Читать книгу Tranquillitatis - Karlheinz Vonderberg - Страница 28

1.April, 2.10h Bordzeit Kommandokapsel

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Irgendwann hörte das sanfte Ziehen auf, und Tim und Ling fielen ganz langsam auf einen ebenen Boden. Sie wussten nicht, wieso es plötzlich keinen Sand mehr gab, der sie umhüllte und umwogte. Sie waren offenbar in einer Höhle gelandet, denn sie sahen matt schimmernde Wände, nachdem sie die Helmvisiere vom Sand befreit hatten.

„Tim?“, fragte Ling vorsichtig und leise. Ihre Stimme zitterte, und sie fragte sich, ob das Sprechsystem überhaupt noch arbeitete. „Bist du auch hier?“

„Ja, Ling“, kam die ebenso leise Antwort, der eine Mischung aus Erleichterung und Angst anzuhören war. „Ich bin auch hier, wo immer das ist. Frage mich nicht, was das alles soll. Ist deine Helmleuchte noch in Ordnung?“

Lings Hand tastete zum Helm und betätigte einen Schalter. Helles Licht flutete durch den Raum. Sie sahen die glatten, matt blau schimmernden Wände einer Höhle. Sie maß mindestens 50 Schritt in der Tiefe. Irgendwo weiter vorne gingen wohl Seitenhöhlen ab. Der dunkle Schatten dort ließ das vermuten.

„Hier kommen wir nie wieder heraus“, stellt Tim fest. „Mein Höhenmesser, der auf die Mondoberfläche geeicht ist, zeigt mir fast minus 100m an. Wie ist das möglich, dass wir hierher gelangen konnten? Hier müsste doch nacktes Felsgestein sein, wenn die Geologen richtig liegen.“

Er wischte die Sichtscheibe weiter sauber und sah Ling erst an, dann rückte er dichter an sie heran.

„Das ist jetzt nicht wichtig“, kam die Antwort. „Wir müssen die Höhle schnell erkunden und überprüfen, ob es einen natürlichen Ausgang nach oben gibt. Unsere Sauerstoffvorräte sind begrenzt. Ich habe nur noch zwei Stunden.“

Tim bewunderte Lings nüchterne Analyse und sah auf den Anzeiger der Sauerstoffflasche. Auch er hatte nur noch zwei Stunden. Er griff Lings Hand und half ihr auf.

„Los, sehen wir uns um“, schlug er vor und machte sich sofort auf den Weg. „Wenn wir nichts tun, werden wir in zwei Stunden tot sein, vorher aber sicher verrückt. Wer oder was uns hierhergebracht hat, hat vielleicht auch einen Plan, den wir nicht erkennen können.“

Ling nickte. Das entsprach auch ihren Vorstellungen. Langsam gingen sie nach vorne, in den starken Lichtkegel der Helmleuchten hinein. Ihre Batterien würden noch Tage Energie liefern. Daran mussten sie nicht sparen.

Es gab auf dem Boden oder an den Wänden keine Spuren. Sie hinterließen im feinen Staub undeutliche Schuhabdrücke. Ling ging voraus. Sie leuchteten alles ab und versuchten, so wenig wie möglich zu atmen, um Sauerstoff zu sparen. Tim sah in alle Ecken, konnte aber nichts entdecken. Selbst die Decke, durch die sie ja gekommen sein mussten, schien fugenlos zu sein. Ein Wunder? Menschen durchdringen keine massiven Decken, ohne Spuren zu hinterlassen!

Eine Höhle ging links ab. Sie sahen, dass es keine natürliche Höhle sein konnte, denn die Übergänge waren völlig glatt, wie geschnitten oder geschweißt. Sie berührten die glatten Wände und mussten feststellen, dass sie fest und massiv waren. Da fiel Tims Blick auf die Temperaturanzeige seines Anzugs. Angenehme plus 4 Grad, stellte er fest. Das waren mindestens 140 Grad weniger als an der Oberfläche. Er machte Ling darauf aufmerksam.

