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Marmelade

Ich verließ mein Schlafzimmer in Jogginganzug und mit zerzausten Haaren. Die Schminke, die Sebastian gestern in liebevoller Kleinstarbeit in mein Gesicht gepinselt hatte, war verwischt und klebte zur Hälfte auf meinem Kissen. Ich sah aus wie ein Kunstwerk von Picasso. Grotesk verzerrt.

Ich hörte Geschirrklappern in der Küche, ignorierte es aber erst mal. Zuerst duschen!

Ich betrat das Badezimmer und erschrak, als meine nackten Füße die kalten Fliesen berührten. Schnell entledigte ich mich meiner Klamotten und genoss es wenige Sekunden später umso mehr, als ich das warme Wasser auf meinem Haupt spürte. Langsam wanderte es meinen Körper hinunter und als es meine Füße erreichte, entfuhr mir ein genießerischer Seufzer.

Aber selbst als mir warm wurde, konnte ich die Eiseskälte in mir drin nicht vertreiben. Mein Herz war schon seit Jahren gebrochen, aber gestern hatte man auf den Einzelteilen Samba getanzt. Warum genau wollte der Zinnmann aus Der Zauberer von Oz ein Herz? Es ging ihm besser ohne.

»Verdammt!« Ich boxte gegen die Plastikwand der Duschkabine. Es krachte laut.

»Alles okay bei dir?«, hörte ich Sebastians Stimme von draußen rufen.

»Jaja.« Immer diese übertriebene Sorge. Ich würde mir schon nicht die Pulsadern aufschneiden. Hatte ich auch die letzten Jahre nicht getan.

Nachdem ich meinen Körper abgetrocknet und meine Haare etwas angeföhnt hatte, schlüpfte ich wieder in den Jogginganzug und verließ das Badezimmer. In der Küche saß Sebastian und klopfte auf den Stuhl neben sich. Ich blieb stehen und sah mich um. Auf dem Esstisch standen unzählige Gläser, dazu Unmengen an Schleifchen, Perlen, Glitzerpulver in verschiedenen Farben und noch anderes, was ich nicht so recht zuordnen konnte.

»Was ist hier los? Hast du einen Kindergarten ausgeraubt?«

Ich hörte ein Schnauben aus dem Wohnzimmer und erblickte Hiro auf der Couch.

»Bitte, Nora, hilf Sebastian! Sonst muss ich es später ausbaden.«

Sebastian warf Hiro, der sich auf der Couch nun umgedreht hatte und mit dem Rücken zu uns lag, einen bösen Blick zu.

»Du willst mir ja nicht helfen, also sei wenigstens still!«

Hiro hob abwehrend beide Hände und drehte den Kopf, um mich flehend anzusehen. Ich seufzte und schlurfte dann zu Sebastian hinüber. In der ganzen Küche stapelten sich körbeweise Zwetschgen, Äpfel und ...

»Was sind das für seltsame Dinger?« Sebastian schaute mich schockiert an.

»Das sind Quitten.« Ach, so sahen die also aus. Ich hatte noch nie zuvor welche gesehen, geschweige denn probiert.

»Was wird das hier, wenn es fertig ist?«

»Das sind die Gastgeschenke. Selbstgemachte Marmelade. Hinten brodelt schon alles.« Er zeigte auf ein paar Töpfe, die auf dem Herd vor sich hin köchelten. »Wir müssen dann die Gläser befüllen, beschriften und verzieren.«

»Ich habe keine Ahnung, wie man Marmelade macht.«

»Das mach ich! Du kümmerst dich darum.« Sein Finger kreiste über den Bastelutensilien.

Ich seufzte und schaute zu Hiroki hinüber.

Er ignorierte mich.

Danke auch!

Einige Stunden später waren alle Gläser befüllt und mit den dazugehörigen Etiketten versehen. Es gab Apfel-Honig-Marmelade, Quittenmarmelade und Zwetschgenmarmelade mit reichlich Rotwein.

Die ganze Küche roch verboten gut. Eine Mischung aus Weihnachtsmarkt und Süßwarenladen. Nun bestand unsere Aufgabe darin, wild mit Glitzersteinchen um uns zu werfen und flauschige, herzförmige Sticker überall draufzukleben. Sebastians Gesicht glitzerte jetzt schon wie eine Diskokugel. Ich wollte gar nicht wissen, wie ich aussah. Überhaupt war mir aufgefallen, dass Sebastian sich viel mehr für solche Dinge interessierte als früher. Damit meinte ich diesen pinken Deko-Glitzer-Plüsch-Kram. Oder vielleicht war das auch einfach eine Seite an ihm, die er erst jetzt richtig ausleben konnte. Ich grinste. Sebastian würde es noch schaffen, sämtliche Homo-Klischees in einer Person zu vereinen.

»Hiro hat mir gegenüber erwähnt, dass du bei einem Therapeuten warst?«

Das kam jetzt unerwartet aus dem nichts.

»Hiro!«, rief ich vorwurfsvoll in Richtung Wohnzimmer.

»Sorry, er sitzt am längeren Hebel«, schallte es daraufhin zurück.

»Und?« Sebastian schaute mich durchdringend an und hatte dabei zwei Finger in türkisfarbenem Glitzerpulver, was ihn irgendwie weniger bedrohlich wirken ließ.

»Ja, aber nur kurz.«

»Nimmst du Medikamente? Ich meine ... na ja, dann dürftest du bestimmt keinen Alkohol trinken, oder?« Ich seufzte einmal und fuhr mir mit der rechten Hand durchs Haar. Trotz klebriger Glitzer-Finger. Verdammt.

»Anfangs wurden mir leichte Antidepressiva verschrieben, aber wirklich geholfen haben die nicht, also habe ich es irgendwann ganz gelassen.«

»Und momentan?«

»Keine Medikamente.«

»Aber es geht dir doch nicht gut, oder?«

»Besser als vor vier Jahren«, gab ich leise zurück.

Er ließ nun von den Glitzersternchen ab und runzelte die Stirn. Er schaute mich wahnsinnig besorgt an und griff über den Tisch nach meiner Hand.

»Du wirst wieder glücklich sein. Irgendwann. Du wirst wieder jemanden finden. Jemand Besonderes, der ...«

»Verdammt, werde ich nicht!« Ich entriss ihm meine Hand und stand auf. Dabei fiel ein Glas mit kleinen rosafarbenen Perlen um. Diese verteilten sich nun auf dem Tisch und leider auch auf dem gesamten Küchenboden. »Ich werde immer nur ihn lieben, das ist ja das Problem an dieser ganzen Scheiße!« Ich lief aus der Küche, drehte mich aber an der Tür noch mal zu ihm um. »Ich habe mit dem Gedanken abgeschlossen, noch mal irgendwo mein Glück zu finden. Ich hab‘s vergeigt. Vor vier Jahren hab ich alles kaputt gemacht und seitdem lebe ich mit den Konsequenzen. So einfach ist das.«

Daraufhin ging ich in mein Zimmer und schloss die Tür lautstark hinter mir.

Ich war mit den Nerven am Ende.

Und glitzerte wie Edward Cullen.

Geballte Ladung Liebe - Katharina Wolf Sammelband

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