Читать книгу Gesammelte Western-Romane und Erzählungen - Karl May - Страница 28

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»Nein, durch ein Schloß, wie alle meine Türen.«

» Well! Auch das werden sie wissen, und ich kalkuliere, daß sie sich mit falschen Schlüsseln versehen haben. Wenigstens wäre es unverzeihlich von ihnen, wenn sie das nicht getan hätten, Die Gesellschaft wird jedenfalls auch Mitglieder haben, die Schlosser sind oder mit einem Dietrich umzugehen wissen. Sie kommen also ganz gewiß herein, und es liegt nun an uns, zu beraten, wie wir sie empfangen werden.«

»Natürlich mit den Gewehren. Wir schießen sofort auf sie!«

»Und sie schießen auf Euch, Sir! Das Aufblitzen eurer Gewehre verrät ihnen, wo ihr euch befindet, wo ihr steht. Nein, nicht schießen. Ich kalkuliere, daß es eine wahre Wonne wäre, sie gefangen zu nehmen, ohne uns der Gefahr auszusetzen, mit ihren Waffen in Berührung zu kommen.«

»Haltet Ihr das für möglich?«

»Sogar für verhältnismäßig leicht. Wir verstecken uns im Hause und lassen sie herein. Sobald sie sich in Eurer Kammer befinden, werfen wir die Türen zu und verschließen sie. Einige von uns halten vor den letzteren Wacht und einige draußen vor dem Fenster, So können sie nicht heraus und müssen sich einfach ergeben.«

Der alte Deutsche schüttelte bedächtig den Kopf und stimmte energisch dafür, die Einbrecher niederzuschießen. Old Death kniff bei der Entgegnung des Alten das eine Auge zu und zog ein Gesicht, welches sicher ein allgemeines Gelächter hervorgerufen hätte, wenn die Situation nicht so ernst gewesen wäre.

»Was macht Ihr da für ein Gesicht, Sir?« fragte Lange. »Seid Ihr nicht einverstanden?«

»Gar nicht, Master. Der Vorschlag unseres Freundes scheint sehr praktisch und leicht ausführbar zu sein; aber ich kalkuliere, daß es ganz anders kommen würde, als er denkt. Die Geheimbündler wären ja geradezu Prügel wert, wenn sie es so machten, wie er es ihnen zutraut. Er meint, daß sie alle zugleich hereinkommen und sich wie auf einen Präsentierteller vor unsere Gewehre stellen werden. Wenn sie das täten, so hätten sie kein Hirn in ihren Köpfen. Ich bin der Überzeugung, daß sie die Hintertüre leise öffnen und dann aber erst einen oder zwei hereinschicken werden, um zu rekognoszieren. Diesen einen oder diese zwei Kerle können wir freilich niederschießen; die Andern aber machen sich schleunigst aus dem Staube, um bald wieder zu kommen und das Versäumte nachzuholen. Nein, Sir, mit diesem Plane ist es nichts. Wir müssen sie alle, alle hereinlassen, um sie zu fangen. Dafür habe ich auch noch einen andern und sehr triftigen Grund. Selbst wenn Euer Plan ausgeführt würde, so widerstrebt es mir, eine solche Menge von Menschen mit einem einzigen Pulverkrache und ohne daß ihnen ein Augenblick bleibt, an ihre Sünden zu denken, in den Tod zu befördern. Wir sind Menschen und Christen, Mesch’schurs. Wir wollen uns zwar gegen diese Leute wehren und ihnen das Wiederkommen verleiden, aber das können wir auf weniger blutige Art und Weise erreichen. Bleibt Ihr dabei, sie wie ein Rudel wilder Tiere niederzuschießen, so tut es meinetwegen; ich aber und mein Gefährte haben keinen Teil daran. Wir gehen und suchen uns einen andern Ort, wo wir diese Nacht zubringen können, ohne später mit Schaudern und Selbstvorwürfen an sie denken zu müssen!«

Er hatte mir ganz aus der Seele gesprochen, und seine Worte machten den beabsichtigten Eindruck. Die Männer nickten einander zu, und der Alte meinte:

»Was Ihr da zuletzt gesagt habt, Sir, das ist freilich sehr begründet. Ich habe geglaubt, daß ein solcher Empfang sie ein für allemal aus La Grange vertreiben würde; aber ich dachte nicht an die Verantwortung, welche wir auf uns laden; darum möchte ich mich wohl zu Eurem Plane bequemen, wenn es mir nur einleuchtete, daß derselbe gelingen werde.«

»Jeder, auch der allerbeste Plan kann mißlingen, Sir. Es ist nicht nur menschlich, sondern auch klug, die Leute herein zu lassen und einzuschließen, so daß wir sie lebend in unsere Hände bekommen. Glaubt mir, daß dies besser, viel besser ist, als wenn wir sie erschießen. Denkt daran, daß Ihr die Rache des ganzen Klans auf Euch ladet, wenn Ihr eine solche Anzahl seiner Mitglieder tötet, Ihr würdet die Kukluxer nicht von La Grange fern halten, sondern sie im Gegenteil herbeiziehen, um den Tod der Ihrigen grausam zu rächen. Ich bitte Euch also, meinen Plan anzunehmen. Es ist das beste, was Ihr tun könnt. Um ja nichts zu versäumen, was das Gelingen desselben beeinträchtigen könnte, werde ich jetzt einmal um das Haus schleichen. Vielleicht ist da etwas für uns Günstiges zu entdecken.«

»Wollt Ihr das nicht lieber unterlassen, Sir?« fragte Lange. »Ihr sagt ja selbst, daß man einen Posten aufgestellt haben werde. Dieser Mann könnte Euch sehen.«

»Mich sehen?« lache Old Death. »So etwas hat mir noch niemand gesagt! Old Death soll so dumm sein, sich sehen zu lassen, wenn er ein Haus oder einen Menschen beschleicht! Master, das ist lächerlich! Wenn Ihr ein Stück Kreide habt, so zeichnet mir jetzt einmal den Grundriß Eures Hauses und Hofes da auf den Tisch, damit ich mich nach demselben richten kann! Laßt mich zur Hintertüre hinaus, und wartet dort auf meine Rückkehr. Ich werde nicht klopfen, sondern mit den Fingerspitzen an die Türe kratzen. Wenn also jemand klopft, so ist es ein Anderer, den Ihr nicht einlassen dürft.«

Lange nahm ein Stückchen Kreide von dem Türensims und zeichnete den verlangten Riß auf den Tisch. Old Death betrachtete denselben genau und gab seine Befriedigung durch ein wohlgefälliges Grinsen zu erkennen. Die beiden Männer wollten nun gehen. Sie befanden sich schon unter der Türe, da drehte sich Old Death noch einmal um und fragte mich:

»Habt Ihr schon einmal irgend ein Menschenkind heimlich angeschlichen, Sir?«

»Nein,« antwortete ich der Verabredung mit Winnetou gemäß.

»So habt Ihr jetzt eine vortreffliche Gelegenheit, zu sehen, wie man das macht. Wenn Ihr mitgehen wollt, so kommt!«

»Halt, Sir!« fiel Lange ein. »Das wäre ein allzu großes Wagnis, da Euer Gefährte selbst gesteht, daß er in diesen Dingen unerfahren ist. Wenn der geringste Fehler gemacht wird, bemerkt der Posten euch, und alles ist verdorben.«

»Unsinn! Ich kenne diesen jungen Master allerdings erst seit kurzer Zeit; aber ich weiß, daß er darauf brennt, die Eigenschaften eines guten Westmannes zu erwerben. Er wird sich die Mühe geben, jeden Fehler zu vermeiden. Ja, wenn es sich darum handelte, uns an einen indianischen Häuptling zu schleichen, da würde ich mich sehr hüten, ihn mitzunehmen. Aber ich versichere Euch, daß kein braver Prairieläufer sich herablassen wird, in den Ku-Klux-Klan zu treten. Darum steht gar nicht zu erwarten, daß der Posten so viel Übung und Gewandtheit besitzt, uns erwischen zu können. Und selbst wenn er uns bemerkte, so wäre Old Death sofort da, den Fehler auszugleichen. Ich will den jungen Mann mitnehmen, folglich geht er mit! Also kommt, Sir! Aber laßt Euern Sombrero hier, wie ich den meinigen. Das helle Geflecht leuchtet zu sehr und könnte uns verraten. Schiebt Euer Haar auf die Stirn herunter und schlagt den Kragen über das Kinn empor, damit das Gesicht möglichst bedeckt wird. Ihr habt Euch immer hinter mir zu halten und genau das zu tun, was ich tue. Dann will ich den Klux oder Klex sehen, der uns bemerkt!«

Es wagte keiner eine weitere Widerrede, und so begaben wir uns in den Flur und an die Hintertüre, um von Lange hinausgelassen zu werden. Dieser öffnete leise und verschloß hinter uns wieder. Sobald wir draußen standen, kauerte Old Death sich nieder, und ich tat dasselbe. Er schien die Finsternis mit seinen Augen durchdringen zu wollen, und ich hörte, daß er die Luft in langen Zügen durch die Nase einzog.

»Ich kalkuliere, daß sich da vor uns kein Mensch befindet,« flüsterte mir der Alte zu, indem er über den Hof nach dem Stallgebäude zeigte. »Dennoch will ich mich überzeugen. Man muß vorsichtig sein. Habt Ihr vielleicht als Knabe es gelernt, mit einem Grashalme zwischen den beiden Daumen das Zirpen einer Grille nachzuahmen?«

Ich bejahte die Frage leise.

»Da vor der Türe steht Gras. Nehmt Euch einen Halm, und wartet bis ich zurückkehre. Regt Euch nicht von der Stelle. Sollte aber etwas geschehen, so zirpt. Ich komme sofort herbei.«

Er legte sich auf den Boden und verschwand, auf allen vieren kriechend, in der Finsternis. Es vergingen wohl zehn Minuten, bevor er zurückkehrte. Und wahrhaftig, ich hatte ihn nicht kommen sehen, aber der Geruch sagte mir, daß er sich nähere.