„Was bedeutet das, Ling?“, fragte er. „Ist das hier ein Hinweis auf fremde Intelligenzen? Und wenn, was haben wir davon, wenn unser Sauerstoffvorrat in zwei Stunden zur Neige geht?“

„Ich gehe von einem deutlichen Hinweis aus“, antwortete Ling. „Wer von der Erde hätte hier in dieser Tiefe heimlich so etwas fertigstellen können? Wir haben die Ehre, die ersten Opfer dieser Intelligenz zu werden, wie es aussieht. Durch diese Wände können wir unmöglich nach oben gelangen, falls deine Anzeige stimmt.“

Sie leuchteten die Höhle weiter aus, konnten aber nichts entdecken. Blieb noch die letzte Nebenhöhle, die am Ende der Haupthöhle nach rechts abzweigte. Der Zeiger der Sauerstoffdruckanzeige rückte auf den roten Bereich vor. „Welcher Trost sollte von einer leeren Höhle auf dem Mond ausgehen?“, fragten ihre etwas ängstlichen Augen.

Beide Scheinwerfer leuchteten die Höhle aus.

„Bingo!“, rief Tim. „Sieh dir das an.“

Die Höhle war ebenfalls mit glatten, senkrechten Wänden versehen. In der Mitte stapelten sich einige würfelartige Gebilde, die merkwürdige Auswüchse und Einbuchtungen hatten. Tim und Ling wollten um diesen Haufen herumgehen, als Tim über etwas Flaches stolperte.

„Da lieg noch etwas, Ling“, rief. „Ich hebe es schnell auf und sehe es mir an. Es gibt hier keine verdächtigen Strahlenwerte, und vor Bakterien müssen wir uns sicherlich auch nicht fürchten.“

Er bückte sich und hob das flache Ding auf. Es glich einer alten Schultafel aus Schiefer, wie er sie einmal in einem Kindermuseum gesehen hatte. Diese Schultafeln hatte er sehr praktisch gefunden. Man konnte beliebig lange schreiben und alle Fehler und Texte wieder wegwischen. Sie hielt lange, war leicht herzustellen, verbrauchte keine Bäume, um Papier herzustellen und verzieh alle Fehler. Das merkwürdige Gebilde war leicht. Er lächelte, als er daran dachte, dass an der Tafel im Museum mit einem Band auch noch ein kleines Schwämmchen festgemacht war. Das fehlte hier. Doch die Tafel strahlte etwas Vertrautes aus, ohne dass er es genauer sagen konnte.

Diese Tafel war außerdem aus einem anderen Material, das er nicht kannte. Es war sehr leicht, offenbar sehr dicht und tiefschwarz. Er konnte es nicht biegen, und wenn er dagegen klopfte, vibrierte es nicht.

„Die hätte ich gerne auf die Erde mitgenommen“, dachte er. „Welch ein besonderer Fund. Ob nun auch noch irgendwo kleine grüne Männchen auftauchen, die uns begrüßen werden?“

Doch er schob diesen kindischen Gedanken sofort zur Seite. Die Situation war zu ernst. Er sah zu Ling, die immer noch vor diesen merkwürdigen Quadern stand, die am hinteren Ende der Höhle aufgetürmt waren, dann wandte er sich wieder der Tafel zu. Ihr Rand war leicht verdickt und zeigte merkwürdig geformte Einkerbungen. Tim wischte sie sauber und sah sie sich genauer an. Der dünne Staubschleier fiel langsam zum Boden, deutlich langsamer als auf der Erde.

„Ob das Einkerbungen für Hände oder Finger sind?“, fragte Tim und zeigte Ling die Tafel.

„Mir scheint eher, dass sie etwas aufnehmen sollen“, antwortete Ling und betrachtete alles genauer. „Sieh mal hier, das sind nicht nur Einkerbungen, sondern auch verschiedene Vertiefungen.“

Sie dreht die Tafel so, dass das Licht ihrer Helmlampe nun genau auf die Tafel fiel. „Merkwürdig, dass wir als erste Menschen ein Objekt aus einer anderen Kultur finden, und alles, was uns dazu einfällt, ist der Vergleich mit einer alten Schultafel.“

„Das Geheimnis werden wir nicht mehr lösen“, gab Tim zurück, „denn wir haben nur noch für eine Stunde Sauerstoff.“

„Selbst wenn ich hier sterben sollte“, kam die Antwort, „dann sterbe ich neben den Zeichen einer anderen, fremden Kultur aus dem Weltraum. Was könnte es Größeres für die letzte Minute geben, Tim? Wir haben Dinge gesehen, die vor uns noch nie Mensch gesehen hat. Reicht das nicht? Wie langweilig waren da doch die Missionen von Apollo 12 bis Apollo 16! Sie waren nicht die ersten auf dem Mond, und gefunden haben sie auch nichts außer verschiedenen Steinformen. Wir aber haben etwas in der Hand, was von fremden Intelligenzen gemacht worden ist. Stell dir das vor! Auch wenn wir dieses Wissen nie mit anderen Menschen teilen können, so bleibt es doch ein Teil unseres Lebens. Wir sind die ersten, die wirklich wissen, dass es andere Lebensformen im Universum gibt.“

