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Woche vom 23. – 27.03.2020

Schon die zweite Woche im Lockdown, die Infektionszahlen gehen weiter nach oben, wieder ein Sonntag um, an dem man nur Aufgaben auf Padlets eingestellt hat, Aufgaben hinterher telefoniert hat, die die SchülerInnen bis zum letzten Wochenende hätten abgeben sollen (viele haben es getan, andere jedoch nicht!).

Der Montag beginnt mit einer WhatsApp-Anfrage „Können wir gleich mal telefonieren?“. Ich lerne in den nächsten Wochen, diese Frage zu fürchten. Sie kommt von einer Kollegin, die es sicher nicht böse meint und natürlich auch ein Anliegen hat. Sie meint, die SchülerInnen weiter bemuttern zu müssen, zu fragen, ob sie auch abends schön brav früh genug ins Bett gehen und morgens vor Beginn der Erledigung der Hausaufgaben die Zähne geputzt haben.

Auch mir gegenüber empfinde ich den Anruf als Kontrolle. Sie will mich fragen: „Bist Du schon bei der Arbeit?“ und „Hast Du alle SchülerInnen erreicht?“ und „Haben auch bei Dir alle ihre bearbeiteten Aufgaben abgegeben?“ und „Machst Du heute einen Videocall?” und „Wir dürfen aber darin keine Bewertung der Aufgaben vornehmen!“ und „ Hast Du schon mit Peters Mutter gesprochen? Ich konnte ihn nicht erreichen.“ Und „Andere Klassenleitungen machen sich offensichtlich nicht so viel Arbeit mit den Aufgaben, die sie einstellen, wie wir beide!“ Ich setze diese Reihe in einer der nächsten Wochen fort.

Im Laufe der Woche sickern immer mehr Verfügungen des Schulministeriums durch: man ist gehalten, Aufgaben mit Augenmaß zu stellen, KEINE Benotung vorzunehmen und auch keine Prüfungen oder Klassenarbeiten online durchzuführen.

Vor allem in der gymnasialen Oberstufe sind die KollegInnen und SchülerInnen sehr verunsichert, sitzt uns/ihnen doch die Abiturprüfungsordnung und der Ablaufplan der Abiturprüfungen im Nacken.

Ende der Woche konkretisiert sich dann: KEINE Klausuren in der EF und der Q1 bis auf weiteres! Ich dachte, dass das sowohl für die Gesamtschulen als auch für die Gymnasien gelten würde, werde aber bereits wenige Tage später eines Besseren belehrt.

Es kommen immer mehr Mails zum weiteren Verlauf des Lockdowns. Es wird an einem Plan für die Notbetreuung der SchülerInnen gearbeitet, deren Eltern selbst in „systemrelevanten“ Berufen arbeiten: PflegerInnen, ÄrztInnen, KassiererInnen, VerkäuferInnen in Supermärkten und Lebensmittelgeschäften, OptikerInnen, PhysiotherapeutInnen etc.

Ich lerne hierbei zwei Dinge: Was ist Systemrelevanz? Wer ist systemrelevant? Und wie gehen wir mit den Antworten auf diese Frage um? Meine Berufstätigkeit ist offensichtlich systemrelevant, diejenige meines Mannes (Betriebswirt und im Vertrieb eines Unternehmens tätig, das Arbeitsplatten und Fliesen aus gesinterten Steinen anfertigt und vertreibt) nicht! Diejenige meiner Nachbarin (Leiterin einer Kita) ist es, diejenige ihres Mannes (Bundespolizist derzeit im Kurzurlaub von einem Auslandseinsatz in Afghanistan zu Hause) ist es auch, diejenige meines ältesten Sohnes (Berufsausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann bei einem spanischen Hersteller für Arbeitsschutz in der benachbarten Metropole) ist es offensichtlich auch, diejenige meines jüngsten Sohnes (Student der Germanistik und Geografie) in der ältesten Stadt Deutschlands ist es offensichtlich nicht!

Er sollte jetzt eigentlich an meiner Schule ein dreiwöchiges Eignungs- und Orientierungssemester durchführen, worauf wir beide uns sehr gefreut hatten. Durch die Schulschließung wurde daraus leider nichts!

Doch was ist Systemrelevanz? Bei „Google” finde ich folgende Definition: „Unternehmen, kritische Infrastrukturen oder Berufe werden als systemrelevant bezeichnet, die eine derart bedeutende Rolle in einem Staat spielen, dass ihre Insolvenz- oder Systemrisiken nicht hingenommen werden können oder ihre Dienstleistung besonders geschützt werden muss.”

Viele KollegInnen stellen jetzt auch in ihrem eigenen familiären Umfeld den Unterschied zwischen systemrelevant und NICHT systemrelevant fest und sehen sich plötzlich in der Situation, selbst ihre Kinder betreuen und beim Homeschooling begleiten zu müssen.

Pandemie und Pannenwirtschaft

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