Читать книгу Turned on - Kate Devlin - Страница 11
Jungs und Puppen
ОглавлениеWomit wir endlich bei der Sexpuppe wären. Die Benutzung einer Sexpuppe regt die Vorstellung doch etwas stärker an als die eines kleineren, abgekoppelten Sexspielzeugs. Die einschlägigen Handlungen aber sind so ziemlich dieselben. Ein kleines, leicht zu übersehendes oder vernachlässigtes Sexspielzeug wie ein Vibrator bietet eine handliche Möglichkeit, um unseren sexuellen Vorstellungen Struktur zu verleihen. Verstaut in einer Nachttischschublade, ist er dem Blick entzogen und gerät in Vergessenheit, wenn er nicht benutzt wird. Anders die Sexpuppe: Sie ist ein raumeinnehmendes und einheitliches Ganzes. Zwar tauchte sie erst im letzten Teil des 20. Jahrhunderts im Handel auf, ihre Geschichte aber reicht viel weiter zurück. Es gibt schriftliche Hinweise auf Seemänner im 17. Jahrhundert, die dames de voyage oder dama de viaje erschufen. Dies waren Stoff- oder Lederbündel in Frauengestalt, die sich die sexuell ausgehungerten Männer dann untereinander teilten. In Japan gab es sogar weiche, gepolsterte Sexpuppen aus Stoff, die datch waifu – holländische Ehefrauen – hießen, nach den Puppen auf den holländischen Schiffen, mit denen man Handel trieb.
Die aufblasbare Puppe trat in den 1970ern erstmals in Erscheinung. Während sie heute oft als Scherzartikel vertrieben wird, war sie in England tatsächlich noch bis in die späten 1980er Jahre mit der Begründung verboten, sie sei obszön. Und während sie heute eine tragende Rolle in Comedysendungen und bei Junggesellenabschieden spielt, lässt kaum noch etwas auf ihre Anfänge als Sex-Hilfsmittel schließen. Mit ihrem o-förmigen Mund und dem für eine Vagina doch recht kümmerlichen Loch wirkt sie wie die einem Comic-Heft entsprungene Karikatur einer Frau. Es gibt auch aufblasbare Männerpuppen, wenngleich es sich bei diesen offenbar um eine viel spätere Entwicklung handelt, die gleich auf den Scherzartikelmarkt ausgerichtet war.
Puppen standen demnach also eine ganze Zeit lang hoch im Kurs. Sie wurden auch fetischisiert, so wie von besagtem Pygmalion oder in der Weise der angesprochenen Agalmatophilie. Erst Mitte der 1990er Jahre brachte es die realitätsnahe Puppe zu größerer Bekanntheit, und der Handel mit ihr begann Schwung aufzunehmen. Heute ist sie nahezu flächendeckend erhältlich, auch wenn der Markt ein Nischenmarkt ist. Die preiswertesten – sie kosten keine 1.000 Euro – sind die „Mini-Dolls“, die sich laut Werbung leicht aufbewahren lassen und gut zum Ausprobieren eignen, bevor man sich eine lebensgroße Version zulegt. Dennoch ist ihre kindliche Größe unglaublich beunruhigend. Die Mittelklasse-Exemplare, die um die 2 300 Euro kosten, sind im Vergleich zu den luxuriösen Ausführungen aus minderwertigem Material, wirken jedoch einigermaßen echt, solange man ihnen nicht zu nahe kommt. Bei den Luxuspuppen handelt es sich um Handanfertigungen aus hochwertigem Material. Der Preis für eine von ihnen bewegt sich irgendwo zwischen 4.000 und 8.000 Euro.
Es wird Ihrer Aufmerksamkeit nicht entgangen sein, dass praktisch alle heute erhältlichen Sexpuppen Frauengestalt haben. Es gibt ein paar Männerversionen, deren Marktanteil ist jedoch verschwindend gering. Es ist viel darüber spekuliert worden, woran das liegen könnte. „Die Frauen wollen keine“, heißt es des Öfteren. Wir werden uns damit näher befassen, weil dieser besondere Aspekt der Sexpuppen – und dann auch der Sexroboter – viel mehr Aufmerksamkeit verlangt.
Es ist schwer, an Statistiken zu gelangen, wer wo Sexpuppen herstellt und wie viele verkauft werden. Mit Sicherheit gibt es Fabriken in China: die New Sino Environment Technology Company in Guangzhou ist eine davon, und sie stellt ihre TPE-Hitdoll und Silikon-Z-onedoll her. Doll Sweet ist ein anderes, multinationales Unternehmen, das von China aus operiert. Es gibt auch japanische Hersteller: Orient Industries (sie machen CandyGirls) und 4Woods (mit der A. I. Doll und den Naughty Dolls). Russland verfügt über einen kleinen Produktionsbetrieb, Anatomical Doll. In Europa sind das deutsche Unternehmen Mechadoll und die französische Firma DreamDoll die Hauptproduzenten.
In den USA buhlen Unternehmen wie Private Island Beauties und Silicon Wives neben dem wohl bekanntesten Sexpuppenmacher, Abyss Creations, um Aufmerksamkeit. Deren RealDolls – angeblich „Die besten Liebespuppen der Welt!“ – repräsentieren den Stand der Technik bei den künstlichen Geliebten. Abyss Creations produzieren sie seit 1996. Die Puppen haben ein PVC-Gliedergerüst mit Stahlgelenken und Silikonfleisch, anpassbare Genitalien, austauschbare Gesichter und variabel festlegbare Körperformen. Man kann die Merkmale aus einer Reihe von Optionen wählen, um sie den eigenen Vorstellungen anzupassen, vorausgesetzt, man ist in der Lage, 4.000 Euro und mehr für all das zu bezahlen. RealDolls sind zu einem Inbegriff für Sexpuppen geworden, was in erster Linie auf die öffentliche Aufmerksamkeit zurückzuführen ist, die sie über die Jahre erhalten haben, etwa durch eine Hauptrolle in dem Film Lars und die Frauen (Lars and the Real Girl). Konkurrenz haben sie in Gestalt des in Los Angeles ansässigen Unternehmens Sinthetics, das von einem Ehepaar geleitet wird und Puppen herstellt, die sie lieber als manikins bezeichnen. Wie Abyss hat auch Sinthetics sich auf sehr schöne Handanfertigungen spezialisiert.
Vor ein paar Jahren ließ Abyss Creations verlauten, sie würden, angestachelt von der großen Nachfrage nach Interaktivität bei ihren Puppen, mit ihrer Ablegerfirma Realbotix an einem Sexroboter arbeiteten. Irgendwann demnächst (obwohl sie schon ein paar Mal „irgendwann demnächst“ gesagt haben) werden sie ihren ersten im Handel erhältlichen Sexroboter herausbringen.
Was aber ist ein Roboter? Was ist gemeint, wenn dieser Ausdruck benutzt wird? Das, meine Freunde, ist ein ganz anderes Kapitel, das darauf wartet, entfaltet zu werden.