»Es ist so, wie ich dachte,« flüsterte er. »Im Hofe niemand und auch da um die Ecke an der einen Giebelseite kein Mensch. Aber hinter der andern Ecke, wo das Fenster der Schlafstube sich befindet, wird einer stehen. Legt Euch auch zur Erde, und schleicht hinter mir her! Aber nicht etwa auf dem Bauche wie eine Schlange, sondern wie eine Eidechse auf den Fingern und Zehen. Tretet nicht mit den ganzen Fußsohlen, sondern nur mit den Fußspitzen auf. Untersucht den Boden mit den Händen, damit Ihr nicht ein Ästchen knickt, und knöpft Euern Jagdrock ganz zu, damit nicht etwa ein Zipfel auf der Erde hinstreift! – Nun vorwärts!«

Wir krochen bis an die Ecke. Old Death blieb dort halten, ich also auch. Nach einer Weile wendete er den Kopf zu mir zurück und raunte mir zu:

»Es sind zwei. Seid ja vorsichtig!«

Er schob sich weiter fort, und ich folgte abermals. Er hielt sich nicht nahe der Mauer des Hauses, sondern kroch von derselben fort bis zu einem aus aufrecht stehenden Fenzriegeln, an denen wilder Wein oder eine ähnliche Pflanzenart emporrankte, errichteten Zaune, der den Garten umschloß. Diesen Zaun entlang krochen wir der Giebelseite des Hauses parallel, von derselben vielleicht zehn Schritte entfernt. Auf dem dadurch entstehenden Zwischenraume sah ich bald einen dunklen Haufen vor uns auftauchen, der fast wie ein Zelt geformt war. Wie ich später erfuhr, waren es zusammengestellte Bohnen-und Hopfenstangen. Am Fuße derselben wurde leise gesprochen. Old Death griff nach mir zurück, faßte mich beim Kragen, zog mich zu sich heran, so daß mein Kopf neben den seinigen kam, und raunte mir zu:

»Da sitzen sie. Wir müssen hören, was sie reden. Eigentlich sollte ich allein hin, denn Ihr seid ein Greenhorn, welches mir den ganzen Spaß verderben kann. Aber zwei hören mehr als einer. Getraut Ihr Euch, unvermerkt so nahe an sie heranzuschleichen, daß Ihr sie hört?«

»Ja,« antwortete ich.

»So wollen wir es versuchen. Ihr geht von dieser Seite an sie und ich von der andern. Wenn Ihr nahe seid, legt Ihr das Gesicht auf den Boden, damit sie nicht etwa Eure Augen funkeln sehen. Sollten sie Euch dennoch bemerken, vielleicht weil Ihr zu laut atmet, so müssen wir sie sofort unschädlich machen.«

»Töten?« flüsterte ich.

»Nein. Das müßte still geschehen, also mit dem Messer, und dazu habt Ihr kein Geschick. Ein Revolverschuß darf nicht gewagt werden. Sobald sie Euch oder mich entdecken, werfe ich mich auf den Einen, Ihr Euch auf den Andern, legt ihm beide Hände um den Hals und drückt ihm die Gurgel zu, daß er keinen Laut von sich geben kann. Dabei müßt Ihr ihn zur Erde niederreißen. Was dann geschehen Soll, werde ich Euch sagen. Aber nur ja keinen Lärm! Ich habe gesehen, daß Ihr ein starker Kerl seid, aber seid Ihr auch überzeugt, so einen Strolch still niederlegen zu können?«

»Unbedingt,« antwortete ich.

»Also vorwärts, Sir!«

Er kroch um die Stangen herum, und ich schob mich auf dieser Seite nach ihnen hin. Jetzt hatte ich die Stangenpyramide erreicht. Die beiden Strolche saßen dicht neben einander, mit den Gesichtern nach dem Hause zu. Es gelang mir, ganz lautlos so nahe an sie heranzukommen, daß mein Kopf sich kaum eine Elle weit von dem Körper des mir Nächstsitzenden befand. Nun legte ich mich auf den Bauch und das Gesicht nach unten in die Hände. Das hatte zweierlei Vorteil, wie ich bald bemerkte. Erstens konnte meine helle Gesichtsseite mich nicht verraten, und dann konnte ich in dieser Lage viel besser hören als mit erhobenem Kopfe. Sie sprachen in jenem hastigen Flüstertone, welcher die Worte auf einige Schritte hin verständlich macht.

»Den Kapitän lassen wir ungeschoren,« sagte eben derjenige, in dessen Nähe ich lag. »Er hat euch zwar auf das Trockene gesetzt, streng genommen aber seine Pflicht getan. Weißt du, Locksmith, er ist zwar auch ein verdammter Deutscher, aber es kann uns nichts nützen, sondern nur schaden, wenn wir ihm an den Kragen gehen. Wenn wir uns hier in Texas festsetzen und auch halten wollen, so dürfen wir es mit den Steamleuten nicht verderben.«

»Gut! Ganz wie Ihr wollt, Capt’n. Der Indsman ist uns entgangen, wie ich vermute. Kein Indianer setzt sich nach La Grange, um eine ganze Nacht lang auf das Abgehen des Bootes zu warten. Aber die beiden Andern sind noch da, die deutschen Hunde, welche wir aufknüpfen wollten. Sie sind Spione und müssen gelyncht werden. Könnte man nur erfahren, wo sie sind. Sie sind wie Luft aus ihrer Gaststube verschwunden, zum Fenster hinaus, diese Feiglinge!«

»Wir werden es erfahren. Die ›Schnecke‹ ist ja deshalb im Wirtshause sitzen geblieben, und er wird nicht ruhen, als bis er erfährt, wo sie stecken. Er ist ein schlauer Patron, Ihm haben wir es auch zu danken, daß wir wissen, daß dieser Lange hier von dem Mexikaner das Geld für sein Haus erhalten hat. Wir werden also ein sehr gutes Geschäft machen und vielen Spaß haben. Der Junge hat als Offizier gegen uns gekämpft und soll dafür aufgeknüpft werden. Der Alte hat ihn in die Uniform gesteckt und muß dafür bezahlt werden; aber hängen wollen wir ihn nicht. Er wird soviel Prügel bekommen, daß ihm das Fleisch vom Rücken springt. Dann werfen wir ihn heraus und stecken die Bude an.«

»Ihm bringt das keinen Schaden, denn sie gehört ihm nicht mehr,« entgegnete der Andere.

»Desto mehr wird es den Mexikaner ärgern, der sicherlich niemand mehr über den Rio grande hinüberschickt, um Juarez zu dienen. Wir räumen auf und geben ihm einen Denkzettel, den er sicher nicht hinter den Spiegel steckt. Die Leute sind instruiert. Aber bist du wirklich überzeugt, Locksmith, daß deine Schlüssel passen werden?«

»Beleidigt mich nicht, Capt’n! Ich verstehe mein Geschäft. Die Türen, um welche es sich in diesem Hause handelt, können meinem Dietrich nicht widerstehen.«

»So mag es gehen. Wenn die Kerle sich nur bald zur Ruhe legten. Unsere Leute werden ungeduldig sein, denn es sitzt sich verteufelt schlecht in den alten Hollunderbüschen dort hinter dem Stalle. Lange’s haben alle ihre Scherben dort hingeworfen. Ich wollte, Ihr könntet bald gehen und unseren Kameraden ein Zeichen geben. Will doch noch einmal an dem Laden horchen, ob sie wirklich noch nicht im Bette sind, diese deutschen Nachteulen.«

Der Capt’n stand auf und ging leise zu dem einen Laden der Wohnstube. Er wurde von seinen Gefährten Capt’n genannt; diese Bezeichnung und auch die Unterredung, welche ich eben gehört hatte, gaben Grund zu der Vermutung, daß er der Anführer sei. Der Andere war mit dem Worte »Locksmith« bezeichnet worden. Das heißt Schlosser. Vielleicht hieß er so; wahrscheinlich aber war er Schlosser, da er gesagt hatte, daß er sich auf den Gebrauch des Dietrichs verstehe. Und eben jetzt machte er eine Bewegung, bei welcher ich ein leises Klirren hörte. Er hatte Schlüssel bei sich. Aus diesen Gedanken wurde ich aufgestört durch ein leises Zupfen an meinem Bein. Ich kroch zurück. Old Death lag hinter den Stangen. Ich schob mein Gesicht an das seinige, und er fragte mich leise, ob ich alles gehört und verstanden hätte. Ich bejahte.

»So wissen wir, woran wir sind. Werde diesen Burschen einen Streich spielen, über den sie noch lange die Köpfe schütteln sollen! Wenn ich mich nur auf Euch verlassen könnte!«

»Versucht es einmal mit mir! Was soll ich denn tun?« antwortete ich.

»Den einen Kerl bei der Gurgel nehmen.«

» Well, Sir, das werde ich!«

»Gut, um aber ganz sicher zu gehen, will ich Euch erklären, wie Ihr es anzufangen habt. Horcht! Er wird doch nicht hierher hinter die Stangen kommen!«

Der Capt’n kehrte vom Laden zurück. Glücklicherweise setzte er sich gleich wieder nieder.

Old Death hielt es nicht für notwendig, sie weiter zu belauschen. Er raunte mir zu:

»Also, ich will Euch sagen, wie Ihr den Kerl zu fassen habt. Ihr kriecht zu ihm hin und befindet Euch also hinter ihm. Sobald ich einen halblauten Ruf ausstoße, legt Ihr ihm die Hände um den Hals, aber richtig, versteht Ihr? Die beiden Daumen kommen ihm in den Nacken, so daß sie mit den Spitzen zusammenstoßen, und die andern acht Finger, je vier von jeder Seite, an die Gurgel. Mit diesen acht Fingerspitzen drückt Ihr ihm den Kehlkopf so fest, wie Ihr könnt, einwärts!«

»Da muß er doch ersticken!«

»Unsinn! Das Ersticken geht nicht so schnell. Schufte, Schurken und ähnliches Gelichter gehören in eine Raubtierklasse, welche ein ungeheuer zähes Leben besitzt. Wenn Ihr ihn festhabt, drückt Ihr ihn nieder, weil Ihr dann weit mehr Kraft anwenden könnt, aber ja nicht falsch! Ihr befindet Euch, wie gesagt, hinter ihm und dürft ihn nicht etwa nach Euch niederziehen, sondern Ihr müßt ihn seitwärts nach links niederdrücken, so daß er erst auf die Seite und dann auf den Bauch und Ihr auf ihn zu liegen kommt. So habt Ihr ihn am sichersten. Da Ihr an solche Kunstgriffe nicht gewöhnt seid, so ist es möglich, daß es ihm doch gelingt, einen Laut auszustoßen. Das wird aber höchstens ein kurzes verzweifeltes »Bäh« sein. Dann ist er still, und Ihr haltet ihn so lange fest, bis ich bei Euch bin. Werdet Ihr das fertig bringen?«

» Gewiß. Ich habe früher viel gerauft.«

»Gerauft!« höhnte der Alte. »Das will ganz und gar nichts sagen! Und Ihr müßt auch noch bedenken, daß der Capt’n länger ist als der Andere. Macht Eurem Lehrer Ehre, Sir, und laßt Euch von denen da drin nicht auslachen! Also vorwärts! Wartet auf meinen Ruf!«

Er schob sich wieder fort von mir, und ich kroch dahin zurück, wo ich vorhin gelegen hatte; ja, ich näherte mich dem Capt’n noch weiter und zog die Kniee an den Leib, um mich augenblicklich aufrichten zu können.

