Читать книгу Geballte Ladung Liebe - Katharina Wolf Sammelband - Katharina Wolf - Страница 35
ОглавлениеZweifel
»Ich hasse dich dafür«, zischte Hiroki durch zusammengebissene Zähne in Richtung Sebastian.
»Ich dich übrigens auch«, brummte Jan mindestens genauso schlecht gelaunt.
»Also mir gefällt‘s«, seufzte ich wohlig und lehnte mich genießerisch im gemütlichen Ledersessel zurück.
Sebastian hatte uns in einen Kosmetiksalon geschleppt. In so einen richtig großen Wellnesstempel. Erst wollte ich mich mit Händen und Füßen wehren, immerhin war das ja mal so gar nicht mein Stil. Wellness, Kosmetik und Entspannung passten einfach nicht zu mir. Aber nun, wo mir meine Hände massiert wurden und mein rechter Fuß bereits pedikürt war, fühlte ich mich einfach zu gut. Zumal mir später noch eine Rücken- und Schultermassage versprochen wurde und ich zu schläfrig war, um mich zu beschweren.
Nachdem unsere Hände geschliffen, poliert und gebohnert waren und meine Fingernägel zudem noch in einem nuttigen Rot glänzten, teilten wir uns auf.
Sebastian war in einem Nebenraum untergebracht und bekam eine Schlammpackung oder so. Irgendetwas, um – wie sagte er doch gleich? - »seinen Teint zum Leuchten zu bringen«. Whatever.
Jan und Hiro saßen nebeneinander und bekamen gerade eine Gesichtsmaske. Durch die Gurkenscheiben, die auf ihren Augen lagen, konnten sie zum Glück mein Grinsen nicht sehen. Die beiden sahen einerseits so lächerlich und andererseits so unglaublich niedlich aus. Sie machten das ja nur mit, um es Sebastian recht zu machen. Bei Widerworten wäre er wahrscheinlich ausgerastet. Die Hochzeit war in wenigen Tagen und er dementsprechend ein Nervenbündel.
»Schatz?«, rief Hiroki in Richtung Nebenraum.
»Was denn?« Sebastians Stimme wirkte gereizt. Höchstwahrscheinlich, weil er angespannter als ein Drahtseil war und mit aller Gewalt versuchte, seinen inneren Frieden zu finden und sich zu entspannen.
»Warum tun wir uns das noch mal an?«
»Weil wir alle hübsch sein wollen, verdammt!«, rief er bockig.
»Pffft«, gab Hiro leise zurück, jedoch nicht leise genug.
»Und weil du mich liebst, du Idiot!«
Ich lachte laut auf und Hiro und Jan stimmten mit ein.
Während meine Schultern und mein Nacken mit einem wohlriechenden Öl massiert wurden, hatten sich Jan und Hiro nach draußen begeben und tranken Kaffee an der Theke. Die beiden waren wirklich tapfer gewesen, das musste man ihnen lassen.
Mir gefiel es hier. Hätte ich anfangs gar nicht erwartet. Ich lag da, ließ mich verwöhnen und hatte meine Ruhe. Diese hatte ich auch bitter nötig, wenngleich sie mir auch nur für ein paar Minuten vergönnt war. Sebastian sorgte in seiner vollen Mütterlichkeit dafür, dass ich niemals alleine war und immer etwas zu tun hatte. Und wenn für mich wirklich keiner Babysitter spielen konnte, rief Bianca an, um mich zu unterhalten und abzulenken. Er schien tatsächlich Angst zu haben, dass ich, sobald ich unbeobachtet war, die Gelegenheit ergreifen würde, um mir den goldenen Schuss zu setzen.
Seine Sorge war sowas von übertrieben und unbegründet. Klar dachte ich ab und an mal an Drogen, aber momentan hatte ich gar nicht den Drang, mich zuzudröhnen. Sonst wollte ich meine Gedanken immer betäuben, aber heute wollte ich bewusst nachdenken. Ich musste mir über einiges klar werden.
Dabei brauchte ich ein wenig Zeit für mich. Denn das, was heute Nacht und vor allem heute Morgen zwischen mir und Jan geschehen war, wollte mir noch nicht wirklich in den Kopf. Ich verstand es nicht. Jan wollte wieder mit mir zusammen sein. Beziehungsweise war ich nun allem Anschein nach wieder mit ihm zusammen.
Nachdem mein Heulkrampf heute Morgen langsam abgeklungen war, hatte sich Sebastian verzweifelt und kopfschüttelnd mein verheultes Gesicht angesehen und uns alle kurzerhand ins Kosmetikstudio mitgeschleppt. So wirklich darüber geredet hatten wir bislang noch nicht. Aber das würden wir über kurz oder lang wohl tun müssen.
Natürlich wollte ich Jan. Natürlich liebte ich ihn. Viel zu sehr. Ich sehnte mich so sehr nach seiner Nähe, dass es wehtat. Ihm nahe zu sein, ihn aber nicht berühren zu dürfen, bereitete mir fast körperliche Schmerzen. Aber was war mit ihm? Wir waren vier Jahre nicht zusammen gewesen. Vier Jahre waren eine verdammt lange Zeit. Wir waren räumlich durch eine recht große Distanz getrennt gewesen. Er war mit einer anderen Frau zusammen gewesen. Hatte ein anderes Leben ohne mich geführt und kein einziges Mal versucht, mit mir Kontakt aufzunehmen. Kein Anruf, keine SMS, kein Brief. Nicht mal eine simple E-Mail oder eine Nachricht auf Facebook. Es wäre ein Leichtes gewesen, sich nach mir zu erkundigen. Ob er auch nur einmal an mich gedacht hat? Behauptet hatte er ja, dass er mich nicht vergessen konnte. Aber stimmte das? Ich zweifelte daran. Hätte er es noch mal mit mir versucht, wenn Pablo nichts gesagt hätte? Dann wäre er doch jetzt noch immer mit Fernanda zusammen und würde wahrscheinlich nicht mal im Traum daran denken, sich von ihr zu trennen.
»Alles okay?« Sebastian, der gerade aus dem Nebenraum kam und tatsächlich ein Haarnetz trug, schaute mich besorgt an.
»Klar.«
»Jan macht dir zu schaffen, oder?«
»Immer.« seufzte ich und schaute Sebastian verzweifelt an.
»Hättest du daran geglaubt? Also, dass ihr beide wieder ...«
»Wart‘s ab. Ich glaub noch nicht daran.«
Nachdem wir beide zur Genüge aufgehübscht waren, gingen wir zu Hiro und Jan in den Vorraum. Was mir zuerst auffiel, war Jans klingelndes Handy, das er hektisch aus seiner Hosentasche zog und den Anrufer ziemlich genervt wegdrückte.
Fing das jetzt schon wieder an? Ich hatte da ein unschönes Déjà-vu ...