gab ihr sechzehn Kronen. Dann verließ er das Haus, um zur Arbeit zu gehen.

Als er fort war, stand Inger auf. Sie rief ihre Eltern an und bat, sie abzuholen.

Der Mutter gelang es, herauszufinden, wo sich Inger befand. Sie kam mit dem Fahrrad und sorgte dafür, daß Inger mit dem richtigen Autobus heimfuhr. Sie selbst radelte zum Polizeirevier und meldete den Vorfall.

Erik Orre, gewöhnlicher Kriminalassistent, wurde mit den Ermittlungen betraut. Er war zweiundvierzig Jahre alt und sollte am nächsten Tag seinen Urlaub antreten. Mit seiner Familie wollte er nach Dänemark reisen. Er freute sich auf die Ferien.

„Haben Sie sich nicht Sorgen gemacht, Sie und Ihr Mann, als Ihre Tochter gestern abend nicht nach Hause kam?“ fragte er die Mutter.

„Sorgen, Sorgen ... Natürlich wundert man sich. Aber wir glaubten beide, sie hätte beschlossen, bei ihrer Freundin zu übernachten. Das war schon früher hin und wieder eimal vorgekommen.“

„Haben Sie nicht bei ihrer Freundin angerufen ... wie heißt sie doch noch? Richtig, ja, Kerstin.“

„Nein.“

„Sie hätten doch anrufen und sich überzeugen können, daß sie dort über Nacht bleiben wollte?“

„Ja, gewiß. Aber wer hätte es sich träumen lassen, daß so etwas geschehen würde?“

Ein Polizeibeamter holte Inger zum Verhör.

Inger mußte berichten, woran sie sich noch erinnerte.

Erik Orre: Er gab dir also Geld.

Inger Elwing: Ja.

Erik: Sei so gut und erzähl, wie er zuerst lag. Wie lag er?

Inger: Neben mir.

– Und was tat er, als er neben dir lag? Stocherte er an dir herum?

– Mmmm ...

– Womit? Wie nennst du das? Weißt du, wie das heißt, womit er stocherte? Oder tat er es mit dem Finger?

– Mmmm ...

– Was hast du gesagt?

– Nichts.

– Hat er vielleicht mit einem Gerät an dir herumgestochert?

– Mmmm ...

– Wie? Was war es also?

– Mit dem Finger, glaube ich.

– Zuerst also mit dem Finger? Stimmt’s?

– Mmmm ...

– Und dann kam das andere, was?

– Mmmm ...

– Als du auf dem Rücken lagst, nicht wahr?

– Mmmm ...

– Wie nennst du das, was er dann anwendete? Denn es war doch nicht nur der Finger? Er kam doch noch mit etwas anderem.

– Nein.

– Was? Nun verstehe ich nichts mehr. Vorhin sagtest du, er hätte dich geekelt. Da hat er doch wohl noch etwas anderes gemacht.

(Schweigen.)

– Kannst du es nicht sagen?

(Kopfschütteln.)

– Du kannst es nicht sagen. Na ja. Kannst du wenigstens andeuten, was er in dich hineinsteckte?

(Kopfschütteln.)

Auch das nicht. Na ja. Du sagst, er machte es mit dem Finger. Aber machte er es nicht auch mit dem Geschlechtsteil, wie man es nennt? Du weißt, mit dem Penis, mit dem Männer auch Wasser lassen?

– Mmmm ...

– Das tat er also. Ist es das, was du nicht sagen kannst?

(Kopfnicken.)

– Führte er ihn richtig ein? (Erik Orre wurde ganz eifrig.)

– Nein.

– Was machte er denn damit?

– Ich weiß nicht ...

– Du hattest doch wohl keine Hose an.

– Doch.

– Was sagst du? Du hattest die Hose an? Sei bitte so gut und sag mir genau, wie es war. Ich muß es wissen. Hattest du die Hose an?

(Kopfschütteln.)

– Na also. Und da drang er in dich ein?

– Mmmm ...

– Siehst du wohl. Wie war das für dich? Wie fandest du es?

Am selben Tag nachmittags wurde Inger vom Arzt untersucht.

Der Befund lautete: „Bei der chemischen Untersuchung des Scheideninhalts wurde das Vorkommen von Samenzellen festgestellt, deren Alter mit der angegebenen Zeit des Vorfalls übereinstimmt.“

Im Oktober fand die Gegenüberstellung statt.

Inger erkannte Jönsson.

Tags darauf schrieben die Zeitungen zum erstenmal von dem Vorkommnis.

In den nächsten zwei Tagen erstatteten mehrere Elternpaare bei der Polizei Anzeige. Auch ihre Töchter waren von Rolf Jönsson genotzüchtigt worden.

Im ganzen handelte es sich um elf Mädchen zwischen sieben und fünfzehn Jahren.

Anfang November wurde Inger nochmals vorgeladen. Diesmal mußte sie Auskunft über Rolf Jönssons Wohnung geben.

Im Dezember kam der Fall vors Untersuchungsgericht. Inger mochte nicht dabei sein, weil es ihr widerstrebte, über den Vorfall Bericht zu erstatten. Auch ihre Eltern fanden es verkehrt, sie dem Schauspiel auszusetzen. Der Richter entschied, daß sie nur an der Hauptverhandlung teilnehmen müsse. Aber nie wurde ein Psychologe zu Rate gezogen, obwohl Inger infolge eines Verkehrsunfalls, den sie mit sieben Jahren erlitten hatte, ein wenig entwicklungsgestört war.

Vor der Begegnung mit Jönsson war Inger ein fröhliches aufgeschlossenes Kind gewesen. Ihre Familienverhältnisse waren gut. Der Vater besaß ein Fotogeschäft, die Mutter war Hausfrau. Seit dem Vorfall hatte sich Inger stark verändert; sie war unzugänglich, mürrisch und trübsinnig geworden.

Rolf Jönsson stritt anfangs alles ab.

Beim dritten Verhör aber wurde er überführt und angeklagt, sich an Inger vergangen zu haben. Die anderen elf Mädchen hatten ihn ebenfalls wiedererkannt. Doch nur Inger wurde zweimal vorgeladen, und nur sie mußte bei der Hauptverhandlung als Zeugin auftreten.

Jönsson wurde wegen Unzucht an Minderjährigen verurteilt.

Zum erstenmal war Inger Elwing mit der Polizei in Berührung gekommen.

Triumph der Gewalt

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