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PETRA

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Nick Menning, der Spezialist zur Beurteilung von Autos, schließt die Haustür auf. Schon längst wollte er das Gelb der Tür überstreichen, weil es so aufdringlich für sein Auge ist. Aber Petra, seine Frau, liebt nun einmal Gelb. „Das erinnert mich an Sonne, auch an den dunklen Tagen. Und“, fügte sie oft mit einem Lächeln hinzu, „auch wenn du meine Sonne bist, gibt es doch einige trübe Tage.“ Nick streicht sich über das braune Haar, legt die Tasche zur Seite, nimmt sie in den Arm, drückt ihr einen Kuss auf den Mund und rasselt mit dem Hausschlüssel. Sofort kommt Anna, die mit 5 Jahren die Erstgeborene ist, angerannt.

„Papa, Papa!“, ruft sie und wirft sich in seine Arme. Freude und Stolz leuchten aus Nicks braunen Augen. Mit der unversehrten linken Hand streichelt er über Annas hellbraunes Haar und drückt ihr einen Kuss auf den Kopf. „Na, was meine Große heute so angestellt?“, fragt er und schaut ihr tief in die Augen.

Anna beginnt zu erzählen, was es so gab. „Mama hat mich beim Kochen mithelfen lassen“, berichtet sie stolz. „Ich kann das jetzt auch.“

„Dann kann mir ja nichts mehr passieren“, stellt Nick fest. „Und was habt ihr gekocht?“ „Nudeln und Tomatensoße“, verkündet Anna stolz, kann dann aber nicht berichten, weil Petra nun ihrerseits ihren Mann in die Arme nimmt und ihm einen Kuss gibt. Für sie ist es immer wieder der ersehnte Moment, wenn sie nicht weiter mit den Kindern alleine ist. Gemessen an ihrer früheren Aktivität als Angestellte des TÜV HANSA war es schon mehr als gewöhnungsbedürftig, von der Hektik des Berufs umzusteigen auf die Kinderversorgung und den Haushalt. Aber sie wollte schon immer eine große Familie haben, und nun sind es zwei Kinder, die den Alltag füllen. Nach ihrem Willen könnten es auch durchaus noch mehr sein. Nick hat auch schon sein Einverständnis bekundet, was ein drittes Kind angeht, aber mehr? Wie soll das finanziert werden? Eng wird es jetzt schon, wenn sie verreisen wollen, und es soll ja nicht immer der Stellplatz mit Wohnwagen und Zelt bleiben.

Er nimmt die kleine Anna auf den Arm und umarmt gleichzeitig seine Frau. Dann löst er sich wieder und geht mit Anna zu Noah, dem Jüngsten, hin, um auch ihn gebührend zu begrüßen. Noah macht gute Fortschritte, und er besteht mit Geschrei darauf, auch in den Arm genommen zu werden. Für Nick kein Problem, und nun schleppt er beide Kinder ins Wohn- und Esszimmer.

Petra bringt die dampfenden Nudeln und die Soße aus der Küche.

„Schön, dass der Rückweg leichter war als der Hinweg“, stellt sie eher vermutend als wissend fest und sieht fragend in seine Augen.

„So ist es, Petra. Es war der reinste Horror. Aber ich habe etwas Tolles erlebt.“

Sein Blick geht durch das Wohnzimmer mit den Möbeln aus dem Möbelhaus. Es war nicht unbedingt sein Geschmack, aber er konnte seine Wünsche nicht bei seinem Gehalt umsetzen. Das würde noch etwas dauern. Außerdem konnte jetzt mit zwei kleinen Kindern alles zuerst einmal aufgebraucht werden. Später war wohl mehr möglich. Noah, der kleine Junge, hangelt sich ihm schon entgegen, was, wie Nick meint, für einen Einjährigen schon eine gute Leistung ist. Noah ist ein Sonnenscheinkind, immer vergnügt und immer bereit, die Arme zu öffnen, wenn er ruft: „Wer hat den Papa lieb?“ Dann gibt es auch schon einmal kleine Eifersüchteleien mit der Schwester, aber das hält nie lange an.

