Читать книгу Tranquillitatis - Karlheinz Vonderberg - Страница 23
26. März, 19.15h
ОглавлениеWu-Shi traf sich mi ihnen in einem abhörsicheren Raum. Auch er legte großen Wert darauf, Geheimnisse zu wahren, zumal wenn sie im Zusammenhang mit diesem missglückten Versuch der CALCAG standen, den Mond zu erreichen. Das alles war schon Grund genug für Spekulationen, die wie Pilze bei mildem Regen im Mai aus dem Boden schossen. Er begrüßte Ling und Tim mit einem freundlichen Lächeln, das aber auch große Neugierde ausdrückte. Sie setzten sich an einen Tisch, dann begannen die beiden abwechselnd, ihre Ideen und Vorstellungen zu berichten. Er hörte ihnen zu, stellte ab und zu eine Frage, nickte ein paar Mal und stimmte dann zu. Er gab das Problem ohne jede weitere Erörterung sofort an seine Techniker weiter. Er meinte, zumindest für vereinfachte Annahmen von Gravitationswellen sollte es möglich sein, geeignete Vielfache zu erzeugen, wenn der Multiplikator groß genug war. Schließlich wusste auch er, dass Gravitationswellen extrem langwellig waren.
„Da ist noch ein anderes Problem“, meinte er, als Tim und LIng schon aufstehen wollten. „Wir müssen das lösen, bevor der Start erfolgen kann.“
Ling und Tim schauten ihn fragend an.
„Die europäische Rakete hat in letzter Sekunde einen Flugkörper ausgestoßen, der nun den Mond umkreist, und zwar so, dass er immer über das Mare Tranquillitatis fliegt. Wir wissen nicht, um was es sich handelt. Ein Orbiter, der neue Messwerte ermitteln soll? Ein Spionagesatellit, der verhindern soll, dass irgendwelche Aktivitäten dort unentdeckt ablaufen? Außerdem könnte der Flugkörper euren Abstieg dort behindern. Wir müssen die genaue Flugbahn kennen, um euren Flug zu sichern. Aber wir arbeiten daran.“
„Was sagt die ESA dazu?“, wollte Tim wissen. Normalerweise wurden solche Inhalte immer bekannt gegeben. Dass dies nicht geschehen war, war seltsam. Wu-Shi zog eine Augenbraue hoch, um sich genauer erinnern zu können. Das war ein Trick von ihm, denn er war alles andere als vergesslich.
„Wir haben von der ESA folgende Auskunft erhalten: Der Flugkörper wurde im Auftrag der CALCAG in die Umlaufbahn geschickt. Von ihr haben wir bisher keine besonders aussagekräftigen Informationen erhalten. Es soll sich um Routinebeobachtungen handeln, was immer das umfassen mag. Da die CALCAG Mitbesitzer der ESA ist, wird es kaum mehr Informationen geben, fürchte ich.“
Es war ihm anzusehen, dass er das Problem nicht auf die leichte Schulter nahm. Sein Zorn auf die ESA schien noch um einiges gewachsen zu sein. Er hatte noch nie viel von diesem zerstrittenen Club gehalten, der nur dann aktiv werden konnte, wenn sich die beteiligten europäischen Nationen zufälligerweise einmal einigen konnten. Auf dieser Grundlage konnte man keine Raumfahrt betreiben.
„Merkwürdig, dass die ESA so kurzfristig einen privaten Flugkörper übernimmt“, warf Ling ein. „Selbst wenn die CALCAG dort ihre Finger im Spiel hat, ist das merkwürdig. Diese Sachen stehen doch nicht einfach so herum. Außerdem verfügen die doch über keine besonderen Erfahrungen im All.“
„Weit gefehlt“, stellte Wu-Shi klar. „Die CALCAG hat überall ihre Hände im Spiel, wo Profit lockt. Denkt an die Hyperschlafkabinen, auf die sie praktisch das Monopol haben. Und hier ist es doch offensichtlich, dass auf dem Mond fremde Technik vorliegt. Dahinter steckt viel an möglichem Gewinn, wenn nicht noch mehr. Vielleicht wollen sie sich diese unbekannte Technik einverleiben, wer weiß?“
Dann überlegte er einen Moment, bevor er weitersprach. Sein rundliches Gesicht drückte Unruhe aus. Er trommelte wieder leicht mit den Fingerspitzen auf der Tischplatte. Das war ein Zeichen hoher innerer Anspannung.
„Was ich euch jetzt sage, ist streng geheim. Die USA und China wollen, dass ihr möglichst schnell auf den Mond kommt. Am besten noch heute, denn derjenige, der dort landet, kann auch das Recht für sich beanspruchen, alles zu besitzen, was es dort zu finden gibt. Der Mond ist international geschützt. Er gehört der Menschheit, aber das gilt nicht für das, was nicht schon immer zum Mond gehört hat. Diese fremde Technik ist dort wohl irgendwann hingebracht worden, unterliegt also nicht dem Abkommen über den Mond.“
„Dann wollte die CALCAG sich also diese Rechte sichern“, stellte Tim fest. „Aber muss das nicht ein Mensch sein, der Besitzansprüche erheben kann?“
„Das ist ungeklärt, und daher hätte die CALCAG sich immer mindestens einen Teil der Technik einverleiben können. Das ist das moderne Raubrittertum! Außerdem fürchten wir, dass es dort auch unbekannte Waffen geben könnte, die dann in die falschen Hände fallen könnten. Das kann nur verhindert werden, wenn ihr als Erste dort landet. Nun wisst ihr, welcher Druck auf uns lastet. Wir müssen den Starttermin einhalten, und diesmal darf es nicht wie bei der NASA eine Raketenpanne geben.“
Jetzt erst stellte er fest, dass sich Ling besonders gekleidet hatte. Er sah die Drachenmuster in grüner und goldener Stickerei, lächelte zum ersten Mal und wandte sich Ling zu.
„Als ich meine Frau kennen lernte, trug sie auch ein solches Kleid. Nicht ganz so kostbar wie dieses, aber so ähnlich. Es sieht wunderschön aus. Ling. Leider wirst du damit nicht zum Mond fliegen können, obwohl das sicher jeden Außerirdischen beeindrucken würde!“
Ling errötete etwas. Es war selten, dass Wu-Shi Komplimente machte. Tim ärgerte sich, dass es nicht von ihm selbst gekommen war.
„Einer Panne, die der CALCAG sehr gut gepasst hat, wie es scheint“, stellte Ling fest und griff den Faden des Gespräches wieder auf. „Aber das ist eine Vermutung, die sich nicht beweisen lässt. Konzentrieren wir uns auf den Start. Tim und ich sind bereit, wenn die Technik es auch ist. Wir kennen das Risiko, das wir eingehen. Aber wir verlassen uns auf die Logik, die in den Zahlen steckt.“
Wu-Shi nickte zufrieden. Das hatte er erwartet.
„Wir bleiben im Plan und warten die Ergebnisse der Technik ab. Ich bin da guten Mutes. Geht noch einmal das volle Programm durch, absolviert jeden Abschnitt im Simulationsraum, bis ihr ihn im Traum beherrscht. Es darf nichts schief gehen. Nehmt Kontakt zu den Physikern auf, die sich mit eurem Wellenproblem beschäftigen.“
Damit war das Gespräch beendet. Tim und Ling mussten zum Training.