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Tag 2 A, Hetaba

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„Nun müssen wir uns um Essen kümmern“, meinte Tim, als sie nach vielen Stunden wieder aufgewacht waren. Der Schlaf hatte ihnen gutgetan, und sie fühlten sich etwas kräftiger. Nun spürten sie immer stärker, wie sehr der Raumanzug sie behinderte. Ihre Uhren funktionierten immer noch nicht, daher verließen sie sich auf ihr Körpergefühl, denn die Räume waren immer vom gleichen Licht erfüllt. Tim war der Erste, der daran erinnerte, dass sie keine Toilette zur Verfügung hatten. Diesem Problem mussten sie sich demnächst wohl stellen. Doch seltsamerweise drückte die Blase nicht, wie sie es auf der Erde nach dem Schlafen immer getan hatte. Ling witzelte, es sei wohl ein Effekt des imaginären Wassers, dass sie auch nur imaginären Urin hätten. Tim war da nicht so direkt, konnte den Gedanken aber nachvollziehen. Blieb nur die Frage, ob man mit imaginärem Wasser ganz realen Schweiß abwischen konnte! Er meinte, dass sie etwas streng rochen! Ling hielt sich demonstrativ die Nase zu.

Sie gingen zum Stapel der Objekte und konzentrierten sich auf Nahrung. Tim dachte an das letzte Drei-Gänge-Menü, das er am Abend vor dem Start genossen hatte. Steak mit viel Kräuterbutter, eine Schüssel Salat und gebackene Kartoffel. Ling konzentrierte sich auf die Mahlzeiten, die sie mit ihren Eltern eingenommen hatte: Reisbrei mit Früchten, stark gewürztes Hühnerfleisch, Sojasprossen in saurer Soße und Maisbrot. Doch keines der Objekte leuchtete auf. Sie berührten sie und konzentrierten sich erneut. Doch wieder geschah nichts.

„Warum hat es bei Wasser geklappt?“, murmelte Ling, die schon richtig hungrig aussah. Der Gedanke an das Essen hatte es auch nicht besser gemacht.

„Vielleicht liegt es daran, dass Wasser etwas Universelles ist, bestimmte Nahrung aber etwas ganz Typisches für einen Planeten“, meinte Tim nach kurzem Überlegen. „Du weißt doch, dass es gelungen ist, Wassermoleküle fast überall im Universum nachzuweisen. Das ist mit Steak leider nicht gelungen.“

„Mit gewürztem Hühnerfleisch auch nicht“, fügte Ling hinzu. „Ich kann mir aber vorstellen, dass es so eine Art Lernprogramm gibt. Als diese fremde Zivilisation die Erde besuchte, zumindest aber den Mond, kam sie vielleicht auch in Kontakt mit Menschen und ihren Bedürfnissen.“

„Nicht schon wieder diese alte Story mit den Göttern, die vom Himmel stiegen und sich den Menschen näherten“, stöhnte Tim. „Das konnte ich schon in der Schule nicht ausstehen. Das ist doch eine völlig falsche Vorstellung von fremden Zivilisationen!“

„Wie sollen wir das also vermitteln, wenn du meinst, es gäbe hier keine Kenntnisse über uns?“, fragte sich Ling. „Sicher hat das System das Wasser durch unsren Atem, unsere Haut oder durch irgendeine Reaktion bemerkt. Das kann mit Nahrung nicht klappen. Wir müssen wohl direkt zeigen, um was es geht.“

„Wie meinst du das mit dem direkten Zeigen?“, fragte Tim zurück. „Hier gibt es doch nichts, was wie Augen aussieht, oder?“

Ling griff in ihre rechte Anzugstasche und zog die Notration hervor. Sie brach die Siegel auf, zerbröselte den Nahrungsriegel und ließ die Krümel in alle Vertiefungen der Objekte fallen.

„So könnte es doch gehen, Herr Astronaut Tim, oder etwa nicht?“, fragte sie schnippisch. Männer waren eben einfach zu unbeholfen, wenn es um Fantasie ging.

Dann konzentrierte sie sich wieder auf ihr Lieblingsessen. Tim wartete gespannt. Es dauerte einen Moment, aber sie sahen, wie schwache Lichtwellen unter den Nahrungskrümeln hin und her huschten.