Nick wäscht sich die Hände. „Und dann ab zum Abendbrot!“, ruft er vergnügt, während ihn Petra fragend ansieht. „Was hast du denn so Tolles erlebt?“. Er klopft auf seine Tasche und grinst. „Erzähle ich beim Abendbrot“, flüstert er ihr zu.

Sie sitzen um den Tisch herum. Der kleine Noah neben Petra auf dem Hochstuhl, Anna neben ihrem Papa. Petra hat Rührei und gemischten Salat gemacht, dazu gibt es Toastbrot und Käse. Alle trinken Tee. Das haben Petra und Nick so vereinbart, dass sie am Tisch mit den Kindern nie Alkohol trinken werden. Vorbildfunktion.

„Nun, was war, Papa?“, fragt diesmal Anna. „Was hast du erlebt?“ Sie erwartet, dass es wieder Geschichten vom Autokauf sind, die Papa erzählen wird. Das macht er gerne, und Anna fragt ihn dann immer genau aus.

„Diesmal geht es nicht um Autos, Anna. Da gab es einen großen Asteroiden, der von ganz, ganz weit hergekommen ist. Noch weiter als der Mond. Und noch weiter als die Sonne. Ein Asteroid ist großer Brocken, der durch den Himmel fliegt. Und heute Morgen hat die Erde ihn genau über Hamburg eingefangen. Das war vielleicht ein Schauspiel. Sogar im Radio haben sie davon berichtet. Der große Brocken ist dann auseinandergebrochen, und einige Stücke sind über Hamburg nach unten gefallen. Und genau da war ich mit dem Auto unterwegs, ganz in der Nähe des Flughafens.“

„Und das ist alles?“, fragt Petra enttäuscht. „Ich dachte schon, dass du mir ein Stück davon mitbringst, so aufgeregt, wie du bist.“

„Da gibt es noch mehr zu erzählen, bevor ich ein Geheimnis lüfte“, fährt Nick unbeeindruckt fort. Er wendet sich wieder Anna zu. „Da stand ich also im Stau. Und neben mir fährt eine junge Frau, die offensichtlich nicht wusste, wie sie den großen Stau umgehen kann. Ich habe sie gefragt, wo sie hinwill und dann vorgeschlagen, dass sie mir einfach folgt. Ich war für sie so eine Art Verkehrspolizist, der ihr den richtigen Weg zeigte.“ Petra wird schon aufmerksamer, wie Nick bemerkt. Seit der Geburt von Noah ist sie etwas rundlicher geworden, obwohl sie ständig Gymnastik macht. „Das sind die Nachwehen der Geburtshormone“, meinte der Gynäkologe. „Das gibt sich wieder.“ Aber seitdem ist Petra der Meinung, sie sei für Nick nicht mehr attraktiv genug. Dass er sich als Verkehrskavalier für eine junge Frau betätigt, macht sie unruhig.

„Wie wir da hinter dem Flughafen sind, sehen wir, wie eine glühende Spur vor dem Zaun endet. Das konnte doch durchaus ein Stück von dem Meteoriten sein. Also halten wir an und rennen zum Zaun hin. Und wirklich! Da war ein Stück des Meteoriten heruntergekommen und steckt im Boden fest. Es war so heiß, dass der Boden dampfte. Aber ich konnte es schließlich rausbuddeln. Und das ist die große Überraschung des Abends! Achtung! Hier ist es!“

Er greift in seine Tasche und zieht das Stück Eisen hervor und legt es auf den Tisch. Anna will es sofort in die Hand nehmen. „Vorsicht, Anna, da ist eine scharfe Kante. Sonja Schwenk und ich haben uns das Fundstück geteilt. Jeder hat etwas davon abbekommen. Also Vorsicht damit.“

Petra sieht ihren Mann genau an, kann aber keine Verlegenheit erkennen. Offenbar ist Anja Schwenk keine Bedrohung. Nick scheint glücklich und zufrieden. Sie nimmt das unförmige Metallstück in die Hand und betrachtet es genau.