Tim betrachtete die Tafel und dachte nach. Was war nun wichtiger, das Überleben oder die Tatsachen, die Ling genannt hatte? Er sah sie an. Sie sah in diesem Anzug etwas unförmig aus, nicht wie eine junge Frau, sondern wie alle Astronauten, die diese Anzüge trugen. Und doch verbarg sich darunter Ling, die lebensfrohe, lustige, philosophische Ling. Warum musste alles hier enden, in dieser Höhle?

Er nahm sich wieder zusammen. Sie hatten gelernt, nicht zu jammern. Sie waren hier, weil sie hier sein wollten, hier auf dem Mond. Es war ihre Entscheidung gewesen. Der analytische Verstand meldete sich wieder.

„Umso mehr Grund haben wir, die letzten Minuten zu nutzen. Wenn ich mir diesen Haufen von merkwürdigen Blöcken ansehe, die auch solche Vertiefungen haben, dann könnte es doch sein, dass davon eine Kante auf unsere Tafel passt. Was hältst du von dieser Idee?“

„Probieren geht über Studieren!“, lachte Ling, die offenbar nicht darunter litt, dass ihr Sauerstoffvorrat zu Ende ging. „Wenn ich daran denke, dass wir hier für eine Ewigkeit sein werden, ohne auch nur ein wenig des Geheimnisses lüften zu können, finde ich das schon etwas ungerecht. Von diesen merkwürdigen Objekten geht etwas Kühles aus, findest du nicht auch?“

Während Tim die Tafel an die verschiedenen Kanten der Objekte hielt und nach dem richtigen Schlüssel für das unbekannte Schloss suchte, versuchte Ling, die Blöcke umzustapeln. Vielleicht lag ja etwas darunter? Sie wollte nicht einfach auf dem Boden sitzen und warten, bis der Sauerstoff zu Ende war. Es war immer sinnvoller, die Zeit zu nutzen, die einem gegeben worden war. Ihr fielen Worte von Meister Laotse ein:

„Stille: Das ist die Rückkehr zur Bestimmung.

Rückkehr zur Bestimmung: Das ist Ewigkeit.

Die Ewigkeit erkennen: Das ist Weisheit.“

Was würde sie am Ende erwarten? Weisheit? Erkenntnis? Tiefe Leere? Ling ließ das Gefühl einen Moment auf sich wirken, dann wandte sie sich den fremden Objekten zu.

Die Blöcke waren leicht und trotzdem kompakt. Sie ergriff zunächst einen, der etwas weiter abseits lag und versuchte, ihn auf die anderen zu stapeln. Doch kaum ließ sie den Block los, schwebte er zurück an seinen alten Platz. Sie sah der sanften Bewegung verblüfft zu.

„Tim, sieh dir das an!“, rief sie. „Das ist Magie. So etwas habe ich noch nie gesehen. Das sprengt die Grenzen der bisher bekannten Physik. Bewegung ohne erkennbare Kraftquelle, und das nach offenbar sehr langer Zeit! Wenn wir doch nur mehr Zeit hätten! Welches Geheimnis steckt dahinter?“

Tim sah zu, wie Ling den Block ohne erkennbare Mühe anhob und auf den Haufen setzte. Sie ließ den Block los, und sofort schwebte er wieder zurück. Sie probierte es noch einmal, wieder mit dem gleichen Ergebnis.

„Er ist mit seinem Platz nicht einverstanden“, meinte Tim. „Vielleicht stehen die Würfel untereinander in einer gewissen Beziehung, die nicht gestört werden darf. Vielleicht so eine Art dreidimensionales Puzzle, ohne dass man zunächst den Zusammenhang erkennt. Probiere einfach alle Plätze aus und drehe den Würfel. Vielleicht liegen die falschen Seiten zusammen. Noch haben wir Zeit genug herauszufinden, ob er irgendwie zu den anderen passen will oder nicht.“

Schnell und sicher probierte Ling mit dem widerspenstigen Würfel nun die verschiedenen Positionen auf den Würfelhaufen aus. Wenn der Block wegschweben wollte, hielt sie ihn fest und wechselte die Position. So machte es nun auch Tim mit seiner Tafel. Er suchte eine passende Kante bei einem der Blöcke. Ling sah ihn an und meinte, das sei wohl kein Spiel für intelligente Wesen. Warum sollte auch ausgerechnet ein Spiel hierhergebracht worden sein? Da musste doch mehr dahinterstecken, schließlich war ihre „Einladung durch Einsinken“ ja kein alltäglicher Akt. Doch sie gab nicht auf.

