Читать книгу Das Leben nach Adolf Hitler - Karl-Hinrich Schlüter - Страница 9
Aantjeflott
ОглавлениеAuf Transvaal geboren zu sein war eher ein Makel, denn das Viertel in der Nachbarschaft des Hafens hatte nicht den besten Ruf. Wir wohnten im letzten Haus der Berumer Straße, gegenüber waren Baracken. Dort wohnten Leute, die ausgebombt waren. Das betraf sehr viele, von denen die meisten in einer einzigen Nacht obdachlos wurden. Aber man lebte! Emden ist die Stadt mit der größten Bunkerdichte, bezogen auf die Zahl der Bewohner. Der Führer brauchte Kriegsschiffe und U-Boote. Mein Paradies war dort, wo heute die Althusiusstraße verläuft, die es damals noch nicht gab, und bestand nur aus einem Schloot, einem Wassergraben. Die gehören in Ostfriesland einfach dazu. Er hatte klares Wasser, Schilf, Froschbiss, der aussieht wie Mini-Seerosen, Frösche, Kröten, Teichmolche, Stichlinge, Wasserspinnen, Kaulquappen, Blut- und andere Egel, Schnecken, Schwimmkäfer, Wasserskorpione, Libellen und einiges mehr. Zum Beispiel Aantjeflott. So, wie es in unserer Sprache Anglizismen gibt, gibt es an der Küste auch Plattizismen. Aantjeflott sind Wasserlinsen, die unser Verdruss waren. Also Hermanns und meiner. Wenn wir das Zeug am Körper und an der Kleidung hatten, wussten unsere Mütter, dass wir ihre Verbote wieder mal nicht beachtet hatten. Die zogen erst, als ich einmal einen tiefen Schnitt im Fuß hatte, weil zerbrochene Flaschen im Schloot lagen. Ach ja, die Mücken, nicht zu vergessen. Aber wir hatten ja einen Flit-Zerstäuber.
Schilf! Bis heute gehört Schilf zu meinen Lieblingspflanzen. Lebt so am Rand, nie weit vom Land und nie weit vom Wasser, wird vom Sturm schwer gebeutelt und steht anderntags da, als sei nichts geschehen. Bietet Lebewesen aller Art Schutz und Lebensraum, schmückt und schützt Häuser. Das Schilfsterben fiel mir auf, lange bevor es öffentlich beachtet wurde. Ein schleichender Tod, der an Fahrt gewinnt. Die Bauern wissen von nichts und die Bahn schweigt…
Wer Lyrik mag: Über Schilf habe ich ein Gedicht geschrieben, es ist metaphorisch über Werden und Vergehen in plattdeutscher Sprache. Titel des Büchleins: Wechselspiele, Titel des Gedichts: Een Handvull Reit. Vorläufig nur als E-Book erhältlich.