Читать книгу Tranquillitatis - Karlheinz Vonderberg - Страница 18
9.März, 14.46h
ОглавлениеHerlith fuhr mit dem privaten Fahrstuhl in den 205ten Stock, wo ihre Räume lagen. Eine ganze Etage nur für sie! Jeder der wichtigen Entscheidungsträger hatte eine Etage für sich. Sie passierte die Sicherheitsüberprüfungen und betrat ihre Wohnung. Die ersten Zimmer waren so eingerichtet, dass sie sich wie zu Hause fühlte. Viele schöne Skulpturen aus Polynesien waren in einem Pflanzenmeer so verteilt, dass sie sich richtig wohlfühlte. Temperatur und Luftfeuchtigkeit entsprachen der Insel, von der sie kam.
Herlith atmete durch und konzentrierte sich auf ihre Aufgabe. Dann betrat sie den größten Raum ihrer Wohnung, der mit technischen Geräten vollgestopft war. Verschiedene Computer und spezielle Rechner waren so angeordnet, dass sie mit dem rollenden Arbeitsstuhl schnell von einem zum anderen gelangen konnte. Das Besondere aber war, dass alle Geräte sprachgesteuert waren. Das war ein großer Luxus, den sie sich aber leisten konnte. Zwei der großen Rechner waren untereinander, aber weder mit anderen noch mit dem Modem, das nach außen führte, verbunden. Hier befanden sich die geheimsten Dateien, an die niemand sonst gelangen durfte. Die Luft im Raum war trocken und mäßig warm, ideal für die Geräte.
„Privat 1“, sprach sie in den Raum, „aktivieren. Privat 2 aktivieren. Arbeit 1 aktivieren.“
Leises Summen ertönte, dann bestätigten die Rechner ihre Bereitschaft.
Herlith öffnete die Unterlagen.
„Arbeit 1. Verbindung mit Zentralrechner CALC1. Lade Datei MOND.GRAVI.“
„Schlüssel erforderlich“, kam die Antwort. „Schlüssel über Tastatur eingeben. Zeitfenster 10 Sekunden ab jetzt.“
Herlith setzte sich an die Tastatur und gab das erste Schlüsselwort ein, verlängert um ihre eigene geheime Signatur. Vor zwei Jahren hatte sie auf einem Hackerkongress demjenigen 100.000$ geboten, der es schaffte, diese Verschlüsselung innerhalb von drei Tagen zu knacken. Es gab keinen Sieger. Seitdem testete sie auf diesem Weg immer die Sicherheit der Systeme.
„Weiter!“
„Datei MOND.GRAVI geladen!“
„Verschiebe MOND.GRAVI auf Privat 1 und schließe Zugang zu CALC1.“
„Verschoben und geschlossen.“
„Privat 1. Öffne MOND.GRAVI mit folgendem Schlüssel.“
Sie diktierte Buchstaben und Zahlen, die sie ihren Unterlagen entnahm und fügte ihren zweiten geheimen Schlüssel hinzu.
„Datei entschlüsselt. Monitor frei.“
Sie setzte sich vor den Rechner und las die Datei. Alles, was bisher über das Mondgeheimnis gefunden worden war, stand dort. Zuletzt öffnete sie die Datei CHATROOM1 und las, was Tim und Ling besprochen hatten.
Sie hatte ein fast fotografisches Gedächtnis und erkannte sofort, worum es ging: Eine Mission zum Mond und das Geheimnis der Zahlenwerte.
„Arbeit 1 öffnen! Zugriff auf Arbeit 2 und Paket Astronomie.“
Die Bestätigung erfolgte sofort.
„Durchsuche alle gespeicherten Rechner nach Daten mit Ziffernfolgen 0137741 und 05137741. Lege für Ergebnisse die Datei Prim-Mond1 an.“
„Geschätzte Arbeitszeit 8 Stunden“, kam die Antwort.
„Arbeit 2 öffnen.“ Ein Summen ertönte, dann die Bestätigung. „Durchsuche NASA-Hauptrechner nach aktuellen Aktivitäten zum Thema Mondlandung. Ergebnisse auf CD festhalten.“
Nach der Bestätigung rief Herlith ein neues Programm auf, das ihr half, die möglichen Konsequenzen von neuer Gravitationstechnik abzuschätzen. Dabei wurde nach Informationen gesucht, die mit dem Stichwort zusammenhingen. Nicht nur wissenschaftliche Werke wurden durchsucht, sondern auch alle verlegten Bücher, in denen dieses Stichwort vorkam.
Herlith sah die Flut von Infos über den Bildschirm huschen.
„Begrenze Ergebnisse auf die Verbindung Gravitation und Technik“, befahl sie.
Nun wurde der Strom an Funden langsamer, bis er stoppte.
„Informationen gesammelt und unter Grav1 gespeichert.“
„Kombiniere Grav1 mit Physik und Realisierbarkeit.“
„Zeitbedarf liegt bei etwa 5 Stunden“, meldete sich Arbeit 1.
Herlith hatte Zeit. Es gab noch viel zu tun, und in die nächsten Stunden huschte sie von einem Arbeitsplatz zum anderen. Was ihr am meisten Spaß machte, war die Folgenabschätzung für neue Vorhaben, und hier sah es so aus, dass bei Erfolg ein riesiger Gewinn zu erwarten war. Der gesamte Transportsektor würde bei Lösung des Gravitationsproblems neu geordnet werden, alle Produktionsprozesse, die durch die Anziehungskraft der Erde beeinflusst waren, könnten in ungeahnter Weise beschleunigt werden. Es gab so viele Aspekte, die sich auftaten!
Wenn, ja wenn sie die Technik in die Hand bekämen. Die Folgerung, die Herlith daraus zog, konnte von keinem Computer ermittelt werden. Das war Intuition! Das war ihre Stärke!