Die beiden Kukluxer setzten ihre Unterhaltung fort. Sie sprachen ihren Ärger darüber aus, daß sie und ihre Gefährten so lange zu warten hatten. Dann erwähnten sie uns beide und äußerten die Hoffnung, daß die »Schnecke« unsern Aufenthaltsort ausspähen werde. Da hörte ich Old Deaths halblaute Stimme:

»Da sind wir ja, Mesch’schurs! Paßt doch auf!«

Schnell richtete ich mich hinter dem Capt’n auf und schlug ihm die Hände in der Weise, wie der Scout es mir gesagt hatte, um den Hals. Mit den Fingerspitzen fest auf seinem Kehlkopfe, drückte ich ihn seitwärts zu Boden nieder, stieß ihn mit dem Knie noch weiter um, so daß er auf das Gesicht zu liegen kam, und kniete ihm dann auf den Rücken. Er hatte keinen Laut ausgestoßen, zuckte krampfhaft mit den Armen und Beinen und lag dann still. Da kauerte sich Old Deaths Gestalt vor uns hin. Der Alte versetzte dem Capt’n einen Schlag mit dem Revolverknaufe auf den Kopf und sagte dann:

»Laßt los, Sir, sonst erstickt er wirklich! Ihr habt es für den Anfang gar nicht übel gemacht. Anlagen scheint Ihr zu besitzen, und ich kalkuliere, daß einmal ein famoser Bösewicht oder aber ein tüchtiger Westmann aus Euch wird. Nehmt den Kerl auf die Achsel, und kommt!«

Er nahm den Einen, ich den Andern auf die Schulter, und wir kehrten nach der Hintertüre zurück, wo Old Death, wie es besprochen worden war, zu kratzen begann. Lange ließ uns ein.

»Was bringt Ihr denn da?« fragte er leise, als er trotz der Dunkelheit bemerkte, daß wir Lasten trugen.

»Werdet es sehen,« antwortete Old Death lustig. »Schließt zu, und kommt mit herein!«

Wie staunten die Männer, als wir unsere Beute auf die Diele legten.

»Alle Wetter!« fuhr der alte Deutsche auf. »Das sind ja zwei Kukluxer! Tot?«

»Hoffentlich nicht,« sagte der Scout. »Ihr seht, wie recht ich tat, daß ich diesen jungen Master mit mir nahm. Er hat sich brav gehalten, hat sogar den Anführer der Bande überwältigt.«

»Den Anführer? Ah, das ist prächtig! Aber wo stecken seine Leute, und warum bringt Ihr diese Beiden herein?«

»Muß ich Euch das erst sagen? Es ist doch sehr leicht zu erraten. Ich und der junge Sir da, wir werden die Kleider der beiden Lumpen anlegen und die Bande, welche sich am Stalle versteckt hält, herein holen.«

»Seid Ihr des Teufels! Ihr riskiert das Leben. Wenn man nun entdeckt, daß ihr gefälschte Kukluxer seid?«

»Das wird man eben nicht entdecken,« entgegnete der Alte in überlegenem Tone. »Old Death ist ein pfiffiger Kerl, und dieser junge Master ist auch nicht ganz so dumm, wie er aussieht.«

Old Death erzählte, was wir belauscht und getan hatten, und erklärte ihnen dann seinen Plan. Ich sollte als Locksmith hinter den Stall gehen, um die Kukluxer herein zu holen. Er wollte die Verkleidung des Capt’ns, welche grad für seine Länge paßte, anlegen und den Anführer spielen. »Es versteht sich von selbst, « fügte der Scout hinzu, »daß nur leise gesprochen wird, und beim Flüstern sind alle Stimmen gleich.«

»Nun, wenn Ihr es wagen wollt, so tut es!« sagte Lange, »Ihr tragt nicht unsere Haut zu Markte, sondern Eure eigene. – Was aber wollen wir inzwischen tun?«

»Zunächst leise hinausgehen und einige starke Pfähle oder Stangen hereinholen, welche wir gegen die Kammer-oder Stubentüre stemmen, damit diese nicht von innen geöffnet werden kann. Sodann verlöscht Ihr die Lichter und versteckt Euch im Hause. Das ist alles, was Ihr zu tun habt. Was dann noch geschehen muß, läßt sich jetzt noch nicht bestimmen.«

Vater und Sohn gingen in den Hof, um Pfähle zu holen. Inzwischen nahmen wir den beiden Gefangenen ihre Verkleidungen ab. Dieselben waren schwarz und trugen weiße, aufgenähte Abzeichen. Diejenige des Capt’ns war an Kapuze, Brust und Oberschenkel mit einem Dolch, die des Locksmith an denselben Stellen mit Schlüsseln versehen. Der Dolch war also das Abzeichen des Anführers. Derjenige, welcher in der Schenke saß, um unsern Aufenthaltsort zu erfahren, war ›Schnecke‹ genannt worden. Er trug also wohl vorkommenden Falls eine mit Schnecken ausgezeichnete Verkleidung. Eben als wir dem Capt’n seine Hose, welche den Schnitt der Schweizer Wildheuerhosen hatte und über dem eigentlichen Beinkleid befestigt war, vom Leibe zogen, erwachte er. Er blickte wirr und erstaunt umher und machte dann eine Bewegung, aufzuspringen, wobei er nach der Leibesgegend griff, in welcher sich vorher die Tasche mit dem Revolver befunden hatte. Old Death aber drückte ihn schnell wieder nieder, hielt ihm die Spitze des Bowiemessers auf die Brust und drohte:

»Ruhig, mein Junge! Nur einen unerlaubten Laut oder eine Bewegung, so fährt dir dieser schöne Stahl in den Leib!«

Der Kuklux war ein Mann im Anfange der Dreißiger mit militärisch geschnittenem Bart. Sein scharf gezeichnetes, dunkel angehauchtes und ziemlich verlebtes Gesicht ließ einen Südländer in ihm vermuten. Er griff mit den beiden Händen an den schmerzenden Kopf, wo ihn der Hieb getroffen hatte, und fragte: »Wo bin ich? Wer seid Ihr?«

»Hier wohnt Lange, den Ihr überfallen wolltet, Boy. Und ich und dieser junge Mann sind die Deutschen, deren Aufenthalt die ›Schnecke‹ erkunden sollte. Du siehst, daß du dich da befindest, wohin deine Sehnsucht dich trieb. &‹

Der Mann kniff die Lippen zusammen und ließ einen wilden aber erschrockenen Blick umherschweifen. In diesem Augenblick kam Lange mit seinem Sohne zurück. Sie brachten einige Stangen und eine Säge mit. »Material zum Binden ist da, ausreichend für zwanzig Mann,« sagte der Erstere.

»So gebt her, einstweilen nur für diese Beiden.«

»Nein, binden lasse ich mich nicht!« rief der Capt’n, indem er abermals versuchte, sich aufzurichten. Aber sofort hielt ihm Old Death wieder das Messer vor und sagte:

»Wage es ja nicht, dich zu rühren! Jedenfalls hat man vergessen, dir zu sagen, wer ich bin. Man nennt mich Old Death, ,und du wirst wissen, was das zu bedeuten hat. Oder meinst du gar, daß ich ein Freund der Sklavenzüchter und Kukluxer sei?«

»Old – Old Death seid Ihr!« stammelte der Capt’n aufs höchste erschrocken.

»Ja, mein Junge, der bin ich. Und nun wirst du dir keine unnützen Einbildungen machen. Ich weiß, daß du den jungen Lange aufknüpfen und seinen Vater bis auf die Knochen peitschen lassen wolltest, um dann dieses Haus in Brand zu stecken. Wenn du noch irgend welche Nachsicht erwartest, so kannst du sie nur dann haben, wenn du dich in dein Schicksal ergibst.«

»Old Death, Old Death!« wiederholte der leichenblaß gewordene Mann. »Dann bin ich verloren!«

»Noch nicht. Wir sind nicht ruchlose Mörder wie ihr. Wir werden euer Leben schonen, wenn ihr euch uns ohne Kampf ergebt. Tut ihr das nicht, so wird man morgen eure Leichen in den Fluß werfen können. Ich teile dir jetzt mit, was ich dir zu sagen habe. Handelst du danach, so mögt ihr das County und meinetwegen Texas verlassen, um nicht wiederzukommen. Verachtest du meinen Rat, so ist es aus mit euch. Ich hole jetzt deine Leute herein. Sie werden ebenso unsere Gefangenen sein, wie du es bist. Befiel ihnen, sich zu ergeben. Tust du das nicht, so schießen wir euch zusammen, wie einen Baum voll wilder Tauben!«

Der Kuklux wurde gebunden und erhielt ein Taschentuch in den Mund. Der Andere war auch zu sich gekommen, zog aber vor, kein Wort zu sagen. Auch er wurde gefesselt und geknebelt. Dann trug man die Beiden hinaus in die Betten, in denen Lange und sein Sohn zu schlafen pflegten, und band sie noch besonders fest, so daß sie sich nicht regen konnten, und deckte sie bis an den Hals zu.

»So!« lachte Old Death. »Nun kann die Komödie beginnen. Wie werden die Kerls sich wundern, wenn sie in diesen sanften Schläfern ihre eigenen Genossen erkennen. Es wird ihnen ein ungeheures Vergnügen machen! Aber sagt, Master Lange, wie könnte man denn, wenn wir sie haben, mit den Leuten reden, ohne daß sie einen sehen und fassen können, aber doch so, daß es möglich ist, sie dabei zu beobachten?«

»Hm!« meinte der Gefragte, indem er nach der Decke deutete, »von da oben. Die Decke besteht nur aus einer Bretterlage. Wir könnten eins der Bretter lossprengen.«

»So kommt alle heraus, und nehmt eure Waffen mit. Ihr steigt die Treppe hinauf und bleibt oben, bis es Zeit ist. Vorher aber wollen wir für passende Stemmhölzer sorgen.«

Es wurden einige der Stangen mit der Säge so verkürzt, daß sie genau für den beabsichtigten Zweck paßten, und dann bereit gelegt. Ich zog die Hose und Bluse des Locksmith an, während Old Death die andere Verkleidung anlegte. In der weiten Tasche meiner Hose steckte ein eiserner Ring mit einer Menge falscher Schlüssel.

»Ihr werdet sie gar nicht gebrauchen« sagte Old Death. »Ihr seid kein Schlosser und auch kein Einbrecher und würdet Euch durch Euere Ungeschicklichkeit verraten. Ihr müßt also die echten Schlüssel hier abziehen und mitnehmen. Dann tut Ihr so, als ob Ihr mit dem Dietrich öffnetet. Unsere Messer und Revolver stecken wir bei; unsere Büchsen aber nehmen hier die Masters zu sich, die, während wir draußen unsere Aufgabe erledigen, droben ein Brett lossprengen werden. Dann aber müssen alle Lichter verlöscht werden.«

Dieser Weisung wurde gefolgt. Man ließ uns hinaus, und draußen verschloß ich die Türen. Ich hatte nun die drei Schlüssel zur Haus-, Stuben-und Kammertüre bei mir. Old Death instruierte mich jetzt genauer, als es vorher geschehen war. Als wir den Knall hörten, welcher durch das Lossprengen des Brettes verursacht worden war, trennten wir uns. Er ging nach der Giebelseite des Hauses, wo die Stangen standen, und ich begab mich über den Hof hinüber, um meine lieben Kameraden zu holen. Ich wendete mich zum Stalle. Ich trat dabei nicht allzu leise auf, denn ich wollte gehört und angesprochen sein, um nicht etwa mit meiner Anrede einen Fehler zu machen. Eben als ich um die Ecke treten wollte, erhob sich eine Gestalt, über welche ich beinahe hinweggestolpert wäre, vom Boden.

