Читать книгу Geballte Ladung Liebe - Katharina Wolf Sammelband - Katharina Wolf - Страница 37
ОглавлениеDie Spannung steigt
»Wo ist eigentlich Sebastian?«
Jan schaute sich verwirrt um und band sich seine Krawatte. Er sah zum Anbeißen aus. Mit seinem schwarzen Anzug, dem weißen Hemd und passend dazu einem dünnen dunkelgrünen Schlips hätte er auch glatt für einen Modemagazin Model stehen können. Als er den Knoten festgezogen hatte, schaute er mich an. Ich sah mit meiner kurzen schlabbrigen Hose und einem löchrigen T-Shirt mit der Aufschrift Girls Power mindestens genauso gut aus. Ach ja, außerdem hatte ich zusätzlich noch Lockenwickler auf dem Kopf. Alles in allem könnte ich auch in einem Film der Flodders mitspielen. Zumindest war ich schon geschminkt. Sebastian hatte mich angepinselt wie einen Filmstar für die Oscarverleihung und war danach dann einfach verschwunden.
»Ich gehe davon aus, dass die Braut vor der Trauung nicht gesehen werden will«, sagte ich gelassen und ließ mich auf dem Sofa nieder.
Jan prustete los und wischte sich ein paar Tränen aus dem Augenwinkel.
»Soll ja Unglück bringen, da hast du recht.«
»Was ist so lustig?«
Hiroki trat aus dem Schlafzimmer und fuhr sich dabei locker durch sein schwarzes Haar. Er hatte es etwas zurückgegelt, aber nicht wie ein Lackaffe, sondern eher wie ein schicker Hipster. Auch er trug einen dunklen Anzug, der allerdings aus drei Teilen bestand. Die elegante Weste wurde von erhabenen Ornamenten aus Samt verziert. Hemd, Krawatte und die Blume am Revers waren weiß.
»Hiro, ich werd bekloppt. Du siehst heiß aus!« Hiro grinste und drehte sich einmal im Kreis. Ich pfiff zwischen den Zähnen und klatschte anerkennend in die Hände.
»Jaja, jetzt reicht‘s auch wieder, ich hab mich immerhin auch schick gemacht«, mischte sich Jan gespielt eifersüchtig ein und stellte sich zwischen uns.
»Du siehst doch eh immer scharf aus«, antwortete ich und winkte ab.
»Tu ich das?« Er lächelte sein bezauberndstes Lächeln und gab mir einen schnellen, keuschen Kuss auf die Wange. Ich schaute verlegen zu Boden. Das war alles so dermaßen ungewohnt. Ich traute dem Frieden noch nicht ganz.
»Aber Leute«, ich stieß Jan etwas von mir. »Jetzt mal im Ernst. Wo ist Sebastian? Ich habe immer noch nichts zum Anziehen und außerdem weiß ich nicht, was ich damit machen soll.« Ich zeigte auf meinen Kopf und die Lockenwickler. Ich konnte ja wohl schlecht so aus dem Haus. »An Halloween wär ich der Bringer, aber ich bezweifle, dass mich Sebastian so als Trauzeugin möchte. Der rastet doch aus!«
»Da kann ich weiterhelfen.« Jan verschwand wie selbstverständlich kurz im Schlafzimmer von Sebastian und Hiroki und kam mit einem schwarzen Kleidersack über dem Arm zurück.
»Bitteschön. Und das hier auch noch.« In der Hand hielt er einen Schuhkarton. »Ähm, ich leg dir beides mal in deinem Zimmer auf die Couch, du kommst klar?« Ich atmete einmal durch und nickte.
Nachdem Jan alles abgelegt und das Zimmer wieder verlassen hatte, schloss ich die Tür hinter ihm und wandte mich meinem Schlafquartier zu. Aufgeregt öffnete ich den Reißverschluss des großen schwarzen Kleidersacks und erblickte grünen Stoff. Ich grinste. Kein Rosa. Das stimmte mich schon mal optimistisch.
