Читать книгу Geballte Ladung Liebe - Katharina Wolf Sammelband - Katharina Wolf - Страница 12

Оглавление

Bemühungen

Ich hatte es geschafft.

Es war tatsächlich vorbei.

Ich hatte alle Abiturprüfungen hinter mich gebracht und war gar nicht mal so unzufrieden. In Biologie konnte ich zwar zwei Fragen mehr schlecht als recht beantworten, aber was soll‘s? Es war vorbei!

Ich sprang beflügelt die Stufen des Schulgebäudes hinunter und hielt, unten angekommen, für ein paar Sekunden mein Gesicht Richtung Sonne und atmete durch. Ich war die letzten Tage und Wochen so dermaßen angespannt gewesen. Nicht nur körperlich. Ab jetzt sollte alles besser werden.

Und wie konnte ich am besten entspannen?

Ich lief los. Die Bibliothek war mein Ziel.

Ich war monatelang gezwungen gewesen, auf gute Romane zu verzichten. Die einzigen Bücher, die ich zur Hand genommen hatte, waren Schulbücher oder Fachliteratur gewesen. Selbst nach dem Lernen traute ich mich nicht, zu einer schönen Liebesgeschichte oder einem Thriller zu greifen, da ich sofort ein schlechtes Gewissen bekam. Wenn ich Zeit hatte, den neuesten Bestseller von Ken Follett zu lesen, konnte ich mir auch noch mal den Aufbau des Auges anschauen und einprägen. Aber nun war diese Zeit ja endlich vorbei.

Ich war literaturausgehungert!

Ich liebte die Bücherei und ich liebte es zu lesen. Schon lange war es mein liebstes Hobby. Als Kind entwickelte ich diese Leidenschaft zu Büchern eher unfreiwillig. Es war schlichtweg ein Ersatz. Ich hatte kein Geld für Vereine oder für ein Musikinstrument gehabt. Ein Deutschlehrer hatte meine Liebe zu Büchern entdeckt und wollte mich unbedingt fördern. Also schenkte er mir einen Bibliotheksausweis. »Das günstigste Hobby, das es gibt«, meinte er. »Und gleichzeitig auch das schönste.«

Seitdem war ich süchtig nach Büchern. Denn dieser Lehrer hatte Recht behalten. Selbst ein armes Waisenkind, wie ich es war, konnte sich Bücher ausleihen. Und die Bücher bescherten mir nicht nur wunderbare Stunden in fernen Welten und Zeiten, sie ermöglichten mir, aus meinem Alltag zu entfliehen. In den Geschichten fand ich Freunde, wenn auch keine realen. Das größte Glück war allerdings, dass ich hier in dieser Bücherei Jan kennengelernt hatte.

Meinen Jan.

Uns verband sofort etwas. Es war von der ersten Sekunde an besonders mit ihm gewesen. Wir lasen die gleichen Bücher, wir unterhielten uns über unsere Lieblingsschriftsteller und wir trafen uns hier regelmäßig. Zuerst waren es Zufälle. Dann häuften sich diese und wirkten irgendwann alles andere als zufällig, bis mir Jan schließlich gestand, dass er absichtlich zur gleichen Zeit wie ich hier war und auf mich wartete. Daraufhin lud er mich auf einen Kaffee ein und ich gab ihm meine Telefonnummer. Eins kam zum anderen und seitdem waren nun mehr als zwei Jahre vergangen.

Die glücklichsten Jahre meines Lebens.

Wenn ich so zurückdachte, wurde mir eines noch stärker bewusst: Ich durfte das mit Jan nicht ignorieren und aussitzen. Wir beide gehörten zusammen. Das war eine Tatsache. Diese Distanz, die ich zwischen uns spürte, durfte nicht noch mehr Besitz von uns ergreifen. Ich musste alles daran setzen, ihn zu unterstützen und ihm zu zeigen, wie sehr ich ihn liebte und vertraute. Das war meine Aufgabe als seine Freundin.

Und damit würde ich genau heute starten.