» Stop!« sagte er. »Bist du es, Locksmith?«

» Yes. Ihr sollt kommen; aber sehr leise.«

»Will es dem Leutnant sagen. Warte hier!«

Er huschte fort. Also auch einen Leutnant gab es! Der Ku-Klux-Klan schien eine militärische Organisation zu besitzen. Ich hatte noch keine Minute gewartet, so kam ein Anderer, In leisem Tone sagte er:

»Das hat lange gedauert. Schlafen denn die verwünschten Deutschen endlich?«

»Endlich! Aber nun auch desto fester. Sie haben miteinander einen ganzen Krug Brandy ausgestochen.«

»So werden wir leichtes Spiel haben. Wie steht es mit den Türen?«

»Klappt alles aufs trefflichste.«

»So wollen wir gehen. Mitternacht ist schon vorüber, und dann wird es auch drüben bei Cortesio losgehen, wofür die erste Stunde nach Mitternacht festgesetzt war. Führe uns!«

Hinter ihm tauchten eine Menge vermummter Gestalten auf, die mir folgten. Als wir an das Haus kamen, trat Old Death leise zu uns, dessen Gestalt in der Dunkelheit nicht von derjenigen des Capt’n zu unterscheiden war.

»Habt Ihr besondere Befehle, Capt’n?« fragte der zweite Offizier.

»Nein,« antwortete der Alte in seiner sichern, selbstverständlichen Weise. »Wird sich alles danach richten, wie wir es drinnen finden. Nun, Locksmith, wollen wir es mit der Haustüre versuchen.«

Ich trat zur Türe und hielt den richtigen Schlüssel in der Hand. Doch tat ich, als ob ich erst einige andere versuchen müsse. Als ich dann geöffnet hatte, blieb ich mit Old Death stehen, um die Andern an uns vorbei zu lassen. Auch der Leutnant blieb bei uns. Als alle leise eingetreten waren, fragte er:

»Laternen heraus?«

»Nur die Eurige einstweilen.«

Wir traten ebenfalls ein; ich machte die Türe wieder zu, doch ohne sie zu verschließen, und der Leutnant zog eine brennende Blendlaterne aus der Tasche seiner weiten Hosen. Sein Anzug war mit weißen Figuren von der Gestalt eines Bowiemessers gezeichnet. Wir hatten fünfzehn Personen gezählt. Jeder trug ein anderes Zeichen. Da waren Kugeln, Halbmonde, Kreuze, Schlangen, Sterne, Frösche, Räder, Herzen, Scheren, Vögel, vierfüßige Tiere und viele andere Figuren zu sehen. Der Leutnant schien gern zu kommandieren. Er leuchtete, während die Andern regungslos standen, umher und fragte dann:

»Einen Posten hier an die Türe?«

»Wozu?« antwortete Old Death. »Ist gar nicht nötig. Locksmith mag zuschließen; da kann niemand herein.«

Ich schloß augenblicklich zu, um dem Leutnant keine Veranlassung zu Bedenken zu geben, ließ aber den Schlüssel stecken.

»Wir müssen alle hinein,« sagte Old Death jetzt. »Die Schmiede sind baumstarke Leute.«

»So seid Ihr heute ganz anders als sonst, Capt’n!«

»Weil die Verhältnisse anders sind. Vorwärts!«

Er schob mich nach der Stubentüre, wo dieselbe Prozedur sich wiederholte. Ich tat, als ob ich nicht sofort den passenden Schlüssel fände. Dann traten wir alle ein. Old Death nahm dem Leutnant die Laterne aus der Hand und leuchtete nach der Kammertüre.

»Dort hinaus!« sagte er. »Aber leise, leise!«

»Sollen wir nun auch die anderen Laternen herausnehmen?«

»Nein, erst in der Kammer.«

Old Death wollte mit dieser Weisung verhüten, daß die ›sanften Schläfer‹ zu zeitig erkannt würden. Die fünfzehn Personen fanden Raum in der Kammer; es kam nur darauf an, sie alle hineinzubringen, damit die Belagerung sich nicht auch mit auf die Stube erstrecken mußte. Jetzt verfuhr ich beim Öffnen noch langsamer und scheinbar sorgfältiger. Endlich ging die Türe auf. Old Death ließ den Schein der Laterne in den Schlafraum fallen, sah hinein und flüsterte:

»Sie schlafen. Schnell hinein! Leise, aber leise! Der Leutnant voran!«

Er ließ dem letzteren gar keine Zeit zur Widerrede und zum Nachdenken, schob ihn vorwärts, und die Andern folgten auf den Fußspitzen. Kaum aber war der Letzte drin, so schob ich die Türe zu und drehte den Schlüssel um.

»Schnell die Stangen!« sagte Old Death.

Sie lagen da, grad so lang, daß man sie zwischen den Fensterstock und der Türkante schief einklemmen konnte. Das taten wir, und nun wäre die Kraft eines Elefanten erforderlich gewesen, um die Türe aufzusprengen. Jetzt eilte ich hinaus an die Treppe.

»Seid Ihr da?« fragte ich hinauf. »Sie sind in der Falle. Kommt herab!«

Sie kamen eilends herabgesprungen.

»Sie befinden sich alle in der Schlafstube. Drei von euch hinaus vor das Fenster, um Stangen gegen dasselbe zu stemmen. Wer aussteigen will, bekommt eine Kugel!«

Ich öffnete die Hintertüre wieder, und drei eilten hinaus. Die Andern folgten mir nach der Wohnstube. Inzwischen hatte sich in der Schlafkammer ein entsetzlicher Lärm erhoben. Die gefoppten Halunken hatten bemerkt, daß sie eingeschlossen seien, ihre Laternen herausgenommen und beim Lichte derselben bemerkt, wer in den Betten lag. Jetzt fluchten und brüllten sie wild durcheinander und schlugen mit den Fäusten gegen die Türe.

»Auf, auf, sonst demolieren wir alles!« ertönte es. Als ihre Drohungen nichts fruchteten, versuchten sie, die Türe aufzusprengen, aber sie gab nicht nach, die Stützen hielten fest. Dann hörten wir, daß sie das Fenster öffneten und den Laden aufzustoßen versuchten.

»Es geht nicht!« rief eine zornige Stimme. »Man hat draußen etwas dagegen angestemmt.«

Da hörten wir es draußen drohend erschallen:

»Weg vom Laden! Ihr seid gefangen. Wer den Laden aufstößt, bekommt eine Kugel!«

»Ja,« fügte in der Stube Old Death laut hinzu: »Auch diese Türe ist besetzt. Hier stehen genug Leute, euch alle ins jenseits zu befördern. Fragt euern Capt’n, was ihr tun sollt.«

Und leiser sagte er zu mir.

»Kommt mit hinauf auf den Boden. Nehmt die Laterne und Eure Büchse mit! Die Andern mögen die Lampe hier anbrennen.«

Wir gingen hinauf, wo sich eine über dem Schlafraume liegende offene Bodenkammer befand. Wir fanden sehr leicht das losgesprengte Brett. Nachdem wir die Laterne maskiert und die Kapuzen abgelegt hatten, hoben wir das Brett ab und konnten nun hinunter in die von mehreren Laternen erleuchtete Schlafstube sehen.

Da standen sie eng aneinander. Man hatte den beiden Gefangenen die Fesseln und Knebel abgenommen, und der Capt’n sprach leise und wie es schien, sehr eindringlich zu den Leuten.

»Oho!« sagte der Leutnant lauter. »Ergeben sollen wir uns! Mit wie viel Gegnern haben wir es denn zu tun?«

»Mit mehr als hinreichend, euch in fünf Sekunden niederzuschießen!« rief Old Death hinab.

Aller Augen richteten sich empor. In demselben Augenblicke hörten wir draußen einen Schuß fallen, noch einen. Old Death begriff sogleich, was das zu bedeuten habe und wie er es benützen könne.

»Hört ihr’s!« fuhr er fort. »Eure Kumpane werden auch drüben bei Cortesio mit Kugeln abgewiesen. Ganz La Grange ist gegen euch. Man hat sehr wohl gewußt, daß ihr da seid, und euch ein Willkommen bereitet, wie ihr es euch nicht dachtet. Wir brauchen keinen Ku-Klux-Klan. In der Stube neben euch stehen zwölf, draußen vor dem Laden sechs, und wir hier oben sind auch sechs. Ich heiße Old Death, verstanden! Zehn Minuten gebe ich euch. Legt ihr dann die Waffen ab, so werden wir glimpflich mit euch verfahren. Tut ihr es aber nicht, so schießen wir euch zusammen. Weiter habe ich euch nichts zu sagen, es ist mein letztes Wort. Überlegt es euch!«

Er warf das Brett wieder zu und sagte leise zu mir:

»Nun schnell hinab, um Cortesio Hilfe zu bringen!«

Wir holten zwei Mann aus der Stube, wo Lange mit seinem Sohne zurückblieb, und zwei draußen vom Laden weg, wo eine Wache einstweilen genug war. So waren wir fünf. Eben fiel wieder ein Schuß. Wir huschten hinüber und sahen dort vier oder fünf vermummte Gestalten stehen. Ebensoviele kamen grad hinter Cortesios Haus hervorgerannt, und einer derselben rief lauter, als er wohl beabsichtigte:

»Hinten schießen sie auch. Wir kommen nicht hinein!«

Ich hatte mich auf den Boden gelegt und war näher gekrochen; ich hörte, daß einer von denen, welche vorn gestanden hatten, antwortete.

»Verteufelte Geschichte! Wer konnte das ahnen! Der Mexikaner hat Lunte gerochen und weckt mit seinen Schüssen die Leute auf. Überall werden die Lichter angebrannt. Da hinten hört man schon Schritte. In einigen Minuten ist man auf unsern Fersen; beeilen wir uns. Schlagen wir mit den Kolben die Türe ein! Wollt ihr?«

Ich wartete die Antwort nicht ab, sondern huschte eiligst zu den Gefährten zurück und bat:

»Mesch’schurs, schnell, schlagen wir mit den Kolben auf die Bande! Sie wollen Cortesios Türe stürmen.«

» Well, well! Tüchtig drauf!« lautete die Antwort, und da fielen auch schon die Hiebe auf die verzweifelten Burschen wie aus den Wolken herab. Sie rissen schreiend aus und ließen vier ihrer Spießgesellen zurück, welche so getroffen waren, daß sie nicht fliehen konnten. Sie wurden entwaffnet, und dann trat Old Death an die Türe von Cortesios Haus, um zu klopfen.

»Wer da?« fragte es von drinnen.

