Читать книгу Zu nah am Abgrund - Karlheinz Seifried - Страница 13

Kapitel 9 1967

Оглавление

Wir hatten mittlerweile unsere Kontakte ausgebaut und so blieb es nicht aus, dass Wolfgang eines Tages zu mir sagte:

„Organisator, du solltest mal nach Hongkong und Manila fahren, hier gibt es für uns noch viel zu tun. Wir machen es wie immer. Du zeigst den Chinesen, wie wir den Ablauf organisiert haben und wie es funktioniert. Wenn sie dann mitmachen und interessiert sind, setzen wir wieder unsere Jungs auf dieser Route ein.”

Gesagt getan, ich heuerte auf einem Schiff für Ostasien an und fuhr die Route Mittelmeer, Rotes Meer, Aden und weiter ins ostasiatische Gebiet über Singapur bis Hongkong. Horst fuhr nicht mit, wir mussten uns trennen, um mehrere Gebiete abzudecken und neue Mitarbeiter einzuarbeiten.

Horst fuhr mit einem neuen Mann noch einmal die Südamerikaroute. Der Albino war ja nicht mehr an Bord. Bei mir war es in jedem Hafen der normale Ablauf, Briefkasten aufsuchen, nachdem ich die Gegend erst gesichert hatte, dann die Nachricht holen, die Telefonnummer anrufen, Treffen ausmachen und dann die Ware übergeben oder übernehmen.

Das ging so weit gut, bis Manila. Hier gab es auch eine Übernahme, nur mit dem Unterschied, dass ich das starke Gefühl hatte, nach der Übernahme und auf dem Weg zum Schiff beobachtet zu werden. Ich hatte selbst nach diversen Abschütteltricks immer noch das Gefühl, beobachtet zu werden, konnte aber niemanden entdecken. Es sollte sich aber später noch fürchterlich rächen, dass ich nicht noch mehr versucht hatte, um eventuelle Verfolger los zu werden.

Ich ging an Bord und verstaute meine Päckchen in den Zwischenraum der Bordwand, indem ich die Abdeckplatten abschraubte und alles in den Hohlraum legte.

Natürlich tat ich das nicht in meiner Kabine, denn falls die schwarze Gang, der Zoll, kam und das Versteck entdecken würde, wäre ich ja in den Verdacht gekommen, also tat ich das in der Toilette.

In der Messe ging ich noch ein Bier trinken und meine Kollegen fragten, ob wir heute Abend gemeinsam in die Hafenkneipe gehen wollten, was freudig angenommen wurde. Na ja, Kneipe war vielleicht die falsche Bezeichnung, es war ein Amüsierlokal mit tollen, süßen Asiatinnen. Da ich alles erledigt hatte, sagte ich, wir sollten uns um zweiundzwanzig Uhr an der Gangway treffen. Dann ging ich in meine Kabine um zu duschen und machte mich für den Landgang fertig. Pünktlich um zweiundzwanzig Uhr waren wir an der Gangway und gingen mit vier Mann in das Lokal im Hafen.

Als wir das Lokal betraten und uns umsahen, kamen schon vier Mädels auf uns zu und hakten sich bei uns unter, brachten uns an einen runden Tisch im Hintergrund, fragten was wir trinken wollten und ob sie den Abend mit uns verbringen dürften. Natürlich sagten wir ja, denn dazu waren wir ja hierhergekommen.

Sie holten für uns und sich selbst die Getränke und setzten sich zu uns an den Tisch. Manche setzten sich auch auf den Schoß und wir plauderten und lachten. Die Zeit verging so recht schnell, als plötzlich die Tür aufgerissen wurde und vier Mann in das Lokal gestürmt kamen, sich umsahen und dann, gezielt auf unseren Tisch zugingen. Das verwunderte mich. Sie palaverten herum, dass wir ihre Mädchen in Ruhe lassen sollten. Bei mir gingen alle Alarmglocken an, das war doch nur ein Vorwand, um nah genug an uns heranzukommen. Ich gab ganz ruhig und im Plauderton meinen drei Kollegen die Anweisung:

„Jungs, es gibt Ärger. Benutzt die Flaschen als Waffen und den Tisch als Schutzschild.“

Wir sprangen ohne Vorwarnung auf, stießen die Mädchen zur Seite, damit sie in Sicherheit waren. Legten den Tisch als Schild um und schlugen von unseren Bierflaschen den Boden ab. Das alles ging so schnell, dass die vier total verunsichert wurden. Mit so einer schnellen Reaktion hatten sie nicht gerechnet. Jetzt standen wir uns gegenüber, den Tisch als Schutz vor uns und sie standen schutzlos im Raum. In der Zwischenzeit hatte der Wirt Wind von dem Vorfall bekommen und die Polizei alarmiert, was wir hinterher erst erfahren haben. Wir warfen die erste Lage Flaschen nach den Chinesen um sie auf Abstand zu halten und hielten jeder noch eine, als Messerersatz stoßbereit, in der Hand. Sie kamen auf uns zu und zogen dabei ihre Messer.