Als sie alle Positionen ausprobiert hatten, lehnte sie sich gegen die feste Wand.

„Wir werden das Geheimnis nicht lösen, Tim“, meinte sie traurig. „Es sind zu viele Würfel und zu viele mögliche Positionen. Vielleicht ist es auch etwas ganz anderes. Warum sollte unsere Logik hier berücksichtigt werden? Es ist doch nicht wie mit den Primzahlen. Eine räumliche Anordnung ist eine höhere Herausforderung, meine ich.“

Sie zeigte auf die Anzeige des Druckmessers. Die Nadel hing schon längst im roten Bereich, und die Zahlenwerte sagten ihr, dass sie nur noch wenige Minuten atmen konnte. Was dann?

„Nun haben wir noch einige Minuten. Deine Lampe blinkt auch schon rot. Wir sollten versuchen, etwas für die zu hinterlassen, die uns vielleicht irgendwann hier finden. Was meinst du?“

„Wir haben hier unten nur uns, Ling“, lautete die Antwort. „Wir sollten die letzten Minuten von dem träumen, was uns wichtig war. Ich bezweifle, dass je einer diese Höhle finden wird. Wie sind wir überhaupt durch den massiven Stein hindurchgekommen? Egal, nun sollten wir uns auf uns besinnen. Ich bin froh, dich getroffen zu haben, Ling. Du bist etwas Besonderes. Schade, dass wir so wenig Zeit zusammen verbringen konnten.“

„Halt“, rief Ling. „Wir leiden schon unter Denkproblemen, Tim. Das kommt von Ängsten oder vom Sauerstoffmangel. Zunächst aber will ich dir sagen, dass ich das auch so mit uns sehe. Tim und Ling, ein gutes Team! Aber zurück zu unserem Problem hier. Wir haben nicht alle Möglichkeiten probiert.“

„Nein?“ eine gewisse Skepsis schwang in Tims Stimme mit.

„Nein! Wir müssen diesen einzelnen Block noch mit deiner Tafel abgleichen, nicht wahr?“

Tim nickte. Warum war ihm das nicht schon selbst eingefallen? Ling behielt selbst in den letzten Minuten des Lebens noch den klaren Verstand und den Überblick. Er bewunderte ihre Beherrschung. Warum hatte er die Tafel nicht hier auf diesem Haufen gefunden? Warum lag sie weiter weg, so, als müsste jeder, der hier ankommt, darüber stolpern?

„So sei es denn!“, meinte er und sah, dass ihm noch für drei Minuten Sauerstoff verblieb. Nach dieser Zeit würde ein anderes Gas dem Sauerstoff beigemischt werden und verhindern, dass sie qualvoll erstickten. So sah es die Prozedur für Raumfahrer vor. Als Tim das auf der Erde erfahren hatte, fand er das etwas unpassend, aber jetzt lobte er die weise Voraussicht.

Ling holte den widerspenstigen Würfel aus seiner Ecke heraus und hielt ihn Tim hin. Er probierte die erste Kante seiner Tafel aus

Sie passte!

Sanftes Licht erschien auf der Tafel. Schnell formten sich verschiedene Symbole, die sofort wieder verschwanden und anderen Symbolen Platz machten. Kein einziges Symbol war ihnen vertraut. Nichts erinnerte an irgendeine Schrift der Erde. Es schien, als wollte die Tafel eine Unmenge erzählen, wenn man denn die Symbole und deren Bedeutung kannte. Sie starrten auf die Tafel und vergaßen, wie die Zeit floss.

Dann plötzlich kam nichts mehr.

„Sauerstoff in 15 Sekunden zu Ende“, melde sich eine leise Stimme. „Wechseln Sie umgehen den Behälter. Lebensgefahr!“

„Was wäre deine letzte Botschaft, Ling?“, fragte Tim und sah sie an. „Ich werde sie für dich auf die Tafel schreiben.“

„Das, was uns hierhergebracht hat, Tim. 181 und 761, was sonst?“

Tim hatte eine andere Antwort erwartet, einen Gruß an Wu-Shi, die Familie, das Dorf, vielleicht sogar an alle, die irgendwann nach ihnen zum Mond kamen. Aber einfache Primzahlen? Doch es war Lings Wunsch, und er wollte ihn erfüllen.