»Old Death, Sennor. Wir haben Euch die Halunken vom Halse geschafft. Sie sind fort. Macht einmal auf!«

Die Türe wurde vorsichtig geöffnet. Der Mexikaner erkannte den Scout, obgleich dieser noch mit der Hose und Bluse des Capt’n bekleidet war, und sagte:

»Sind sie wirklich fort?«

»Über alle Berge. Vier haben wir hier gefangen. Ihr habt geschossen?«

»Ja. Es war ein Glück, daß Ihr mich warntet, sonst wäre es mir schlecht ergangen. Ich schoß vom und mein Neger hinten aus dem Hause, so daß sie nicht herein konnten. Dann sah ich freilich, daß Ihr über sie herfielt.«

»Ja, wir haben Euch erlöst. Nun kommt aber auch uns zu Hilfe! Zu Euch kehren sie nicht zurück, wir jedoch haben noch fünfzehn dieser Kerle drüben, die wir nicht entwischen lassen wollen. Euer Neger mag indessen von Haus zu Haus laufen und Lärm machen. Ganz La Grange muß auf die Beine gebracht werden, damit den Buben gehörig heimgeleuchtet werde.«

»So mag er vor allen Dingen zum Sheriff laufen. Horcht, da kommen Leute! Auch ich werde gleich drüben sein, Sennor.«

Er trat in das Haus zurück, Von rechts her kamen zwei Männer mit Gewehren in der Hand und fragten, was die Schüsse zu bedeuten hätten. Als wir ihnen Auskunft erteilt hatten, waren sie sofort bereit, uns beizustehen. Selbst diejenigen Bewohner von La Grange, welche sezessionistisch gesinnt waren, hielten es trotzdem noch lange nicht mit den Kukluxern, deren Treiben den Anhängern jeden politischen Bekenntnisses ein Greuel sein mußte. Wir nahmen die vier Blessierten beim Kragen und schafften sie hinüber in Langes Stube. Letzterer meldete uns, daß die Kukluxer sich bis jetzt ruhig verhalten hätten. Sennor Cortesio kam nach, und bald folgten so viele andere Einwohner von La Grange, daß die Stube nicht für sie ausreichte, und manche draußen bleiben mußten. Das gab ein Gewirr von Stimmen und ein Geräusch von hin und her eilenden Schritten, aus welchem die Kukluxer entnehmen konnten, wie die Sache stand. Old Death nahm mich wieder mit hinauf in die Bodenkammer. Als wir das Brett entfernt hatten, bot sich uns ein Bild stillgrimmiger Verzweiflung. Die Gefangenen lehnten an den Wänden, saßen auf den Betten oder lagen auf der Diele und ließen in des Wortes eigentlichster Bedeutung die verhüllten Köpfe hängen.

»Nun,« sagte Old Death, »die zehn Minuten sind vorüber. Was habt ihr beschlossen?«

Er bekam keine Antwort. Nur einer stieß einen Fluch aus. »Ihr schweigt? Nun, so nehme ich an, daß ihr euch nicht ergeben wollt; das Schießen mag beginnen.«

Er legte sein Gewehr an und ich das meinige. Sonderbarerweise fiel es keinem von ihnen ein, den Revolver auf uns zu richten. Die Schurken waren eben feig, und ihr Mut bestand nur in Gewalttätigkeiten gegen Wehrlose.

»Also antwortet, oder ich schieße!« drohte der Alte. »Es ist mein letztes Wort.«

Keiner antwortete. Da flüsterte mir Old Death zu:

»Schießt auch Ihr. Treffen müssen wir, sonst flößen wir ihnen keinen Respekt ein. Zielt dem Leutnant nach der Hand, ich dem Capt’n!«

Unsere zwei Schüsse krachten zu gleicher Zeit. Die Kugeln trafen genau. Die beiden Offiziere schrieen laut auf, und bald schrieen und heulten alle in einem widerlichen Konzert. Unsere Schüsse waren gehört worden. Man glaubte uns im Kampfe mit den Kukluxern; darum krachte es in der Stube und draußen vor dem Fenster. Kugeln flogen durch die Türe und durch den Laden in die Schlafkammer. Mehrere Kukluxer wurden getroffen. Alle warfen sich zu Boden, wo sie sich sicherer fühlten, und schrieen, als ob sie am Marterpfahle gebraten werden sollten. Der Capt’n kniete vor dem Bette, hatte seine blutende Hand in das Leintuch gewickelt und rief zu uns empor:

»Haltet ein! Wir ergeben uns!«

»Gut!« antwortete Old Death. »Tretet alle vom Bette weg! Werft eure Waffen auf dasselbe, dann wird man euch herauslassen. Aber derjenige, bei welchem dann noch eine Waffe gefunden wird, hat unerbittlich eine Kugel im Leibe! Ihr hört, daß draußen Hunderte von Leuten stehen. Nur völlige Ergebung kann euch retten.«

Die Situation, in welcher sich die Geheimbündler befanden, war eine hoffnungslose, denn an Flucht konnten sie nicht denken. Das wußten sie. Ergaben sie sich, was konnte ihnen da geschehen? Ihre Absichten waren nicht zur Ausführung gekommen; man konnte sie also der Ausführung eines Verbrechens nicht beschuldigen. Jedenfalls war es besser, sich dem Verlangen Old Deaths zu fügen, als einen nutzlosen Versuch, sich durchzuschlagen, zu machen, welcher schwere Folgen nach sich ziehen mußte. Also flogen ihre Messer und Revolver auf das Bett.

»Gut, Mesch’schurs!« rief der Alte ihnen zu. »Und nun will ich euch nur sagen, daß ich auch jeden niederschießen werde, welcher eine Bewegung macht, seine Waffe wieder wegzunehmen, wenn die Türe geöffnet wird. Nun wartet noch einen Augenblick.«

Er schickte mich hinunter in die Wohnstube, um Lange die Weisung zu überbringen, die Kukluxer herauszulassen und gefangen zu nehmen. Aber die Ausführung dieses Auftrages war nicht so leicht, wie wir dachten. Der ganze von mehreren schnell requirierten Laternen erleuchtete Hausflur war dicht mit Menschen gefüllt. Ich trug außer der Kapuze noch die Verkleidung, so daß man mich für ein Mitglied der Geheimbande hielt und sich sofort meiner Person bemächtigte. Auf meinen Widerspruch wurde gar nicht gehört; ich erhielt Püffe und Stöße in Menge, so daß mich die getroffenen Stellen noch nach einigen Tagen schmerzten. Ich sollte augenblicklich vor das Haus geschafft und dort gelyncht werden.

Ich war nicht wenig in der Klemme, da meine Angreifer mich nicht kannten. Besonders war es ein langer, starkknochiger Kerl, welcher mir seine Faust unausgesetzt in die Seite stieß und dabei brüllte:

»Hinaus mit ihm, hinaus! Die Bäume haben Äste, schöne Äste, prächtige Äste, starke Äste, welche sicherlich nicht knicken, wenn ein solches Mannskind daran aufgeknüpft wird.«

Dabei drängte er mich nach der Hintertüre zu.

»Aber, Sir,« schrie ich ihn an, »ich bin kein Kuklux. Fragt doch Master Lange!«

»Schöne Äste, herrliche Äste!« antwortete er mit einem neuen Stoße nach meiner Hüfte.

»Ich verlange, zu Master Lange in die Stube geschafft zu werden! Ich habe diese Verkleidung nur angelegt, um -«

»Veritabel prächtige Äste! Und einen Strick findet man in La Grange auch, einen feinen, wirklich eleganten Strick aus gutem Hanfe!«

Er schob mich weiter und stieß mir die Faust abermals und zwar so in die Seite, daß mir die Geduld ausging. Der Kerl war imstande, die Leute so aufzuregen, daß sie mich lynchten. Hatte man mich einmal draußen, so war nichts Gutes zu erwarten.

»Herr,« brüllte ich ihn jetzt an, »ich verbitte mir Eure Roheit! Ich will zu Master Lange, verstanden?«

»Herrliche Äste! Unvergleichliche Stricke!« schrie er noch lauter als ich und bedachte mich dabei mit einem gewaltigen Box an die Rippen. Jetzt kochte der Topf über. Ich stieß ihm die Faust mit aller Kraft unter die Nase, daß er sicherlich hintenüber und zu Boden geflogen wäre, wenn es den dazu nötigen Raum gegeben hätte. Die Leute standen zu eng. Aber ein wenig Raum bekam ich doch. Ich benützte diese Gelegenheit sofort, indem ich mit Gewalt vordrang, aus Leibeskräften brüllte und, wie blind um mich schlagend, Püffe, Stöße und Hiebe austeilte, vor denen man wenigstens so weit zurückwich, daß ich mir eine enge Gasse erkämpfte, durch welche ich in die Stube gelangte. Aber während ich auf diesem Wege nach vorn so kräftig meine Fäuste gebrauchte, schloß sich die Gasse sofort hinter mir, und alle Arme, welche mich erreichten, kamen in Bewegung, sodaß es Fäuste buchstäblich auf mich hagelte. Wehe den wirklichen Kukluxern, wenn schon ein imitierter in dieser Weise blau gegerbt wurde! Der Starkknochige war mir möglichst schnell gefolgt. Er schrie wie ein angestochener Eber und gelangte fast zugleich mit mir in die Stube. Als Lange ihn erblickte, fragte er:

»Um des Himmels willen, was ist denn los, lieber Sir? Warum schreit Ihr so? Warum blutet Ihr?«

»An den Baum mit diesem Kuklux!« antwortete der Wütende. »Hat mir die Nase zerschlagen, die Zähne eingestoßen, zwei Zähne oder drei oder vier. Herrliche Zähne! Die einzigen, die ich vorn noch hatte! Hängt ihn!«

Jetzt war sein Zorn begründeter als vorher, denn er blutete wirklich ganz leidlich.

»Der da?« fragte Lange, auf mich deutend. »Aber Sir, werter Sir, der ist ja gar kein Kuklux! Er ist unser Freund, und grad ihm verdanken wir es am meisten, daß wir die Kerle erwischt haben. Ohne ihn lebten wir und Sennor Cortesio nicht mehr, und unsere Häuser ständen in Flammen!«

Der Starkknochige riß die Augen und den blutenden Mund möglichst weit auf, deutete auf mich und fragte:

»Ohne – ohne – diesen da?«

Famoses Tableau! Alle Umstehenden lachten. Er trocknete sich mit dem hervorgezogenen Taschentuche den Schweiß von der Stirn und das Blut von Mund und Nase, und ich rieb mir die verschiedenen Stellen, an denen noch später die Augenblicksphotographien seiner Knochenfinger zu sehen waren.

»Da hört Ihr es, Sir!« donnerte ich ihn dabei an. »Ihr waret ja geradezu rasend darauf, mich baumeln zu lassen! Und von Euren verteufelten Püffen fühle ich jedes Knöchelchen meines Leibes. Ich bin der veritable geschundene Raubritter, Sir!«

Der Mann wußte sich nicht anders zu helfen, als daß er den Mund abermals aufriß und uns stumm die linke Hand geöffnet hinhielt. Auf der letzteren lagen die zwei ›einzigen‹ Vorderzähne, welche bis vorhin in dem ersteren ihr sicheres und friedliches Domizil gehabt hatten. Jetzt mußte auch ich lachen, denn er sah gar zu kläglich aus. Und nun brachte ich endlich meinen Auftrag an den Mann.

