Читать книгу Tranquillitatis - Karlheinz Vonderberg - Страница 32
3.April, 11.ooh
ОглавлениеZur gleichen Zeit liefen die Untersuchungen der NASA und der Chinesen auf Hochtouren. Wu-Shi sah sich immer und immer wieder die Bilder an, die die Helmkameras übermittelt hatten. Die NASA hatte für dieses spezielle Problem einen neuen Direktor eingesetzt, Dr. Miles.
Dieser Mann, ein ehemaliger Kampfflieger der Navy, war 1,84m groß, 54 Jahre alt und verheiratet. Er war Vater von zwei Kindern, die sich zum Leidwesen ihres Vaters ganz der pazifistischen Sache verschrieben hatten. Nach der aktiven Pilotenzeit studierte Miles Politik und Wirtschaft, promovierte erfolgreich und fand bei der CIA einen hoch dotierten Job. Da er gut Spanisch und Französisch sprach, leitete er verdeckte Operationen in Europa, bevor er dann zur NASA wechselte und sich ganz der Astronautik widmete. Sein graues Haar und die randlose Brille gaben ihm etwas Akademikerhaftes, aber sein analytischer Verstand war sehr praxisorientiert. Er zog das Bein etwas nach, da er vor einigen Jahren in Paris angeschossen worden war. Damals hatte seine Frau ihn vor die Alternative gestellt: Entweder ein anderer Job oder Scheidung. Dr. Miles hatte sich für einen anderen Job entschieden. Als Direktor der Abteilung für die Sicherheit der Raumflüge hatte er einen guten Ruf zu verteidigen. Wu-Shi schätzte ihn sehr, was aber auch auf Gegenseitigkeit beruhte.
Nachdem sie sich nun schon mindestens zehn Mal die Aufzeichnungen abgesehen hatten, ohne etwas Neues zu entdecken, lehnte er sich zurück und wartete auf Wu-Shis Kommentar.
„Miles“, wandte sich Wu-Shi an seinen Kollegen. „Ich kann mir darauf keinen Reim machen. Sieh mal!“ Er ließ die letzten Sequenzen ablaufen. „Fällt dir etwas auf?“
Miles sah genau hin. Er versuchte, das gesamte Bild zu erfassen, nicht nur einen Ausschnitt. Doch er konnte nichts erkennen.
„Achte auf die Zeit und die Flugdaten des Satelliten der CALCAG. Siehst du nun etwas?“
Miles setzte die Brille wieder auf und konzentrierte sich. Angezeigt waren die Entfernung des Satelliten und die benötigte Flugzeit bis zum Mare.
Erster Überflug: Tim und Ling befinden sich auf dem Weg zur Landestelle von Apollo 11. Der chinesische Computer arbeitete die Bilder der gelandete Fähre EAGLE von Apollo 11 in das Gesamtbild ein. Das galt als Anhaltspunkt für Entfernungsmessungen. Auf zwei Fenstern im großen Bildschirm tauchten die Aufnahmen von Ling und Tim auf. Alles war zeitlich synchronisiert.
Zweiter Überflug: Ling entdeckt die merkwürdige Vertiefung. Sie geht darauf zu. Unter ihren Stiefeln bewegt sich der Sand wellenförmig. Sie stürzt und Tim kommt ihr zur Hilfe. Beide rutschen in die Vertiefung und werden von Sand verschluckt.
Dritter Überflug: keine Bilder. Der Satellit stürzt ab und explodiert.
„Nun, was ist so auffällig?“, wollte Wu-Shi wissen.
Miles dachte nach. Er blendete nach und nach einige Komponenten aus und versuchte, den Rest in eine vernünftige Ordnung zu bringen. Dann bedachte er die Rolle des Satelliten, der sich der Landestelle näherte. Nun wusste er, was Wu-Shi meinte.