Tims müde Finger huschten über die Tafel. Er schrieb 181, wartete eine Sekunde und schrieb dann 761. Der Zeiger der Anzeige huschte auf null. Aus! Das andere Gas wurde eingeleitet.

„Das war‘s, Ling“, flüsterte er. „Danke für alles!“ Er wollte noch nach ihrer Hand greifen, in dieser letzten Sekunde wissen, dass sie zusammen waren.

Es war der 2. April, 4 h 13 m 35 sek Bordzeit. Die Sekunde, die sie von der Ewigkeit trennte.

Doch er konnte die Antwort nicht mehr hören, ihre Hand nicht mehr spüren.

Plötzlich erfasste ihn ein gewaltiger Sog, dem er sich nicht widersetzen konnte. Ein bunt schillernder Lichtreigen umfasste beide und ließ sie schweben.

Sie sahen nicht, wo sie waren und was passierte. Sie spürten nur, dass sie irgendwie reisten, sich fortbewegten.

„Wenn das die Wirkung des Giftes ist, dann ist sie wundervoll!“, dachte Tim und genoss dieses Gefühl. „So muss man vor dem Tod keine Angst haben.“

Er wollte sich schon entspannen und wieder nach Lings Hand greifen, die Augen schließen, einfach alles hinter sich lassen, als er fühlte, wie er heftig auf den Boden gedrückt wurde. Was bewirkte diese Droge im letzten Gasgemisch noch alles?

Er öffnete die Augen. Es war eine hell leuchtende Halle, viel größer als diese Mondhöhle. Ling lag neben ihm und machte nun auch die ersten Bewegungen.

„Sauerstoff noch 15 Sekunden. Sofort den Behälter wechseln. Lebensgefahr.“

Das hatte er doch schon einmal gehört! An einem anderen Ort. Wie waren sie ohne Zeitverbrauch in diese Halle gelangt? Wieso hatten sie sogar einige Sekunden gewonnen? Unterlagen sie einer Halluzination? War das der erste Teil der schnellen Reise durch das Leben, von dem Sterbende so oft gesprochen hatten? Warum dann das letzte Ereignis als erstes wiederholen? Das ergab doch keinen Sinn.

Ohne lange zu überlegen, riss Tim an dem Helmverschluss seines Anzugs. Später fragte er sich, was ihn dazu bewogen hatte. Er wusste es nicht.

Mit einem metallischen Klicken öffnete sich der Helm. Tim riss ihn vom Kopf und …atmete Luft. Seine Lungen füllten sich. Er hätte vor Freude schreien können. Sie waren an einem Ort mit Luft, mit Sauerstoff!

Er sah Lings dunkle Augen, die schon flackerten. Die Pupillen standen weit offen. So schnell er konnte, öffnete er auch ihren Helm.

Die Uhr zeigt 5 Sekunden vor Verbrauch des eigenen Sauerstoffs. Ling atmete gierig ein, ihr Brustkorb zuckte. Die schwarzen, kurzen Haare waren schweißverschmiert.

„Ling“, rief er und schüttelte sie heftig. „Wir können atmen! Wir sind an einem Ort mit Luft!“

Ling sah sich verwirrt um und atmete tief ein und aus. Sie sah die große Halle, die völlig leer war bis auf sie selbst und Tim.

„Wo sind wir, Tim?“, flüsterte sie mit einem leichten Entsetzen in der Stimme. „Was ist mit uns passiert?“

Doch darauf wusste Tim auch keine Antwort. Er suchte nach irgendeinem Anhaltspunkt, nach etwas Bekanntem, konnte aber außer den matt leuchtenden Wänden nichts finden.

„Wir werden sehen“, flüsterte er zurück, so, als fürchtete er, ein Fremder könnte ihnen zuhören. „Wichtig ist zunächst einmal, dass wir leben und atmen. Wie immer wir an diesen Ort gekommen sind, es muss zu dem uns unbekannten Plan gehören. Also ist es auf jeden Fall besser als der Tod durch Ersticken.“

Ling nickte. Erschöpft legten sich beide auf den Rücken und versuchten, wieder zu Kräften zu kommen. Tim ließ Lings Hand nicht los. Die dicken Handschuhe des Raumanzugs ließen keinen festen Griff zu, aber Ling würde es spüren.


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