„Niemand darf vor uns auf dem Mond sein. Wir müssen die Ursache der Gravitationsphänomene finden und uns die Technik sichern. Koste es, was es wolle!“
Sie sah die Vorgehensweise ganz klar vor sich und zog schon Schlüsse. Langsam ließ sie ihre Hand über ihr Seidenkleid rutschen. Das machte sie immer, wenn sie intensiv nachdachte. Die glatte, weiche Seide vermittelten ihr das Gefühl, Wasser zu spüren. Seit sie zum ersten Mal die CD „Vier Jahreszeiten in den Gärten von Kyoto“ gehört hatte, ließ dieses Gefühl, mit dem Wasser verwandt zu sein, nicht mehr nach. Es half ihr in jeder Situation. Ja, sie war mit diesem Element verwandt. Mike war eher ein Feuer-Typ, dachte sie. Wolfhardt ein Erd-Typ und Ferenzi der Luft-Typ. Mike Salbowski hatte die vier Elemente der griechischen Philosophie um sich versammelt, und mit einem bösartigen Lächeln fügte sie für sich hinzu, dass mit Conny aus Kanada auch das Holz-Element der chinesischen Philosophie vorhanden war. Ja, es war schon eine sehr merkwürdige und effiziente Truppe, die da zusammengekommen war.
„Verbindung zu Mike Salbowski herstellen. Höchste Sicherheitsstufe.“
„Verbindung steht.“
Mike meldete sich sofort. Herlith berichtete schnell von ihren Ergebnissen und Überlegungen. Niemand darf den Mond vor CALCAG erreichen! Sie nannte die vorläufige Schätzung eines möglichen Gewinnes.
„Hast du eine mögliche Raumfahrt mit dieser Technik schon eingerechnet?“, wollte Mike wissen.
„Dafür gibt es momentan keine nachvollziehbaren Ansätze. Ohne die kann ich nicht kalkulieren.“
Mike nannte ihr ein paar Ideen, die sie sich sofort merkte. Es war klar, dass sie das überprüfen würde.
„Ich stimme zu, dass alle Maßnahmen getroffen werden müssen“, beendet Mike das Gespräch. „Wir müssen uns vordringlich um Ling und Tim kümmern. Es sieht aus, als wären das die beiden Astronauten für die erste Mission. Diesem Plan stimmen die USA und China zu, der Rest der Welt hat dann zu schweigen! Aber wir nicht! Gib mir Bescheid, wenn die anderen Resultate vorliegen. Persönliche Kommunikation im Zentrum.“
Damit war das Gespräch beendet. Herlith wusste, dass nun keine erfolgreiche Mondmission zu erwarten war.
Sie bestellte aus der Hauptküche das Abendessen, das mit dem eigenen Speisenaufzug bis zu ihrem Wohnungseingang gebracht wurde. Diesmal war es vegetarisches Essen. Dazu gab es einen guten Rotwein aus dem Norden Spaniens. Sie bevorzugte zwar chilenische oder australische Rotweine, aber zu vegetarischen Gerichten war der schwerere spanische Wein geeigneter. Während sie aß, meldet sich Rechner Arbeit 2.
„Ergebnisse zur Suche NASA liegen vor“, meldete sich die sanfte Stimme. „Möchten Sie die Ergebnisse lesen oder hören?“
„Hören!“
„Startvorbereitungen für Mondprojekt NASA – Hainan laufen seit vier Tagen. Rakete betankt und einsatzbereit. Vorbereitung für zwei Personen. Einsatz Landefähre in 13 Tagen möglich. Countdown für Projekt ist festgesetzt auf 15 Tage 12 Stunden 9 Minuten. Leiter des Projektes ist Dr. Morrison. Geheimhaltungsstufe: hoch. Verbindung nach anderem Projekt in Europa mit Codebezeichnung Euro-Luna-Alpha kann nicht verifiziert werden, ist aber mit hoher Wahrscheinlichkeit projektiert. Soll ich weitere Angaben berichten?“
„Ausdrucken und speichern unter Mond-NASA-01. Informationen zu Euro-Luna-Alpha suchen. Höchste Priorität. “
„Auftrag speichern und drucken erledigt. Suche Zugang zu Euro-Kontrol ESA.“
Kurz darauf meldete sich Rechner 1.
„Suchergebnisse zu Grav1 mit Physik und Realisierbarkeit liegen vor. Möchten Sie die Ergebnisse lesen oder hören?“
„Hören!“
„Überprüfbarkeit für Gravitationsprojekt brachte 22345 Treffer, von denen 788 eine Wahrscheinlichkeit über 70% haben. Projektliste liegt vor. Geschätztes Verhältnis Gesamtvolumen an benötigten Mitteln zu erwarteten Einnahmen liegt bei 0,004. Weitere Einzelheiten berichten?“
„Nein. Alle Projekte über 70% Realisierbarkeit ausdrucken und alle Dateien abspeichern unter Mond-Grav-01. Berechne Anteil der benötigten Mittel an verfügbarem Kapital CALCAG.“
Sofort kam die Antwort.
„Anteil der benötigten Mittel liegt bei 7,45%.“
Herlith musste schlucken. Noch nie hatte ein Projekt derartig große Geldmittel verschlungen. Sie überlegte.
„Ermittelte Daten mit höchster Sicherheit codieren und weitersenden an Zentralrechner. Zusatzcode herltih-alpha-02-Proj.“
„Verschlüsselt und übermittelt. Wer soll Zugriff haben auf die Daten?“
„Nur der Administrator. Rechner 1 Ende.“
Herlith machte sich bereit, um mit Mike Salbowski und den anderen Mitgliedern des innersten Zirkels zu reden. Es gab vieles zu organisieren.