„Es sieht so aus, als hätte der Mond gewusst, dass der Satellit abstürzt“, vermutete er mit leiser Stimme. „Eine Rettungstat des Mondes, oder was immer dort oben Regie führte. Doch das ist Unsinn. Dann wäre das nicht der Untergang von Ling und Tim, sondern ihre Rettung. Dann müssten sie aber schon wieder vom Sand ausgespuckt worden sein, oder? Gut, dass keiner diese Überlegungen mitkriegt“, fügte er noch schnell hinzu. „Ich fürchte, wir wären unseren Ruf los.“
„Eher wohl das Gegenteil! Auf diese Idee muss man erst einmal kommen. Das ist keine Durchschnittsleistung! Ganz gut gedacht, Miles“, entgegnete Wu-Shi. „Wir sollten das aber trotzdem nicht zu laut sagen, sonst landen wir im Irrenhaus. Doch es gibt keine andere Erklärung. Der Mond ist tot! Da gibt es keine Sandbewegung. Also muss sie künstlich verursacht worden sein, genauso wie …“
„… die Anomalien“, vollendete Miles. „Aber wo sind die beiden dann? Ihre Vorräte an Atemluft lassen kein Überleben zu, wie du weißt.“
„Auch das wissen wir nicht endgültig. Wir lernen jede Minute etwas Neues dazu. Das mit dem Absturz ist kein Unfall, da bin ich sicher. Die CALCAG hat wohl andere Pläne verfolgt, denke ich. Aber das ist Spekulation.“
„Wie sollten wir nun also verfahren?“, wollte Miles wissen. „Wenn unsere Überlegungen stimmen, müssen wir andere Mitarbeiter in unsere Gedanken einweihen. Wir müssen sie sehr sorgfältig auswählen. Sie dürfen nicht nur in konventionellen Bahnen denken.“
„Wir müssen mehrgleisig handeln, Miles, mehrgleisig. Wir müssen unbedingt versuchen, an die wahren Gründe der CALCAG für diese Satellitenmission heranzukommen. Was die erzählen, ist doch ein Märchen. Und die guten Taten, die sie ankündigen, das ist doch nur Sand in die Augen streuen, wie ihr im Westen sagt. Vorrangig muss ein Roboter zur Landestelle geschickt werden, um nach Lebenszeichen zu suchen. Dann müssen wir Klarheit darüber gewinne, wieso die ESA so schnell reagieren konnte, wieso sie sogar noch vor uns im Mondorbit war. Ganz zu schweigen von der merkwürdigen Abweichung der Rakete. Auch das ist ein merkwürdiger Fakt! Du siehst, es gibt viel zu tun. Teilen wir uns die Aufgaben?“
Das war keine Frage, sondern eine Aufforderung.
„Wir sollten Dr. Hider mit ins Boot holen. Sie ist die Expertin für den Mond“, schlug er vor.
„Einverstanden. Ich werde unseren Geheimdienst auf die Sache mit der Explosion ansetzen. Der CIA kann die CALCAG durchleuchten. Ich möchte wissen, welche Experten sie für unsere Problematik haben. Ist das machbar?“
Miles nickte und wies dann darauf hin, dass eine Untersuchung der CALCAG nicht geheim bleiben konnte. Doch Wu-Shi lachte verschmitzt und meinte, das könnte man denen sogar offiziell mitteilen. „Je offener wir die Dinge betreiben, desto vorsichtiger werden sie dabei sein. Aber sie werden die geheimen Aktivitäten nicht bemerken, weil sie uns für dumm halten. Eitelkeit ist die schlimmste aller Sünden, Miles!“
Sie berieten noch einige besondere Punkte und fassten einen kurzen Bericht für die UNO und die Regierungen ab. Eine Kopie wurde unmittelbar an die CALCAG geleitet. Beide Wissenschaftler stellten ihr Team zusammen.
Wenig später ging eine Mail an Justus Frahm, den Leiter der AUG. Er erhielt die Informationen über das Verschwinden der beiden Astronauten Tim und Ling, bevor die Meldung über alle Kanäle verbreitet wurde. Haniel hatte sofort reagiert und die Meldung losgeschickt.