„Das sieht aber nicht ungewöhnlich aus und ist sogar warm. Du hast es bestimmt an deiner wärmsten Stelle transportiert, oder?“, stellt sie fest und fügt schnell hinzu: „Und das ist ein Stück eines Meteoriten?“

„Ja“, betätigt Nick. „Im Radio haben sie gesagt, dass es sogar eine Belohnung gibt, wenn man es der Behörde gibt. Den Astronomen, glaube ich. Zwei Euro pro Gramm. Aber das gebe ich doch nicht her. Das behalten wir und stellen es in unsere Vitrine. Damit können wir angeben!“ Er lächelt Anna zu, die gerne mit ihren Sachen angibt. „Aber du hast recht. Es ist warm. Liegt wahrscheinlich an meiner inneren Wärme. Soll ich dir eine warme Stelle zeigen?“

Petra muss lächeln. Es scheint ein entspannter Abend zu werden.

„Und du hast die Adresse von dieser Sonja?“, fragt Petra, während sie zusammen mit Nick abräumt.

„Klar, sie hat doch auch einen Teil des Fundes. Und ein so seltsames Ereignis ist doch bedeutsam. Wo habe ich sie denn?“ Er sucht in seiner Jackentasche und findet die Telefonnummer. „Ich habe nur die Telefonnummer von ihr“, stellt er fest. „Vielleicht wollen wir das Fundstück ja wieder zusammenfügen. Es sah aus wie eine plattgedrückte Hantel.“ Er nimmt Petra in den Arm. „Vielleicht wirst du sie ja auch nett finden. Dann hat du eine Freundin mehr.“

Der Gesichtsausdruck Petras sagt ihm etwas Anderes.

„Da war noch etwas“, erklärt Nick. „wir haben uns beide an dem Fundstück leicht verletzt. Es ist nur ein Kratzer. Sieh mal!“ Er schiebt den Ärmel hoch. Es ist wirklich nur ein Kratzer, kaum mehr zu sehen.

Petra nimmt das Fundstück noch einmal in die Hand. „Das Eisen scheint immer noch warm zu sein, obwohl es nun schon etwas länger auf dem Tisch liegt. Fühl mal.“ Nick nimmt es in die Hand. „Das kommt wohl, wie du schon festgestellt hast, von meiner eigenen Haut“, scherzt er. „Wenn ich dich sehe, wird mir sogar heiß!“

„Wenn das so ist, sollten wir später etwas zum Abkühlen unternehmen“, schlägt Petra vor, und sie ist froh, dass Nick darauf sofort anspringt. „Lass uns Nachrichten sehen, sobald die Kinder im Bett sind. Vielleicht bringen sie etwas von dem Meteoriten.“

Die Nachricht über das Ereignis ist kurz.

„Die Fachleute gehen davon aus, dass es sich um einen etwa 5 kg schweren Himmelskörper gehandelt hat, der über Norddeutschland in der Atmosphäre zerbrochen ist. Das Schauspiel am Himmel wurde von Millionen Menschen beobachtet. Bisher führten die Bemühungen der Astronomen, an die Bruchstücke zu gelangen, zu keinem Erfolg. Es wird versucht, die Flugbahn des Asteroiden nachzuvollziehen, um erkennen zu können, wo sein Ursprung lag.“

Das ist alles. Das platte Metallstück liegt immer noch auf dem Tisch. Petra findet es so faszinierend, dass sie den Blick nicht von ihm wenden kann. Sie berührt es wieder mit den Fingern.