Man hatte fürsorglicherweise alle vorhandenen Stricke zusammengetragen. Sie lagen mit Schnüren, Leinen und Riemen in der Ecke zum Gebrauche bereit.

»Also laßt sie heraus!« sagte ich. »Aber einzeln. Und jeder wird gebunden, sobald er heraustritt. Old Death wird gar nicht wissen, weshalb so lange gezögert wurde. Eigentlich sollte der Sheriff da sein. Cortesios Neger wollte ihn doch sofort holen!«

»Der Sheriff?« fragte Lange erstaunt. »Der ist doch da! Am Ende wißt Ihr gar nicht, wem Ihr die Püffe zu verdanken habt? Hier steht er ja!«

Er deutete auf den Knochigen.

»Alle Wetter, Sir!« fuhr ich diesen an. »Ihr selbst seid der Sheriff ? Ihr seid der oberste Exekutivbeamte dieses schönen County? Ihr habt auf Ordnung und gehörige Befolgung der Gesetze zu sehen und macht dabei in höchst eigener Person den Richter Lynch? Das ist stark! Da ist es kein Wunder, daß die Kukluxer sich in Eurem County so breit zu machen wagen!«

Das brachte ihn in unbeschreibliche Verlegenheit. Er konnte sich nicht anders helfen, als daß er mir die beiden Zähne abermals vor die Augen hielt und dabei stotterte:

»Pardon, Sir! Ich irrte mich, weil Ihr ein gar so kriminales Gesicht habt!«

»Danke ergebenst! Dafür sieht das Eurige um so kläglicher aus. Nun tut wenigstens von jetzt an Eure Pflicht, wenn Ihr nicht in den Verdacht kommen wollt, nur deshalb brave Leute lynchen zu wollen, weil Ihr es heimlich mit den Kukluxern haltet!«

Das gab ihm das volle Bewußtsein seiner amtlichen Würde zurück.

»Oho!« rief er, sich in die Brust werfend. »Ich, der Sheriff des sehr ehrenwerten County Fayette soll ein Kuklux sein? Ich werde Euch sofort das Gegenteil beweisen. Gegen die Halunken soll noch in dieser Nacht verhandelt werden. Tretet zurück, Mesch’schurs, damit wir Raum für sie bekommen. Tretet hinaus auf den Flur, aber laßt eure Gewehre zur Türe hereinblicken, damit sie sehen, wer jetzt Herr im Hause ist. Nehmt Stricke zur Hand, und öffnet die Türe l«

Der Befehl wurde ausgeführt, und ein halbes Dutzend Doppelläufe drohten zur Türe herein. In der Stube befanden sich jetzt der Sheriff, die beiden Langes, Cortesio, zwei der gleich anfangs mit uns verbündeten Deutschen und ich. Draußen schrie die Menge nach Beschleunigung der Aktion. Darum stießen wir die Läden auf, damit die Leute hereinblicken und sehen könnten, daß wir nicht müßig seien. Und nun wurden die Stützen entfernt; ich schloß die Kammertüre auf. Keiner der Kukluxer wollte zuerst heraus. Ich forderte den Capt’n und dann den Leutnant auf, zu kommen. Beide hatten ihre verwundeten Hände mit Taschentüchern umwickelt. Außer ihnen waren noch drei oder vier Mitglieder der Bande blessiert worden. Droben an der durch das aufgerissene Brett entstandenen Deckenlücke saß Old Death, welcher den Lauf seiner Büchse berabgerichtet hielt. Den von ihm so erfolgreich Überlisteten wurden die Hände auf den Rücken gebunden; dann mußten sie zu den ebenfalls gebundenen vier Genossen treten, welche wir von Cortesio herübergebracht hatten. Die Draußenstehenden sahen, was vorging, und riefen laut Hallo und Hurra. Wir ließen den Gefangenen ihre Kapuzen noch, doch wurden die Gesichter des Capt’ns und des Leutnants entlarvt. Auf meine Fragen und Bemühungen wurde ein Mann herbeigeschafft, den man mir als Wundarzt bezeichnete und welcher behauptete, alle möglichen Schäden in kürzester Zeit verbinden, operieren und heilen zu können. Er mußte die Verwundeten untersuchen und trieb dann ein halbes Schock La Grange-Leute im Hause umher, um nach Watte, Werg, Lappen, Pflaster, Fett, Seife und andern Dingen zu suchen, deren er zur Ausübung seines menschenfreundlichen Berufes bedurfte.

Als wir endlich alle Kukluxer sicher hatten, wurde die Frage aufgeworfen, wohin sie zu schaffen seien, denn ein Gefängnis für neunzehn Männer gab es in La Grange nicht.

»Schafft sie nach dem Salon des Wirtshauses!« gebot der Sheriff. »Am besten ist’s, die Angelegenheit so rasch wie möglich zu erledigen. Wir bilden eine Jury mit Geschworenen und vollziehen das Urteil sofort. Wir haben es mit einem Ausnahmefall zu tun, welcher auch mit Ausnahmemaßregeln zu behandeln ist.«

Die Kunde von diesem Beschlusse pflanzte sich schnell nach außen fort. Die Menge kam in Fluß und eilte nach dem Wirtshause, um einen guten Platz im Salon zu erwischen. Viele, denen das nicht gelungen war, standen auf der Treppe, im Flur und im Freien vor dem Gasthofe. Sie bewillkommneten die Kukluxer mit argen Drohungen, so daß die Eskorte sich sehr stramm zu halten hatte, um Tätlichkeiten abzuwehren. Nur mit großer Mühe gelangten wir in den Salon, einen größern aber sehr niedrigen Raum, welcher zur Abhaltung von Tanzvergnügen bestimmt war. Das Orchester war besetzt, wurde aber sofort geräumt, um die Gefangenen dort unterzubringen. Als man diesen nun die Kapuzen abnahm, stellte es sich heraus, daß sich kein einziger Bewohner der Umgegend unter ihnen befand.

Nun wurde die Jury gebildet, in welcher der Sheriff den Vorsitz hatte. Sie bestand aus einem öffentlichen Ankläger, einem Anwalt zur Verteidigung, einem Schriftführer und den Geschworenen. Der Gerichtshof war in einer Weise zusammengesetzt, welche mich gruseln machte, doch war das durch die gegenwärtigen Verhältnisse des Kreises und die Natur des vorliegenden Falles leidlich zu entschuldigen.

Als Zeugen waren vorhanden die beiden Langes, Cortesio, die fünf Deutschen, Old Death und ich. Als Beweismaterial lagen die Waffen der Angeklagten auf den Tischen, auch ihre Gewehre. Old Death hatte dafür gesorgt, daß dieselben aus ihrem Verstecke hinter dem Pferdestalle herbeigebracht worden waren. Es stellte sich heraus, daß in jedem Laufe die Ladung steckte. Der Sheriff erklärte die Sitzung für eröffnet mit der Bemerkung, daß von einer Vereidigung der Zeugen abzusehen sei, da die »sittliche Beschaffenheit der Angeklagten nicht ausreiche, so moralische und ehrenwerte Gentlemen wie uns mit den Beschwerden eines Eides zu belästigen«. Außer den Kukluxern seien überhaupt nur Männer im Salon vorhanden, deren »rechtliche und gesetzliche Gesinnung über allen Zweifel erhaben stehe, was er hiermit zu seiner großen Freude und Genugtuung feststellen wolle«. Ein vielstimmiges Bravo lohnte ihm diese Schmeichelei, und er dankte mit einer sehr würdigen Verbeugung. Ich aber erblickte verschiedene Gesichter, welche nicht so unfehlbar auf die gelobte »rechtliche und gesetzliche« Gesinnung der Betreffenden schließen ließen.

Zunächst wurden die Zeugen vernommen, von denen Old Death das Ereignis ausführlich erzählte. Wir Andern konnten uns darauf beschränken, ihm beizustimmen. Dann trat der ›Staaten-Attorney‹, der Staatsanwalt, auf. Er wiederholte unsere Aussagen und stellte fest, daß die Angeklagten einer verbotenen Verbindung angehörten, welche den verderblichen Zweck verfolge, die gesetzliche Ordnung zu untergraben, das Fundament des Staates zu zerstören und jene verdammungswürdigen Verbrechen zu verbreiten, welche mit langjährigem oder lebenslänglichem Zuchthause oder gar mit dem Tode zu bestrafen seien. Schon diese Mitgliedschaft sei hinreichend, eine zehn-oder zwanzigjährige Einsperrung zu rechtfertigen. Außerdem aber habe sich erwiesen, daß die Angeklagten die Tötung eines früheren Offiziers der Republik, die grausame Durchpeitschung zweier sehr angesehener Gentlemen und die Einäscherung eines Hauses dieser gesegneten Stadt beabsichtigten. Und endlich habe man die Absicht gehabt, zwei fremde, außerordentlich friedliche und ehrenhafte Männer – bei diesen Worten machte er Old Death und mir zwei Verbeugungen – aufzuknüpfen, was höchst wahrscheinlich unsern Tod zur Folge gehabt hätte und also streng zu bestrafen sei, besonders da man es grad uns beiden zu verdanken habe, daß das über La Grange heraufbeschworene Unheil glücklich abgewendet worden sei. Er müsse also auf die unnachsichtlichste Ahndung dringen und beantrage, einige der Kukluxer, welche der Scharfblick des sehr ehrwürdigen Gerichtes wohl auszuwählen wissen werde, am Halse aufzuhängen, die Andern aber zu ihrer eigenen ›moralischen Beherzigung‹ tüchtig auszupeitschen und dann lebenslänglich zwischen dicke Mauern zu tun, damit es ihnen fernerhin unmöglich sei, den Staat und die anerkannt ehrenwerten Bürger desselben in Gefahr zu bringen.

Auch dem Staatsanwalt wurden Bravos zugerufen, und auch er bedankte sich mit einer würdigen Verneigung. Nach ihm ließ sich der Anwalt hören, welcher zunächst bemerkte, daß der Vorsitzende eine unverzeihliche Unterlassungssünde begangen habe, indem die Angeklagten nicht einmal nach ihren Namen und sonstigen Umständen befragt worden seien, was nachzuholen er hiermit ergebenst anrate, da man doch wohl wissen müsse, wen man aufknüpfen oder einsperren wolle, schon des Totenscheines und anderer Schreibereien wegen – – eine geistreiche Bemerkung, die aber meine volle, wenn auch stille Zustimmung hatte. Er gab die besagten Absichten der Kukluxer vollständig zu, denn er müsse die Wahrheit anerkennen, aber es sei keine dieser Absichten wirklich ausgeführt worden, sondern sie alle hätten im Stadium des Versuches stehen bleiben müssen. Darum könne von Aufknüpfen oder lebenslänglichem Einsperren keine Rede sein. Er frage hiermit jedermann, ob der bloße Versuch einer Tat irgend jemand in Schaden gebracht habe oder überhaupt in Schaden bringen könne. Gewiß niemals und auch hier nicht! Da also keinem Menschen ein Schaden erwachsen sei, so müsse er unbedingt auf vollständige Freisprechung dringen, wodurch die Mitglieder des hohen Gerichtshofes und alle weiteren respektablen Anwesenden sich das Zeugnis menschenfreundlicher Gentlemen und friedfertiger Christen ausstellen würden. Auch ihm gaben einige wenige Stimmen Beifall. Er machte eine tiefe, halbkreisförmige Verbeugung, als ob alle Welt ihm zugejubelt hätte.