In der linken Wand entstand nach kurzer Zeit ein heller Fleck, der immer stärker aufleuchtete und schließlich eine Art Lücke freigab, durch die hindurch ein anderer dieser Würfel zu sehen war. Er war aber kleiner. Auf seiner Oberfläche schien es zu brodeln, ohne dass ein Geräusch zu hören war. Von oben her fiel ein starker Lichtstrahl auf die Oberfläche des Objektes, mitten in dieses Brodeln hinein. Das Licht variierte in verschiedenen Farben. Es schien zu tanzen.

Dann war alles vorbei. Auf dem Würfel lag eine dicke Masse von heller Farbe und fester Konsistenz. Sie schien über dem Würfelobjekt zu schweben. Völlig verblüfft stellte Tim fest, dass es gut roch. „Bitte!“, meinte Ling und zeigte auf die Masse. Vorsichtig griff er in die Lichtlücke und holte sie heraus. Sie fühlte sich warm und leicht körnig an.

Sofort begann der Vorgang von Neuem. Ling konzentrierte sich nun immer stärker auf die Küche ihrer Mutter und sah dem tanzenden Licht zu. Dann brach auch dieser Vorgang ab, und über dem Objekt schwebte eine anders gefärbte Masse, die auch anders roch. Ling griff nun selbst zu und holte die Masse heraus. Das Lichtfenster schloss sich.

Vorsichtig probierten sie die angebotene Nahrung und stellten zu ihrem Erstaunen fest, dass sie irgendwie so schmeckte, wie sie es sich vorgestellt hatten. Doch einige Zutaten waren ihnen unbekannt, was dem Geschmack aber keinen Abbruch tat. Vorsichtig kauten sie ein Stück der Masse, die sich im Mund langsam aufzulösen schien. Sie schluckten. Der Magen reagierte völlig normal, wie sie sofort feststellten. Schon nach einem Bissen stellte sich ein wohltuendes Sättigungsgefühl ein.

„Wenn es das ist, was ich denke, dann werden wir am Tag nur einmal hierherkommen müssen“, stellte Ling fest. „Schade, dass ich kein Analysegerät habe, um das zu untersuchen.“

Tim biss noch einmal kräftig ab. Es schmeckte wunderbar. Sie packten die Reste in das Papier der Notration ein und verstauten es in der Tasche. Jetzt erst merkten sie, dass sie keinen Durst hatten. Offenbar hatten sie auch hier schon eine Tagesration aufgenommen, ohne es zu merken. Tim klopfte Ling auf die Schulter und lobte sie wegen ihrer Idee. Sie nahm das Lob gerne entgegen und lächelte ihn an.

„Nun können wir auf Entdeckungstour gehen“, meinte Tim gut gelaunt. „Hetaba scheint uns zu erwarten.“

„Was sagst du da?“, fragte Ling erstaunt zurück. „Du sprichst von Hetaba? Was ist das?“

Tim sah sie an, als hätte sie etwas allgemein Bekanntes vergessen.

„Hetaba ist der Name der Sonne, die hier scheint. Der Planet heißt Hetaba 3, hast du das schon vergessen?“

„Das habe ich noch nie gewusst“, beteuerte Ling. „Wie kommst du auf diesen Namen?“

„Das wurde doch eben laut und deutlich gesagt, als die Nahrungsmaschine mit der Arbeit begann“, erklärte Tim verwundert. „Ganz klar und deutlich wurde gesagt, dass es Nahrung von Hetaba 3 sei.“

Ling schüttelte den Kopf. Wieder eines dieser Rätsel! Sie hatte nichts gehört. Doch nun hatte der Ort wenigstens einen Namen. Hetaba 3!

Sie sah Tim an.

„Was denkst du? Was ist passender für diesen Moment als ein Zitat meines Meisters Laotse?“

„Lass hören!“, forderte Tim sie auf.

„Man bildet Ton und macht daraus Gefäße: Auf dem Nichts daran beruht des Gefäßes Brauchbarkeit.“

Tim überlegte und antwortete mit Konfuzius: „Weisheit macht frei von Zweifeln, Entschlossenheit macht frei von Furcht.“

Ling musste lachen, obwohl sie beide die Zitate ernsthaft vorgetragen hatten. Sie waren schon ein besonderes Paar! Der Amerikaner mit dem Konfuzius -Tick und die Laotse -Schülerin aus China!

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