„Nick, das Eisen ist immer noch warm.“ Ihre Stimme klingt verwundert. „Aber nicht so heiß wie du bist. Los, lass uns eine lange private Sitzung im Bett machen. Das täte uns beiden gut, zumal unsere kleinen Racker endlich eingeschlafen sind.“

Nick nimmt sie in den Arm, küsst sie in den Nacken. „Dein Wunsch ist mir Befehl!“, meint er mit weit geöffneten Augen und beschleunigtem Atem. „Wo packen wir das Stück hin?“ Er zeigt auf das Meteoritenstück. „Wieder in die Vitrine?“ Dann erinnert er sich and en Wunsch seines Chefs, es in der Firma auszustellen. Als er das Petra erzählt, stößt das sofort auf Widerstand. „Auf keinen Fall, Nick. Erinnerst du dich noch an deinen Fund in dem alten Ford? Das Stück war am nächsten Tag verschwunden, und keiner hat irgendetwas gesehen oder mitgenommen. Einfach weg. Und das soll mit diesem Fund nicht passieren.“

Nick erinnert sich gut. Bei der Inspektion eines alten Ford hatte er eine sehr alte Anstecknadel gefunden, die als Rarität galt. „Das kommt in die Besuchervitrine“, hatte der Chef verfügt. Am nächsten Tag war sie weg.

„Du hast Recht“, stellt er fest. „Das Teil bleibt hier. Und nun ab ins Bett.“

Petra greift nach dem Metallstück, während Nick nach ihrem Hintern greift. Ihre Hand rutscht ab und erschrocken stößt sie die Luft aus. „Nun habe ich mir auch einen Ratscher zugezogen, Nick. So teilen wir eben alles.“ Nick lacht. „Alles. Das hört sich gut an. Ab ins Bett. Da gibt es noch mehr zu teilen.“

Er schaltet den Fernseher aus und pustet dann über Petras Hand, die einen kleinen Hautriss aufzeigt. Er nimmt das Metallstück und legt es in die Vitrine. „Du hast Recht, es ist immer noch warm. Merkwürdig. Da sollten wir mal nachfragen, warum das so ist. Metall sollte doch ganz schnell abkühlen.“

Ergreift nach Petras Hand und zerrt sie zur Tür. Sie lacht kurz auf, freudig erregt. Es ist ihr Nick! Dann verschwinden sie im Schlafzimmer.

Sonst hat Sonja es etwas schwerer, ihn abends von seinen Hobbys wegzulocken. Er liebt Autorennen über alles, und wenn es in Monte Carlo, auf dem Nürburgring oder sonst wo in der Welt ein Rennen gibt, und sei es mitten in der Nacht, er ist dabei. Sonja zieht es dann vor zu schlafen, sie findet es ermüdend, den Autos immer wieder in den gleichen Kurven und Geraden zuzusehen. Sie würde die Zeit lieber nutzen, um mit Sexfilme zu sehen, die anregend sind. Kein Hardcore, keine Gewalt, keine Peitschen oder primitive Dialoge. Eher so die sanfte Art, die auch neben der Erotik Witz und Spannung kennt. Beide sind für Bondage und Dominanz offen, sofern es als Rollenspiel abläuft. Petra kennt mehr Knoten als Nick, aber er ist ein überzeugender Dom in seinen Spielszenen. Sie haben schon die eine oder andere Situation aufgenommen und finden es anregend, sich auch das ab und zu anzusehen.

Jedenfalls steht heute Abend wieder ein kleines Abenteuer an, und Petra hat sich schon ausgemalt, was sie diesmal mit Nick anstellen wird. So wird es keinem langweilig in der Beziehung. Morgen kann er sich dann wieder seinem Job und seiner Briefmarkensammlung, natürlich Autos und Rennfahrer als Spezialgebiet, zuwenden.

Jetzt und heute zählt nur das Gemeinsame.

Die Botschaft

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