Darauf erhob sich der Vorsitzende zum zweitenmal. Zunächst bemerkte er, daß er es in voller Absicht unterlassen habe, nach den Namen und ›sonstigen Angewohnheiten‹ der Angeschuldigten zu fragen, da er vollständig überzeugt sei, daß sie ihn doch belogen hätten. Im Falle des Aufknüpfens schlage er also vor, der Kürze wegen einen einzigen und summarischen Totenschein auszustellen, welcher ungefähr lauten werde: »Neunzehn Kukluxer aufgehängt, weil sie selbst daran schuld waren.« Er gebe ferner zu, daß man es nur mit Versuchen zu tun habe, und wolle danach die Schuldfrage stellen. Aber den beiden fremden Gentlemen haben wir es zu verdanken, daß aus dem Versuche nicht die Tat geworden sei. Der Versuch sei gefährlich, und diese Gefahr müsse bestraft werden. Er habe weder Lust noch Zeit, sich stundenlang zwischen dem Staatsanwalte und dem Verteidiger hin und her zu bewegen; auch könne es ihm nicht einfallen, sich übermäßig lange mit einer Bande zu beschäftigen, welche, neunzehn Mann stark und sehr gut bewaffnet, sich von zwei Männern habe gefangen nehmen lassen; solche Helden seien nicht einmal der Aufmerksamkeit eines Kanarienvogels oder Sperlings wert. Er habe sich schon sagen lassen müssen, daß er wohl gar ein Freund der Kukluxer sei; das könne er nicht auf sich sitzen lassen, sondern er werde dafür sorgen, daß diese Leute wenigstens beschämt abziehen und das Wiederkommen für immer vergessen müßten. Er stelle also hiermit an die Herren Geschworenen die Frage, ob die Angeklagten des Versuches des Mordes, des Raubes, der Körperverletzung und der Brandstiftung schuldig seien, und bitte, die Antwort ja nicht bis zum letzten Dezember des nächsten Jahres hinauszuschieben, denn es seien da vor der Jury eine ganze Menge sehr hochachtbarer Zuhörer versammelt, denen man die Entscheidung nicht lange vorenthalten dürfe.

Seine sarkastische Ausführung wurde mit lautem Beifall belohnt. Die Herren Geschworenen traten in eine Ecke zusammen, besprachen sich nicht zwei Minuten lang, und dann teilte ihr Obmann dem Vorsitzenden das Resultat mit, welches letzterer verkündigte. Es lautete auf schuldig. Nun begann eine leise Beratung des Sheriffs mit seinen Beisitzern. Auffällig war es, daß der erstere während dieser Beratung den Befehl erteilte, den Gefangenen alles abzunehmen, was sie in ihren Taschen mit sich führten, besonders aber nach Geld zu suchen. Als dieser Befehl ausgeführt worden war, wurde das vorhandene Geld gezählt. Der Sheriff nickte befriedigt vor sich hin und erhob sich dann, um das Urteil zu verkündigen.

»Mesch’schurs,« sagte er ungefähr- »die Angeklagten sind als schuldig erkannt. Ich glaube, es entspricht eurem Wunsche, wenn ich euch, ohne dabei viele Worte zu machen, sage, worin die Strafe besteht, zu deren Verhängung und sehr energischen Durchführung wir uns geeinigt haben. Die in Rede stehenden Verbrechen sind nicht ausgeführt worden; daher haben wir, dem Herrn Verteidiger gemäß, welcher an unsere Humanität und christliche Gesinnung appellierte, beschlossen, von einer direkten Bestrafung abzusehen – – -«

Die Angeklagten atmeten auf; das sah man ihnen an. Unter den Zuhörern wurden einzelne Rufe der Unzufriedenheit laut. Der Sheriff fuhr fort:

»Ich sagte bereits, daß der Versuch eines Verbrechens eine Gefahr mit sich bringe. Wenn wir diese Kukluxer nicht bestrafen, so müssen wir wenigstens dafür sorgen, daß sie uns fernerhin nicht mehr gefährlich werden können. Daher haben wir beschlossen, sie aus dem Staate Texas zu entfernen, und zwar in so beschämender Weise, daß es ihnen wohl nicht einfallen wird, sich hier jemals wieder sehen zu lassen. Darum wird zunächst bestimmt, daß ihnen allen jetzt sofort das Haar und die Bärte bis ganz kurz auf die Haut abzuscheren sind. Einige der anwesenden Gentlemen werden sich wohl gern den Spaß machen, dies zu tun. Wer nicht weit zu laufen hat, mag nach Hause gehen, um eine Schere zu holen; solchen, welche nicht gut schneiden, wird die sehr ehrwürdige Jury den Vorzug geben.«

Allgemeines Gelächter erscholl. Einer riß das Fenster auf und schrie hinab:

»Scheren herbei! Die Kukluxer sollen geschoren werden. Wer eine Schere bringt, wird eingelassen.«

Ich war sehr überzeugt, daß im nächsten Augenblicke alle Untenstehenden nach Scheren rannten. Und wirklich hörte ich sogleich, daß ich ganz richtig vermutet hatte. Man hörte ein allgemeines Laufen und lautes Rufen nach Shears und Scissars. Eine Stimme brüllte sogar nach shears for clipping trees und shears for clipping sheeps, also nach Baum-und Schafscheren.

»Ferner wird beschlossen,« fuhr der Sheriff fort, »die Verurteilten nach dem Steamer zu schaffen, welcher noch nach elf Uhr von Austin gekommen ist und mit Anbruch des Tages nach Matagorda gehen wird. Dort angekommen, werden sie auf das erste beste Schiff gebracht, welches abgeht, ohne wieder in Texas landen zu wollen. Sie werden an Deck dieses Fahrzeuges gebracht, gleichviel, wer sie sind, woher sie kamen und wohin dieses Schiff geht. Von jetzt an bis zur Einschiffung dürfen sie ihre Verkleidungen nicht ablegen, damit jeder Passagier das Recht habe, zusehen, wie wir Texaner mit den Kukluxern verfahren. Auch werden ihnen die Fesseln nicht abgenommen. Wasser und Brot erhalten sie erst in Matagorda. Die auflaufenden Kosten werden von ihrem eigenen Gelde bezahlt, welches die schöne Summe von über dreitausend Dollars ausmacht, die sie wohl zusammengeraubt haben werden. Außerdem wird all ihr Eigentum, besonders die Waffen, konfisziert und sofort versteigert. Die Jury hat bestimmt, daß der Ertrag der Auktion zum Ankaufe von Bier und Brandy verwendet werde, damit die ehrenwerten Zeugen dieser Verhandlung mit ihren Ladies einen Schluck zu dem Reel haben, den wir nach Beendigung dieses Gerichtes hier tanzen werden, um dann bei Tagesanbruch die Kukluxer mit einer würdigen Musik und dem Gesange eines tragischen Liedes nach dem Steamer zu begleiten. Sie werden diesem Balle da zusehen und zu diesem Zwecke da stehen bleiben, wo sie sich befinden. Wenn der Verteidiger etwas gegen dieses Urteil einzuwenden hat, so sind wir gerne bereit, ihn anzuhören, falls er die Gewogenheit haben will, es kurz zu machen. Wir haben die Kukluxer zu scheren und ihre Sachen zu versteigern, also sehr viel zu tun, bevor der Ball beginnen kann.«

Das Beifallsrufen, welches sich jetzt erhob, war eher ein Brüllen zu nennen. Vorsitzender und Verteidiger mußten sich sehr anstrengen, Ruhe zu schaffen, damit der letztere zu Worte kommen könne.

»Was ich noch zum Nutzen meiner Klienten zu sagen habe,« meinte er, »ist folgendes. Ich finde das Urteil des hochachtbaren Gerichtshofes einigermaßen hart, doch ist diese Härte durch den letzten Teil der richterlichen Entscheidung, welcher Bier, Brandy, Tanz, Musik und Gesang betrifft, mehr als zur Genüge ausgeglichen. Darum erkläre ich mich im Namen derjenigen, deren Interessen ich zu vertreten habe, mit dem Urteile völlig einverstanden und hoffe, daß sie sich dasselbe als Aufforderung zum Beginn eines besseren und nützlicheren Lebenswandels dienen lassen. Ich warne sie auch, jemals wieder zu uns zu kommen, da ich in diesem Falle mich weigern würde, ihre Verteidigung nochmals zu übernehmen, und sie also nicht wieder einen so ausgezeichneten juridischen Beirat finden würden. Geschäftlich bemerke ich noch, daß ich für meine Verteidigung pro Klient zwei Dollars zu fordern habe, macht für neunzehn Mann achtunddreißig Dollars, wofür ich nicht schriftlich zu quittieren brauche, wenn sie mir gleich jetzt vor so vielen Zeugen ausgehändigt werden. In diesem Falle nehme ich nur achtzehn für mich und gebe die übrigen zwanzig für Licht und Miete des Saales. Die Musikanten können durch ein Entree entschädigt werden, welches ich vorschlage, auf fünfzehn Cents pro Gentleman zu stellen. Die Ladies haben natürlich nichts zu zahlen.«

Er setzte sich, und der Sheriff erklärte sich völlig mit ihm einverstanden.