Ich zog Hose und Oberteil aus und schlüpfte in das Kleid. Es fühlte sich gut an. Es machte ein schönes Dekolleté und puschte meine nicht gerade riesige Oberweite angenehm und ansehnlich nach oben. Ab der Taille erstreckten sich mehrere lagen Satinstoff in allen möglichen Grüntönen bis zum Boden und es hatte dezente Ärmel mit etwas schwarzer Spitze. Es erinnerte mich an das Kleid, dass ich in dem einen Laden gesehen hatte. Das war ganz ähnlich gewesen und ... ich schaute stutzig an mir herab und dann in den Spiegel vor mir. Das war das Kleid. Ich war mir hundertprozentig sicher. Hatten sie mich dabei gesehen, wie ich es bewundert hatte? Ich drehte mich ein wenig und genoss das Gefühl des frischen, luftigen Stoffs an meinem rechten, gips-freien Bein. Ach, da war ja was ... Ich starrte auf den Schuhkarton. Na ja, was sollte mich schon erwarten? Highheels garantiert nicht. Ich hob den Deckel und sah auf einfache, schwarze Ballerinas. Yes! Ich nahm den rechten und zog ihn an. Den linken ließ ich in der Packung. Irgendwann würde vielleicht auch der noch zum Einsatz kommen.
Kaum war ich fertig angezogen, klopfte es dreimal kurz an der Tür und zu meiner Überraschung streckte Christian seinen Kopf in den Raum.
»Darf ich reinkommen?«
»Christian! Ja klar!«, sagte ich voller Freude und lächelte ihn an.
Er trat in mein Zimmer und sah in einem dunkelblauen Anzug mit buntem Einstecktuch sehr ungewohnt, aber wirklich gut aus. Ich hatte ihn nun schon legerer auf dem Junggesellenabschied erlebt und als glitzernde Dragqueen in diesem Gay Club. Ihm stand einfach alles. »Perfekt. Das haben Jan und Sebastian wirklich toll ausgesucht.« Er strahlte mich an und schloss die Tür hinter sich. Dann kam er mit gezücktem Kamm und Haarspray auf mich zu gelaufen.
»Was hast du damit vor?«
»Keine Sorge. Ich bin extra wegen dir hier. Ich habe strikte Instruktionen von Sebastian erhalten. Er wollte unbedingt, dass ich mich um deine Haare kümmere, und er meinte, dass ich dich notfalls knebeln und fesseln soll, falls du dich dagegen wehrst. Aber das wird nicht nötig sein, oder?« Als hätte ich eine Wahl! Sein Tonfall ließ jedenfalls keine Widerworte zu.
»Da möchte ich mich jetzt noch nicht abschließend festlegen.« Er lachte und begann, die Lockenwickler aus meinen Haaren zu drehen.
»Kannst du das auch?«, fragte ich skeptisch.
»Willst du mich beleidigen? Du hast mich doch schon voll gestylt als Patty Passion gesehen.« Ich lachte und musste ihm Recht geben. Er hatte das definitiv besser drauf als ich. Ich hatte keine andere Wahl, als ihm zu vertrauen.
Ich setzte mich auf einen Hocker und Christian hinter mich auf das Bett. Er zupfte, drehte und toupierte. Nicht selten dachte ich, dass er mir mehr Haare ausriss als frisierte. Aber nach einiger Zeit schien er zufrieden zu sein. Er steckte noch eine Haarsträhne mit einer Haarnadel hinter meinem Ohr fest und erstickte mich in einem Nebel an Haarspray. Dann nickte er mit einem zufriedenen Lächeln.
»So wird Sebastian garantiert zufrieden sein.«
»Da habe ich ja Glück«, gab ich ironisch zurück. Christian half mir daraufhin hoch und betrachtete mich noch mal von oben bis unten. Den Gips sah man kaum, trotzdem stockte sein Blick kurz, als ein wenig davon unter dem Kleid hervorblitzte. Ich ging davon aus, dass Sebastian oder Hiro mit ihm gesprochen und ihm von dem Unfall erzählt hatten. Christian stellte keine Fragen und sprach mich nicht darauf an. Er wischte mir lediglich mit dem Daumen ein paar verunglückte Make-Up-Reste von der Wange und nahm mich dann vorsichtig in die Arme.
