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Ferndilwasnochmal?

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Trudy Barber forscht schon lange über Intimität und Technologie. Als Studentin am Londoner Saint Martins College of Art and Design entwickelte sie 1992 eine der ersten umfassenden VR-Umgebungen zum sexuellen Erleben (und, wie sie stolz erklärt, den ersten erigierten Penis im virtuellen Raum). Sie arbeitete weiter an der Fertigstellung ihrer Doktorarbeit über Computerfetischismus und sexuelle Zukunftsforschung, auch heute noch ein avantgardistisches Thema. Barber ist eine kluge, lustige und aufgeweckte Person und sehr inspirierend. Ihre grenzenlose Energie und Leidenschaft sind ansteckend. Wenn sie zu sprechen beginnt, halten alle inne, um ihr zuzuhören. Barber ist eine Pionierin der Ferndildonik und die Königin der Cybersexologie – einer Methode zur Erforschung, wie Menschen unterschiedliche Technologieformen zu sexuellen Zwecken nutzen. Sie ist visionär und ich verehre sie.

Der Ausdruck Fern- oder Teledildonik ergibt sich aus der Verbindung des griechischen Worts tele für „fern“ mit allem, was mit Dildos zu tun hat. Anders gesagt handelt es sich dabei um eine Technologieform, bei der sich Sexspielzeuge aus der Ferne bedienen lassen und die es dem Nutzer oder der Nutzerin erlaubt, durch das Sexspielzeug taktile Empfindungen zu haben, die von jemand anders, der sich woanders befindet, ausgelöst werden. In der ersten Phase der VR hätte die Ferndildonik unsere Beziehungen eigentlich schon vollkommen umwälzen sollen. Das Versprechen stellte neue sexuelle Empfindungen und Fernlust in Aussicht. Leider ist die erste Welle der VR durch unhandliche Gerätschaften, langsame Datenübertragung und die ausgesprochen unerotische Bewegungs- oder auch Simulatorübelkeit gebremst worden. Doch nur, weil das Versprochene nicht ganz eingetreten war, hieß das nicht, dass die Entwickler sich beirren ließen.

Barber ist durch ihre Arbeit bei zahlreichen öffentlichen wie privaten Veranstaltungen auf der ganzen Welt zu Gast gewesen. Sie weiß viele wirklich reizende Geschichten zu erzählen. Etwa jene, wie sie einen Raum betrat, um vor einer Gruppe von Tech-Leuten des Silicon Valley einen Vortrag zu halten, und sie alle in Nervosität versetzte und rot anlaufen ließ, als sie ihr Kleid abstreifte und darunter ihren Sexanzug enthüllte. (In Wahrheit handelte es sich bloß um einen Designer-Bodystocking, der mit einem Korsett ausgestattet war, doch die Wirkung war perfekt.) Ich finde es frappierend, wenn ich mir frühes Filmmaterial von ihr anschaue, welchen Nachhall das heute noch hat. In einem Video von 1992 schwärmt sie von dem Potenzial der VR, Menschen andere Körper erfahren zu lassen, den Geschlechtertausch inbegriffen. Die Sache wurde 2014 ein weltweiter Erfolg für das internationale Kollektiv BeAnotherLab mit seinem Projekt „The Machine to be Another“. Diese „Maschine“ ließ den Nutzer glaubwürdig und überzeugend empfinden, er oder sie lebe im Körper einer anderen Person.

Vor 25 Jahren grübelte Barber über den Promikult, speziell über die Idee kopierter Identitäten und die Notwendigkeit einer urheber- und lizenzrechtlichen Regulierung. Derzeit schlägt die Geschichte hohe Wellen im Zusammenhang mit einer jüngst aufgekommenen Technologie, dem Deep Fake, bei dem Künstliche Intelligenz dazu genutzt wird, Gesichter von Pornodarstellern nahtlos durch jene von Prominenten (und unbekannten Menschen) zu ersetzen und so Sexaufnahmen zu erzeugen, bei denen jemand in der Hauptrolle zu sehen ist, der mit deren Entstehung definitiv nichts zu tun hatte.

Barber ist optimistisch und sieht großes Glückspotenzial. „Ich versuche, das Ganze nicht allzu ernst zu nehmen, weil es so lustig ist“, sagt sie mit einem Lächeln. Und Recht hat sie. Humor ist ein großartiger Aspekt davon, zusammen mit Lust. Barbers jüngste Arbeit versetzt sie in die Anfänge der VR zurück und dabei führt sie ihre Erkundungen über den Körper und die Verwendungen des virtuellen Raums weiter fort. „Wir haben es mit der menschlichen Natur zu tun“, erinnert sie uns, „und die ist im Grunde noch die gleiche, doch mit anderer Technologie“.

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Ich sitze auf den Stufen im Park gegenüber dem Museum of Modern Art in San Francisco. Hier bin ich mit einem Mann verabredet, der sich beruflich mit der Entwicklung von smartem Sexspielzeug beschäftigt. Kyle Machulis, auch als qDot bekannt, konstruiert Ferndildonik – über das Internet synchronisierte Sexspielzeuge –, und das nun schon seit gut über einem Jahrzehnt. Neben ihm bin ich eine Amateurin. Verglichen mit dem, was Machulis alles weiß, ist mein eigenes Wissen über die Thematik beinah verschwindend gering. Er ist Mr. Sextech.

