Читать книгу Wilde Zeiten – Wie du deinen Sohn gelassen durch die Pubertät begleitest. - Katharina Meinhold - Страница 5
Erwartungen, Herausforderungen und Realität
ОглавлениеIn einer immer komplizierter werdenden Zeit erleben sich Eltern oft als überfordert. Sie stehen zwischen allen Fronten: Der Druck der Schule, die Angst vor der Zukunft, die täglich zunehmende Unsicherheit der eigenen Verhältnisse belasten sie, ihre Beziehung, das Verhältnis in der Familie. Diese Ängste übertragen sich auf die Kinder.
Die Pubertät wird dabei nicht selten zur Projektionsfläche. An sich ist sie keine Katastrophe. Es handelt sich um eine Übergangsphase, in der aus dem Mädchen eine Frau, aus dem Jungen ein Mann wird. Dabei spielen physiologische und psychologische Umbau- und Reifungsprozesse, die sich in einem bestimmten zeitlichen Rahmen vollziehen, eine Rolle. Wer in einem positiven Umfeld aufwächst und starke Erwachsene um sich hat, die gerne Mann und Frau sind und sich erfolgreich Herausforderungen stellen, der wird auch gerne teilhaben wollen und sich in dieser Phase auf das Erwachsenwerden vorbereiten. Wer in Verunsicherung lebt, wird es schwerer haben.
Doch letztlich ist die Pubertät immer ein individueller Prozess. Eltern mit mehreren Kindern kennen das bereits: Ein Kind pubertiert stark, während andere die Phase beinahe problemlos überstehen. Bei einem ist es kaum auszumachen, wann die Pubertät stattgefunden hat, bei anderen dehnt sich der Prozess über Jahre hinweg. Das Erwachsenwerden erscheint ihnen wenig attraktiv. Physische Wandlung und psychische driften auseinander.
Gerade Jungen werden schnell zur Zielscheibe von Vorurteilen. Sie gelten rasch als Rabauken, Unruhestifter, Schulversager. Diese Zuschreibungen haben nicht selten Folgen und ein Junge verhält sich exakt so oder zieht sich tief verletzt zurück. Das kann bis zur Depression gehen oder sich in Suchtverhalten äußern. Wichtig ist es, sich als Erwachsener angstfrei und ohne Vorurteile auf die eigene, spezifische Situation in der Familie einzustellen und so dem Sohn die Möglichkeit zu geben, seine Pubertät zu durchleben.
Die eigene Geschichte
Während des Zusammenlebens mit eurem Sohn sind euch sicher bereits zwei Dinge aufgefallen: 1. Nichts geht unbedingt nach Lehrbuch und 2. die eigenen Prägungen haben einen großen Einfluss auf unser Verhalten dem Kind gegenüber. Unsere eigene Geschichte bestimmt unsere Beziehungen in vielfältiger Weise. Sie hat Einfluss auf unsere Kommunikation, unsere Art zu streiten, Freude zu zeigen, Kritik und Liebe zu äußern. Sie hat auch immensen Einfluss auf unser Geschlechterbild und die Erwartungen, die wir an einen Heranwachsenden stellen.
Wer sich bereits intensiv mit sich selbst befasst hat, die eigenen Stärken und Schwächen kennt, wer mit seinem Partner im Austausch steht, der reflektiert und korrigiert sein Verhalten, ohne an Authentizität zu verlieren. Er ist sich bewusst, dass die eigene Wahrnehmung nur eine durch seine eigene Geschichte geprägte Sicht ist. Hat dieser Prozess der Achtsamkeit sich selbst gegenüber bereits vor der Pubertät des eigenen Kindes eingesetzt, wird Verletzungen und Missverständnissen vorgebaut. Der Erwachsene kann dann souveräner mit der Situation umgehen und sich verantwortungsbewusst verhalten.
Stammen beide Elternteile selbst aus einem sicheren, liebevollen Familienumfeld, haben sie es deutlich leichter. Sie wissen intuitiv, wie man mit Herausforderungen und Streit umgeht. War das eigene Heranwachsen jedoch belastet, können sich diese Belastungen wiederum einstellen. Das ist keine magische Wiederholung, sondern einfach das Agieren in den erlernten Parametern (Vorgaben). Hat eine Mutter unter einem sehr dominanten oder sogar jähzornigen Vater gelitten, kann es sein, dass sie selbst aufbrausend reagiert oder Verhaltensweisen, die einen solchen Ausbruch bei ihrem Sohn auslösen könnten, vermeidet. Dem Jungen fehlt damit ein ausgeglichenes Gegenüber. Er wird nun seinerseits entweder aufbrausend oder geduckt reagieren. Die erwachsene Orientierungsperspektive fehlt.
Durch eine intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich können die individuelle Entwicklungsgeschichte begriffen und das eigene Verhalten korrigiert werden. Übermäßige Ängste, Aggressionen oder Ausweichhaltungen lassen sich dann rechtzeitig korrigieren.