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„ars dicendi“ – Die Kunst der Selbstinszenierung im Alltag und vor Gericht

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Das Bildungsziel hieß: eindrucksvoll reden zu können, vor allem im öffentlichen Raum sein Wort zu machen, andere zu überzeugen (oder zumindest zu überreden; entscheidend war das Ergebnis, nicht die „Wahrhaftigkeit“), bei einschlägigen Anlässen loben und tadeln zu können (loben war deutlich wichtiger), offizielle Grußadressen zu formulieren, Dank zu sagen und was der rhetorischen Anlässe im Alltagsund gehobenen Berufsleben mehr waren. Mit einem Wort: einen gewandten Kommunikator abzugeben. Reden hieß repräsentieren – und dokumentieren, dass man zur Elite gehörte. Beim Rhetor lernten die jungen Angehörigen der Oberschicht Selbstvertrauen und Selbstdarstellung. Genauer gesagt: die männlichen Angehörigen der Oberschicht. Da Frauen im Raum der öffentlichen Kommunikation in der römischen Welt nicht vorgesehen waren, nahmen sie am Rhetorikunterricht nicht teil.37

Neben die genannten Redeanlässe trat mit den Gerichtshöfen ein weiteres wichtiges rhetorisches Betätigungsfeld. Eine gute rhetorische Ausbildung und Rednertalent waren vor Roms Gerichten deutlich wichtiger als fundierte juristische Kenntnisse. Es kam, gleich ob man als Verteidiger oder Anwalt auftrat, auf die Wirkung und die Wucht der Worte an, auf ein geschicktes, rhetorisch kunstvoll „garniertes“ Plädoyer, das mit einer adäquaten actio, dem Auftreten des Redners, und einer gelungenen Emotionalisierung des Auditoriums einherging. Rhetorik war und ist die Kunst der gekonnten Inszenierung und deshalb zu einem guten Teil Show. Römer liebten Shows – eben auch und gerade vor Gericht. Der angehende Anwalt war also gut beraten, wenn er möglichst viele Lernenergien in die ars dicendi investierte. Die juristischen Grundlagen konnte er sich von einem iuris consultus, „Rechtsgelehrten“, erläutern lassen. Der juristische Fachmann war Berater, aber nicht Protagonist im Gerichtsverfahren.

Lernen und Leiden

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