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Rhetorik – Vom „nutzlosen Dasitzen“ zur schulischen Königsdisziplin

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Mit 15 oder 16 Jahren begann für einen kleinen Teil der Schüler der Aufstieg zum Bildungsgipfel. Sie wechselten vom grammaticus zum rhetor, wobei dieser Übergang durchaus auch „sanft“ vonstatten gehen konnte, wenn im Einzelfall der Lehrer derselbe blieb oder ein ehrgeiziger grammaticus schon ordentlich „vorgearbeitet“ hatte. Auf dem Olymp der schulischen Bildung stand der Thron der regina artium33. Das war die Rhetorik, die Redekunst, eine ganz und gar griechische Disziplin, die in Rom spätestens seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. Fuß gefasst hatte. Auf Lateinisch hieß sie eloquentia oder ars dicendi.

Es waren griechische Redelehrer, die die ersten Rhetorik-„Seminare“ in Rom anboten. Sie hatten guten Zulauf, niemand legte ihnen Steine in den Weg, solange der Unterricht auf Griechisch stattfand. Als aber auch rhetores Latini auf den Plan traten und Schulen für lateinische Redekunst eröffneten, wurde mancher Vertreter der traditionellen „Sitte der Vorväter“ (mos maiorum) aufmerksam.

Wurden da jahrhundertealte Fundamente durch die neue Disziplin erschüttert, die womöglich zu einer „großen Lippe“ hinsichtlich der alten Normen und Werte verleitete, zu keckem Modernismus, zu Widerworten oder gar „Frechheiten“ wider die Tradition? Auf diese Idee konnten misstrauische Konservative kommen, galt es doch, in der Redegattung der Suasorie das Pro und das Contra eines Sachverhalts gegeneinander abzuwägen. Und das hieß eben auch: Selbstverständliches infrage zu stellen.

Sie wagten schon einiges, diese lateinischen Redner, meinten manche konservativen Meinungsführer,34 und stießen sich daran, dass die Jugend tagelang in den neuartigen Schulen nutzlos „herumsaß“ (desidere35). Sie erreichten, dass die Zensoren des Jahres 92 v. Chr. die „wider die Gewohnheit und das Herkommen“ betriebenen lateinischen Rhetorik-Schulen kurzerhand schlossen.36

Diese restriktive „Bildungspolitik“ stand jedoch letztlich auf verlorenem Posten. Einige Zeit später erhielten die lateinischen Rhetoren ihre Schul-„Lizenz“ zurück und etablierten sich mit großem Erfolg neben den griechischen Rhetorikschulen. An Zahl waren sie ihren Vorbildern im Westen des Reiches bald überlegen. Die Schüler besuchten sie zwei bis drei Jahre lang, manchmal auch noch länger. Wer einen besonderen „Abschluss“ anstrebte, hängte noch einige Monate Rhetorikstudium bei griechischen Kapazitäten in Athen oder einem anderen Kulturzentrum der griechischen Welt dran. Dabei bestimmte jeder über seinen individuellen „Abschluss“ selbst; Prüfungen und offizielle Zertifikate gab es auch auf dieser dritten Stufe schulischer Ausbildung nicht. Allenfalls konnte man in seinem Lebenslauf darauf hinweisen, bei der einen oder anderen Rhetorik-Koryphäe in die Schule gegangen zu sein. Dabei machten sich Studienaufenthalte im Ausland ähnlich gut wie heute.

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