»Wirklich bildhübsch, schau dich an.«
Ich drehte mich und musste ihm beim Blick in den großen Wandspiegel Recht geben.
»Nicht schlecht.« Verdammt, ich sah wirklich gut aus! Die langen braunen Locken, die am Hinterkopf etwas toupiert und locker hochgesteckt waren, passten perfekt zu meinem dezenten Make-Up, das vor allem meine Augen betonte und riesig wirken ließ. Mit dem grünen Kleid dazu sah ich aus wie eine Waldfee. Das Humpeln war zwar nicht gerade elegant, aber da das Kleid bis zum Boden ging, fiel es nicht sofort auf.
»Zeig dich mal Jan«, drängte Christian und schob mich aus dem Zimmer.
»Warte doch, ich ...«
»Jan, Schätzchen, komm mal her!«, schrie mir Christian ins Ohr. Warum musste der Kerl nur immer so laut brüllen?
»Was ist denn?« Jan kam um die Ecke und blieb wie von Blitz getroffen abrupt stehen. Er machte große Augen und nickte anerkennend. »Wow, du ... einfach nur wow.« Ein Lächeln legte sich auf sein Gesicht und er schluckte nervös. »Wow«, wiederholte er nochmals leise für sich und kam dann auf mich zugelaufen, um mich in den Arm zu nehmen. »Du bist so wunderschön.« Es waren nur wenige simple Worte und ein sanftes Hauchen gegen mein Ohr. Dennoch beschleunigte sich mein Puls und meine Wangen begannen zu glühen. Jan küsste mich auf den Mund, auf den Mundwinkel, auf die Schläfe und auf den Hals. »Du siehst zum Anbeißen aus«, raunte er mit verführerisch brummender Stimme und biss mir kurzerhand ins Ohrläppchen.
Oh. Mein. Gott.
Eines meiner Beine gebrochen, das andere wacklig. Ich war kurz davor einfach umzukippen. Nur Jans starke Arme hielten mich aufrecht.
»Ich freue mich darauf, dich heute Abend auszupacken.« Mir entfuhr ein Wimmern, als er wieder begann, meinen Hals mit seinen Lippen zu liebkosen. Dieser Mann raubte mir den Verstand.
Hiro, der plötzlich neben uns aufgetaucht war, räusperte sich und rieb sich verlegen den Hinterkopf.
»Sorry Leute, dass ich euch stören muss, aber so wie es aussieht, müsste ich dann mal schnell heiraten. Also wenn ihr es zeitlich einrichten könntet ...«
Wir lachten und Jan schlug Hiro freundschaftlich auf die Schulter.
»Aufgeregt?«
»Langsam schon. Ich will gar nicht wissen, wie es Sebastian gerade geht.«
»Der ist bestimmt fix und fertig«, sagte Christian und bestätigte damit das, was wir alle dachten.
»Wo ist der Idiot denn jetzt?« Ich konnte es nicht fassen, dass er einfach verschwunden war.
»Wo wohl? Der ist zur Party-Location gefahren und checkt da, ob alles stimmt. Ob die Deko so ist, wie er es sich vorgestellt hat, ob die Technik steht und so weiter. Es soll ja alles perfekt sein.«
»Oh Mann, das hätte doch auch ich machen können«, erwiderte Jan, der sich wohl in seiner Trauzeugen-Ehre angegriffen fühlte.
»Kennst ihn doch.« Hiro winkte ab.
»Und nun?«, fragte ich ungeduldig.
Wir standen alle fertig gestylt in Flur und schauten uns an. Hiro trabte nervös von einem auf das andere Bein und betrachtete seine Armbanduhr. Dann griff er nach Mantel und Schal.
»Na ja, wir fahren jetzt zum Standesamt und Christian, du fährst uns einfach hinterher. Ich hoffe nur, dass ich meinen zukünftigen Gatten dort antreffe und er nicht vor Aufregung auf dem Weg irgendwo kollabiert ist.«