Ich lieh mir drei Bücher aus. Verstummt von Karin Slaughter, das Lina während Mathe gelesen hatte. Sie hatte sehr von dem Buch geschwärmt und mich damit neugierig gemacht. Außerdem hatte ich noch ein Auge auf zwei Thriller von Sebastian Fitzek geworfen. Von dem hatte ich bislang auch nur Gutes gehört. Ich war gespannt und freute mich auf meine wohlverdiente Freizeit.

Beschwingt ging ich nach Hause und legte die Bücher im Schlafzimmer auf den Nachttisch. Meist las ich abends im Bett. Da war es am gemütlichsten.

Es klingelte an der Tür. Ich öffnete und erblickte Jan. Er machte einen bedrückten Gesichtsausdruck und schaute mich verlegen an. Seinen Schlüssel hielt er unbenutzt in der Hand. Er schien sehr unsicher zu sein. Geradezu eingeschüchtert.

»Hey.«

»Hey.«

»Abi-Arbeiten gut überstanden?« Ich nickte. Jan lächelte ganz schwach und griff dann schüchtern nach meiner Hand. »Ich hoffe, du bist nicht mehr böse.«

»Ach was ... Komm rein.« Ich umarmte ihn und gab ihm einen dicken Schmatzer mitten auf den Mund. Jan grinste und erwiderte den Kuss hungrig. Zum Glück fiel ihm nicht auf, wie ich mich plötzlich verspannte und für einen kurzen Moment nach Luft schnappte.

Ein fremdes Parfum.

Ich war mir sicher. Ich roch ein fremdes Parfum an ihm. Eindeutig ein Frauenduft. Verdammt.

Nora, reiß dich zusammen. Du vertraust ihm und wolltest nicht schon wieder ein Drama vom Zaun brechen. Das hat nichts zu bedeuten. Das kann alles sein. Ein Raumspray auf der Büro-Toilette, ein neuer Duftbaum im Auto oder er hatte sich einfach heute Morgen bei der Flasche geirrt und nach Biancas Duftwässerchen gegriffen. Es könnte alles Mögliche sein. Also versau dir nicht diesem kostbaren Abend.

Es funktionierte fast perfekt. Das komische, unangenehme Gefühl und die im Untergrund brodelnde Wut konnte ich wunderbar unterdrücken. Alles würde schon gut werden.

Ich schien erstaunlich geübt darin zu sein, mich selbst an der Nase herumführen.

Wir saßen gemeinsam auf dem Sofa und schauten einen Actionstreifen. Irgendein Film mit Bruce Willis. Aber wie das eben bei Filmen mit ihm so war: kannte man einen, kannte man alle. Ich war schon nach knapp 30 Minuten fast eingenickt und lehnte mit geschlossenen Augen an Jans Schulter. Er hatte den Arm um mich gelegt und streichelte mir übers Haar.

»Morgen ist doch deine Abi-Party, oder?

»Mmmh«, bestätigte ich mit einem leisen Brummen.

»Du schenkst Getränke aus?«

»Jap. Aber ich bin direkt zur ersten Schicht eingeteilt. Danach kann ich also selbst feiern. Sag mal ...« Ich drehte meinem Kopf zu ihm und zog die Augenbrauen hoch. »Du kommst doch, oder?«

»Klaro!« Er küsste mich auf die Stirn und strich einige Haarsträhnen hinter mein rechtes Ohr. »Ich denke, ich arbeite bis 19 Uhr. Danach mach ich mich noch hübsch für dich und fahre dann direkt rüber. Ich will ja nicht, dass du dich für mich schämen musst.« Er lachte und schaute mich herausfordernd an.

»Dann streng dich aber mal an, du.« Sein Gesicht verzog sich geschockt und seine Augen weiteten sich.

»Na warte!« Mit einem drohenden Knurren stürzte er sich auf mich und kitzelte mich so lange durch, bis ich um Gnade winselte.

Geballte Ladung Liebe - Katharina Wolf Sammelband

Подняться наверх