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Die Untiefen des unheimlichen Tals

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1970 entwickelte Robotikprofessor Masahiro Mori das Konzept des „unheimlichen Tals“ (in der Originalsprache Bukimi no Tami Genshō). Nach seiner Hypothese fühlen wir Menschen uns in Maschinen ein, die über menschliche Eigenschaften verfügen, aber nur bis zu einem Punkt, wo sie mit der Wirklichkeit bis zur Ununterscheidbarkeit verschmelzen. Hier wird der „fast menschliche“ Roboter beunruhigend, unheimlich und erfüllt uns mit Abscheu. Die Wurzeln dieses Begriffs liegen in der Psychoanalyse des frühen 20. Jahrhunderts. 1906 erwähnte Ernst Anton Jentsch in seinem Aufsatz Zur Psychologie des Unheimlichen einen speziellen Fall des Gefühls der Beunruhigung: „Einer der sichersten Kunstgriffe, leicht unheimliche Wirkungen durch Erzählungen hervorzurufen, beruht nun darauf, dass man den Leser im Ungewissen darüber lässt, ob er in einer bestimmten Figur eine Person oder etwa einen Automaten vor sich habe“. 1919 griff Freud Jentschs Arbeit wieder auf und setzte sich in seinem eigenen Aufsatz Das Unheimliche näher mit ihr auseinander. Freuds Schrift ist eine Erörterung rund um den Begriff „unheimlich“, der zugleich die Bedeutung des Nichtvertrauten und des Unbekannten hat. Freud wäre nicht Freud, hätten ihn seine Überlegungen nicht schließlich zum Ödipuskomplex, zum Kastrationskomplex und zur Angst der Kinderzeit geführt. Dem allerdings schickt er eine sehr gründliche Erkundung der verschiedenen Ausdrücke voraus, die diese Empfindung in unterschiedlichen Sprachen wiedergeben (mein Favorit in dem Zusammenhang ist „lugubre“).

Die Hypothese vom unheimlichen Tal ist einigermaßen umstritten. Immerhin handelt es sich dabei um ein subjektives Phänomen. Unbehagen wird von Menschen mehr oder weniger stark empfunden, und nach einer von Jari Kätsyri und Kollegen durchgeführten wissenschaftlichen Studie ließ sich der Effekt nicht eindeutig nachweisen, wenn er nicht sogar ausblieb. Gut möglich, dass das Phänomen kulturellen Einflüssen unterliegt. Die meisten Menschen aber, mit denen ich sprach, haben ein gewisses, seltsam beunruhigendes Gefühl bestätigt, das sich bei ihnen zu diesem oder jenem Zeitpunkt einstellte. Vielleicht haben Sie schon einmal einen Horrorfilm gesehen, der mit dem Effekt des Schreckens spielte, den Masken oder lebensgroße Puppen in Gestalt des Lebendigen und doch nicht Lebendigen verbreiten können.

Es gibt zahlreiche Theorien, warum sich dieses Gefühl des unheimlichen Tals bei uns einstellt. Ein maßgeblicher Faktor könnte sein, dass alles, was menschlich aussieht, aber kein Leben in sich trägt, vom Geruch des Todes umweht wird. Mori brachte als Beispiel den Anblick einer Leiche: Dies ist keine angenehme Erfahrung und macht vielleicht auch Angst, und wenn sich der tote Körper bewegen würde, wären wir entsetzt. Bei Robotern wiederum ist es nicht bloß die realitätsnahe, aber nicht ganz menschliche Erscheinung, die eine verstörende Wirkung haben kann. Kommt dazu noch die nicht ganz menschliche Bewegung, erreicht die Unheimlichkeit eine neue Dimension. Könnte es sein, dass das unheimliche Tal auch deshalb unheimlich ist, weil es einen auf unliebsame Weise an die eigene Sterblichkeit erinnert? Ist der Mensch so veranlagt, dass er alles von sich weist, was auf den Tod hindeutet?

Widersprüchliche Wahrnehmungsreize stören das kognitive Wohlbefinden. Und die heutigen humanoiden Roboter weisen häufig in dieser Hinsicht störende Unstimmigkeiten auf. So kann es etwa sein, dass ihre Mundbewegung nicht zu dem passt, was sie sagen, oder dass sie einen Gesichtsausdruck zeigen, der nicht die entsprechende, zum Ton der Unterhaltung passende Stimmung vermittelt. Wir sitzen also weiter im unheimlichen Tal fest. Menschenähnliche Roboter, wie es sie heute gibt, könnte man unmöglich mit einer realen Person verwechseln. Vielleicht wird das immer so bleiben, wie etwa die Wissenschaftlerin Angela Tinwell glaubt: Nach ihrer Theorie der „unheimlichen Wand“ werden wir uns im Zuge der technologischen Entwicklung immer mehr an die subtilen Unstimmigkeiten gewöhnen, die zwischen Menschlichem und Virtuellem bestehen. Wir werden vielleicht nie imstande sein, die Kluft zu überbrücken. Es mag auch sein, dass dies mit fortschreitender Technologie irgendwann einmal leichter möglich wird. Einstweilen aber bleibt es eine sehr schwierige Aufgabe. Menschenähnliche Roboter mögen die Medien beherrschen, doch sie sind nach wie vor weit davon entfernt, die Welt zu beherrschen.

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