Jetzt muss man wissen, dass wir nicht ganz unbedarft waren, was den Umgang mit Messern oder anderen Stichwaffen betraf. Jedes Schiff hat eine Wäscherei an Bord, um die Bordwäsche und die Wäsche der Seeleute zu waschen. Diese wurde meist von Chinesen betrieben und gerade von denen kann man so allerhand lernen, Messerwerfen, Kampfsport und eben alles, was die chinesische Kampfkunst so herausgebracht hat. Jeder Chinese an Bord weiß einem etwas anderes beizubringen und so hatten wir nicht unbedingt die Hosen voll, als die vier mit Messern vor uns standen.

Unsere Selbstsicherheit machte die vier nervös und so kamen sie ins Stocken. So hatten wir Gelegenheit, uns abzusprechen, wie wir vorgehen wollten. Unser Vorteil war, es ging Mann gegen Mann, was die Sache überschaubarer machte. Als sie sich endlich gefasst hatten und sich aufrafften, uns anzugreifen, war schon alles vorbei. Wir waren schon zum Gegenangriff übergegangen, denn der Angriff ist die beste Verteidigung. Zwei von uns links und zwei rechts um den Tisch herum, jeder hatte sich den jeweiligen Gegner ins Auge gefasst, ein Stoß in die Messer haltende Hand der Chinesen, die Messer fielen zu Boden. Wir stießen die Messer mit den Füßen weg von den Gegnern und mit einem Wurfgriff und Hebelgriff legten wir die Typen auf den Boden. Ich dachte nur noch:

‚Pass auf, dass du dich nicht mit ihrem Blut beschmutzt, das geht schlecht aus deiner Kleidung raus.‘ Wir überlegten, was wir mit ihnen machen sollten, die Entscheidung wurde uns aber abgenommen. Die Tür flog auf und sechs Polizisten kamen mit gezückten Pistolen reingestürmt und legten auf uns an. Ganz ruhig hoben wir die Arme, blieben aber kniend auf den Rücken der Chinesen. Ich dachte: ‚ Jetzt nur nicht mit der Wimper zucken, denn hier in Manila gibt es eine eiserne Regel bei der Polizei, erst schießen und dann fragen, wer hier Schuld hatte.‘

Das hatte auch seinen Grund, hier gab es kein Gesetz, oder nur auf dem Papier. Hier galt die Macht des Stärkeren. Man durfte hier Waffen besitzen und wenn man damit jemanden tötete, wurde man wegen illegalen Waffenbesitzes angezeigt und nicht wegen Mordes.

Wir knieten also mit erhobenen Händen ganz ruhig da und ich wusste nicht, ob sie geschossen hätten oder nicht. Aber der Wirt, der hinter seiner Theke stand, ließ eine Schimpfkanonade auf die Polizisten niederprasseln. Nach dem Ergebnis zu urteilen, hat er für uns gesprochen, denn die Polizisten ließen ihre Waffen sinken und nahmen die vier Chinesen mit. Was mit ihnen weiter passierte, war uns schon klar. Erst einmal kamen sie in eine Zelle und dort wurden sie erst einmal verprügelt. Na ja, selbst schuld!

Auf Befehl vom Wirt hin kamen die Mädchen wieder zu uns, gaben jedem von uns einen sehr intensiven Kuss. Stellten dann den Tisch und die Stühle wieder hin, wischten das Blut vom Boden auf, holten neue Getränke, forderten uns zum Hinsetzen auf und setzten sich auch wieder zu uns, als wenn nichts geschehen wäre.

Der Wirt gab uns eine Runde auf Kosten des Hauses aus und es wurde noch eine sehr angenehme Nacht mit den Mädels. Nach weiteren zwei Runden zogen wir uns mit unseren Begleiterinnen zurück.

Was ich hinterher erst von Wolfgang erfahren habe war, dass man mich nach der normalen Übernahme der Ware verfolgt hatte. Warum ich das trotz größter Vorsichtsmaßnahme nicht bemerkt habe, lag wohl daran, dass die Asiaten eben für uns alle gleich aussehen. Aber ich ärgerte mich noch im Nachhinein darüber, dass ich nicht mehr aufgepasst hatte.

Die Gruppe, mit der wir zusammengearbeitet haben, wurde schon lange von der Konkurrenz beobachtet und als die Übergabe stattfand, hatte man mich ins Visier genommen und beschattet.

Man hatte mich gezielt angriffen, um mich zu ihrem Chef zu bringen, damit er alle Informationen aus mir herausholen konnte. Er wollte alles über unsere Verbindung mit den anderen asiatischen Gruppen wissen. Er wollte die Konkurrenz ausschalten um dann selbst in Erscheinung zu treten und die Preise bestimmen zu können. Was hinterher mit mir gemacht werden sollte, war ja wohl jedem klar, hier zählte kein Menschenleben.

Als das nicht funktionierte, wollte er mir auf jeden Fall so viel Angst einjagen, dass ich dort nicht mehr auftauchen würde.

Zu nah am Abgrund

Подняться наверх