Ich saß da, als wenn ein Traum mich befangen hielte. War das alles Wirklichkeit? Ich konnte nicht daran zweifeln, denn der Verteidiger erhielt sein Geld, und Viele rannten fort, um ihre Frauen zum Ball zu holen; viele Andere kamen und brachten alle möglichen Arten von Scheren mit sich geschleppt. Ich wollte mich gern ärgern, brachte es aber nicht fertig und stimmte in Old Deaths Gelächter ein, dem dieser Ausgang des Abenteuers außerordentlichen Spaß bereitete. Die Kukluxer wurden wirklich kahl geschoren. Dann begann die Versteigerung. Die Gewehre gingen schnell weg und wurden sehr gut bezahlt. Auch von den übrigen Gegenständen war bald nichts mehr vorhanden. Der dabei verursachte Lärm, das Kommen und Gehen, das Drängen und Stoßen war unbeschreiblich. Jeder wollte im Salon sein, obgleich derselbe nicht den zehnten Teil der Anwesenden faßte. Dann stellten sich die Musikanten ein, ein Klarinettist, ein Violinist, ein Trompeter und jemand mit einem alten Fagotte. Diese wunderbare Kapelle postierte sich in eine Ecke und begann, ihre vorsündflutlichen Instrumente zu stimmen, was mir einen nicht eben angenehmen Vorgeschmack der eigentlichen Leistung gab. Ich wollte gehen, besonders da jetzt die Ladies auf dem Schauplatz erschienen, aber da kam ich bei Old Death schön an. Er erklärte, wir beiden, die wir doch die Hauptpersonen seien, müßten nach all den Mühen und Gefahren nun auch das Vergnügen genießen. Der Sheriff hörte das und stimmte ihm bei, ja, behauptete mit aller Energie, daß es eine Beleidigung der ganzen Bürgerschaft von La Grange sein würde, wenn wir beide uns weigerten, den ersten Rundtanz anzuführen. Er stellte dazu Old Death seine Gemahlin und mir seine Tochter zur Verfügung, welche beide ausgezeichnete Tänzerinnen seien. Da ich ihm zwei Zähne ausgeschlagen habe und er mir einigemale in die Rippen geraten sei, müßten wir uns selbstverständlich als wahlverwandt betrachten, und so würde ich seine Seele auf das tiefste kränken, falls ich ihm seine dringende Bitte, hier zu bleiben, nicht erfülle. Er werde dafür sorgen, daß ein Extratisch für uns reserviert werde. Was konnte ich machen? Unglücklicherweise stellten sich in diesem Augenblicke seine beiden Ladies ein, denen wir vorgestellt wurden. Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen! Ich sah ein, daß ich den berühmten Rundtanz riskieren müsse und vielleicht noch einige Rutscher und Hopser dazu, ich, einer der Helden des heutigen Tages und -Privatdetektiv inkognito.

Der gute Sheriff freute sich vielleicht außerordentlich, uns den Göttinnen seiner Häuslichkeit geweiht zu haben. Er besorgte uns einen Tisch, welcher den großen Fehler hatte, nur für vier Personen auszureichen, so daß wir ohne Gnade und Barmherzigkeit den beiden Ladies verfallen waren. Die Damen waren kostbar. Die amtliche Stellung ihres Gatten und Vaters erforderte, daß sie sich mit möglichster Würde gaben. Die Mama war etwas über fünfzig, strickte an einer wollenen Leibjacke und sprach einmal vorn Codex Napoleon; dann aber schloß sich ihr Mund für immer. Das Töchterlein, über dreißig alt, hatte einen Band Gedichte mitgebracht, in welchem sie trotz des uns umtobenden Höllenspektakels unausgesetzt zu lesen schien, beehrte Old Death mit einer geistreich sein sollenden Bemerkung über Pierre Jean de Béranger, und als der alte Scout ihr aufrichtig versicherte, daß er mit diesem Sir noch niemals gesprochen habe, versank sie in ein ewiges Stillschweigen. Als Bier herumgereicht wurde, tranken unsere Damen nicht; als aber der Sheriff ihnen zwei Gläser Brandy brachte, belebten sich ihre scharfen, menschenfeindlichen Züge.

Bei dieser Gelegenheit gab mir der würdige Beamte einen seiner bekannten Rippenstöße und flüsterte mir zu.-

»Jetzt kommt der Rundtanz. Greift nur rasch zu!«

»Werden wir nicht abgewiesen werden?« fragte ich in einem Tone, welchem jedenfalls viel Vergnügen nicht anzumerken war.

»Nein. Die Ladies sind gut informiert.«

Ich erhob und verbeugte mich vor der Tochter, murmelte etwas von Ehre, Vergnügen und Vorzug und erhielt – das Buch mit den Gedichten, an welchem die Miß festhing. Old Death fing die Sache praktischer an. Er rief der Mama zu.

»Na, kommt also, Mis’siß! Rechts herum oder links hinum, ganz wie es Euch recht ist. Ich springe mit allen Beinen.«

Wie wir beide tanzten, welches Unheil mein alter Freund anrichtete, indem er mit seiner Tänzerin zu Boden stürzte, wie die Gentlemen zu trinken begannen – davon schweige ich. Genug, als es Tag wurde, waren die Vorräte des Wirtes ziemlich auf die Neige gegangen, und der Sheriff versicherte, daß doch das aus der Versteigerung gewonnene Geld noch nicht alle sei, man könne morgen oder vielleicht heute abend noch einen kleinen Reel tanzen. In den beiden Parterrestuben, im Garten und vor dem Hause saßen oder lagen die Angeheiterten, teilweise wohl mit schweren Köpfen. Sobald aber die Kunde erschallte, daß der Zug nach dem Landungsplatze vor sich gehen solle, waren alle auf den Beinen. Der Zug war folgendermaßen geordnet: Voran die Musikanten, dann die Mitglieder des Gerichtshofes, die Kukluxer in ihrer seltsamen Bekleidung, ferner wir Zeugen und hinter uns die Masters, Sirs und Gentlemen nach Gefallen und Belieben.

Der Amerikaner ist ein wunderbarer Kerl. Was er braucht, ist stets da. Woher die Leute alles so schnell bekommen oder geholt hatten, das wußten wir nicht, aber so viel ihrer sich dem Zug anschlossen, und das waren wohl alle, die würdigen Prediger und die ›Ladies‹ ausgenommen, jeder hatte irgend ein zur Katzenmusik geeignetes Instrument in der Hand. Als alle in Reihe und Glied standen, gab der Sheriff das Zeichen; der Zug setzte sich in Bewegung, und die voranschreitenden Virtuosen begannen das Yankee-doodle zu malträtieren. Am Schlusse desselben fiel die Katzenmusik ein. Was alles dazu gepfiffen, gebrüllt, gesungen wurde, das ist nicht zu sagen. Es war, als ob ich mich unter lauter Verrückten befände. So ging es im langsamen Trauerschritt nach dem Flusse, wo die Gefangenen dem Kapitän abgeliefert wurden, welcher sie, wie wir uns überzeugten, in sichern Gewahrsam nahm. An Flucht war nicht zu denken, dafür verbürgte sich der Kapitän. Übrigens wurden sie von den mitfahrenden Deutschen auf das strengste bewacht.

Als sich das Schiff in Bewegung setzte, bliesen die Musikanten ihren schönsten Tusch, und die Katzenmusik begann von neuem. Während aller Augen dem Schiff folgten, nahm ich Old Death beim Arme und trollte mich nun mit Lange und Sohn heim. Dort angelangt, beschlossen wir, einen kurzen Schlaf zu halten; aber er dauerte länger, als wir uns vorgenommen hatten. Als ich erwachte, war Old Death schon munter. Er hatte vor Schmerzen in der Hüfte nicht schlafen können und erklärte mir zu meinem Schreck, daß es ihm unmöglich sei, heute weiter zu reiten. Das waren die schlimmen Folgen seines Sturzes beim Tanze. Wir schickten nach dem Wundarzte. Dieser kam, untersuchte den Patienten und erklärte, das Bein sei aus dem Leibe geschnappt und müsse also wieder hineingeschnappt werden. Ich hätte ihm am liebsten eine Ohrfeige gegeben. Er zerrte eine halbe Ewigkeit an dem Beine herum und versicherte uns, daß wir es schnappen hören würden. Wir lauschten aber natürlich vergebens. Dieses Zerren verursachte dem Scout fast gar keine Schmerzen; darum schob ich den Pflastermann zur Seite und sah die Hüfte an. Es gab da einen blauen Fleck, welcher in einen gelben Rand auslief, und ich war darum überzeugt, daß es sich um eine Quetschung handelte.

»Wir müssen für eine Einreibung mit Senf oder einem andern Spiritus sorgen, das wird Euch aufhelfen,« sagte ich. »Freilich, wenigstens heute müßt Ihr Euch ruhig verhalten. Schade, daß Gibson indessen entkommt!«

»Der?« antwortete der Alte. »Habt keine Sorge, Sir! Wenn man die Nase so eines alten Jagdhundes, wie ich bin, auf eine Fährte richtet, so läßt er sicher nicht nach, bis das Wild gepackt ist. Darauf könnt Ihr Euch getrost verlassen.‹&

»Das tue ich auch; aber er gewinnt mit William Ohlert einen zu großen Vorsprung!«

»Den holen wir schon noch ein. Ich kalkuliere, es ist ganz gleich, ob wir sie einen Tag früher oder später finden, wenn wir sie eben nur finden. Haltet den Kopf empor! Dieser sehr ehrenwerte Sheriff hat uns mit seinem Reel und seinen beiden Ladies einen kleinen Strich durch die Rechnung gemacht; aber Ihr könnt Euch darauf verlassen, daß ich die Scharte gewiß auswetzen werde. Man nennt mich Old Death. Verstanden!«

Das klang freilich leidlich tröstlich, und da ich dem Alten zutraute, daß er Wort halten werde, so gab ich mir Mühe, unbesorgt zu sein. Allein konnte ich doch nicht fort. Darum war es mir auch sehr willkommen, als Master Lange beim Mittagessen sagte, er wolle mit uns reisen, da sein Weg vorläufig derselbe sei.

»Schlechte Kameraden erhaltet ihr an mir und meinem Sohn nicht,« versicherte er. »Ich weiß ein Pferd zu regieren und mit einer Büchse umzugehen. Und sollten wir unterwegs auf irgend welches weißes oder rotes Gesindel stoßen, so wird es uns nicht einfallen, davonzulaufen. Also wollt ihr uns mitnehmen? Schlagt ein!«

Natürlich schlugen wir ein. Später kam Cortesio, der noch länger geschlafen hatte als wir, und wollte uns die beiden Pferde zeigen. Old Death hinkte trotz seiner Schmerzen in den Hof. Er wollte die Pferde selbst sehen.

»Dieser junge Master behauptet zwar, reiten zu können,« sagte er; »aber unsereins weiß, was davon zu halten ist. Und einen Pferdeverstand traue ich ihm nicht zu. Wenn ich ein Pferd kaufe, so suche ich mir vielleicht dasjenige aus, welches das schlechteste zu sein scheint. Natürlich aber weiß ich, daß es das beste ist. Das ist mir nicht nur einmal passiert.«

Ich mußte ihm alle im Stalle stehenden Pferde vorreiten, und er beobachtete jede ihrer Bewegungen mit Kennermiene, nachdem er vorsichtigerweise nach dem Preise gefragt hatte. Wirklich kam es so, wie er gesagt hatte; er nahm die beiden, welche für uns bestimmt gewesen waren, nicht.

»Sehen besser aus, als sie sind,« sagte er. »Würden aber nach einigen Tagen schon marode sein. Nein, wir nehmen die beiden alten Füchse, die wunderbarerweise so billig sind.«

»Aber das sind ja die reinen Karrengäule!« meinte Cortesio.

»Weil Ihr es nicht versteht, Sennor, mit Eurer Erlaubnis zu sagen. Die Füchse sind Prairiepferde, haben sich aber in schlechter Hand befunden. Ihnen geht die Luft nicht aus, und ich kalkuliere, daß sie wegen einer kleinen Strapaze nicht in Ohnmacht fallen. Wir behalten sie. Basta, abgemacht!« -

Gesammelte Western-Romane und Erzählungen

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