Machulis kommt auf die Minute pünktlich. Er ist eine adrette Erscheinung, trägt Brille und ein Tech-T-Shirt (sein Tagwerk besteht im Programmieren für Mozilla) und wirkt so gar nicht wie jemand, der die letzten 14 Jahre in sexuellen Subkulturen zugebracht hat. Nachdem ich mich online lange mit ihm unterhalten habe, freue ich mich, ihn persönlich zu treffen. Wir gehen zu einem nahegelegen Kaffeeladen und sichern uns den letzten freien Tisch. Ich frage ihn nach seiner Arbeit.

Smartes Sexspielzeug wird immer mehr zum Standard. Es muss nicht über VR benutzt werden: Es lässt sich auch einfach über eine App mit dem Smartphone verbinden. Dieses ist wiederum mit dem Internet verbunden, und so können die Spielzeuge auch online gesteuert werden. So könnte etwa eine einzelne Nutzerin die Einstellungen eines Vibrators über ihr Handy steuern oder sie könnte die Steuerung über das Internet freigeben, so dass sich jemand anderes aus der Ferne einklinken und mitwirken könnte. Es sind alle möglichen Sexspielzeuge erhältlich, darunter auch solche, die sich koppeln lassen, so dass zwei (oder mehr) Leute gemeinsam eine stimulierende Erfahrung haben können, auch wenn sie sich an verschiedenen Orten befinden.

Machulis betreibt die Website Metafetish, eine Seite „über Sexspielzeug, Sextechnologie und anderes Sexzeug. Was auch immer.“ Metafetish ist eine großartige Quelle für alle, die Sexspielzeuge bauen oder hacken. Das Chatforum der Seite enthält reihenweise fesselnde Fragen wie „Seltsame Umstände sorgen beim Fleshlight Launch für Unterbrechung?“ und „War der buttshock shield von Arduino bloß ein Vorläufer?“ (Antwort: Wahrscheinlich.)

Machulis hat eine Fülle von Quellen rund um die Ferndildonik archiviert, von frühen Medien, darunter digitalisierte Fassungen des in den 1990ern erschienenen San Franciscoer Erotikmagazins Future Sex, bis zu seiner eigenen Arbeit, mit der er um das Jahr 2000 herum begann. Sie fing damit an, dass er an das Ego-Shooter-Videospiel Quake ein Sexspielzeug anhängte. Als kleiner Scherz gedacht, beschloss er, die Dinge so zu verschalten, dass Shooting-Figuren einen Vibrator schneller laufen ließen.

Dann kam die SeXbox, eine quelloffene Sexplattform, bestehend aus einem Xbox-Steuergerät und einem Vibrator. Damit begann Machulis’ Interesse an der Demokratisierung der Sex-Tech-Szene. Mit seiner Zielsetzung – einer quelloffenen Ausstattung zum Selbermachen – gibt er die Kontrolle an die Nutzer ab. Darauf baute er später mit seinem Projekt Buttplug4 auf, bei dem es sich um eine ganze Reihe von „technischen Spezifizierungen und Anwendungen“ handelt, „die es den Nutzern von Sexspielsachen ermöglichen, das Spielzeug, das ihnen gefällt, mit den gewünschten Anwendungen zu benutzen“.

Machulis versucht faire Bedingungen in der Ferndildonik zu schaffen, und das ist ein hehres Ziel, wenn man bedenkt, wie diese Technologieform derzeit genutzt wird. Viele der heute erhältlichen smarten Sexspielzeuge kommen in der Sexarbeit zum Einsatz. Webcam-Models führen online sexuelle Handlungen an sich selbst aus und übertragen die Videos live über das Internet. Diese Sexarbeiterinnen können Geräte benutzen, die mit denen der zahlenden Zuschauer verlinkt sind, um ihnen aus der Ferne eine sexuelle Erfahrung zu verschaffen. Dies erfolgt häufig in Form eines Vibrators, der aus der Ferne mit einem penetrierbaren Masturbationsgerät gekoppelt wird. Die Verwendungsmuster des Cammodel-Spielzeugs lassen sich mit dem Spielzeug des Zuschauers synchronisieren. Dadurch kann er ähnliche Bewegungen und Vibrationen spüren, was die Handlung gegenseitiger und stärker verbunden erscheinen lässt. Die Cammodels aber sind zur Steuerung ihrer Geräte auf firmeneigene Software angewiesen. Machulis will die von den Geräteherstellern auferlegten Schranken beseitigen und die Arbeiterinnen die Kontrolle und Steuerung übernehmen lassen – eine Art von nicht jugendfreiem Sozialismus.

Die Welt der Sex-Tech ist eine aufregende Welt. Sie hat aber ihre Beschränkungen, nicht zuletzt, was die Finanzierung betrifft. Risikokapitalgebern ist es häufig untersagt, in Projekte „für Erwachsene“ zu investieren. Dadurch ist es schwierig, an Geld zu kommen. Das Entstehen von Hacker-Communities und maker-spaces bzw. Macherräumen, in denen die Arbeit von Machulis und anderen fortgesetzt wird, ist daher ein wichtiger Teil neuer innovativer Produkte. Sexspielzeuge gibt es, als separate Körperteile, seit Jahrtausenden, und sie sind heute noch genauso beliebt wie eh und je. Doch wie steht es mit etwas Größerem, etwas, das … mehr einem Menschen gleicht?

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