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Enthüllungen

Ich wachte auf und spürte sofort, dass irgendetwas nicht stimmte. Etwas piepste auf ziemlich nervige Art und Weise und mir tat alles weh. Mein Kopf pochte mit meinem linken Bein um die Wette und das Atmen fiel mir schwer. Ich konnte ein schmerzverzerrtes Stöhnen nicht unterdrücken.

»Nora? Bist du wach?«

Ich stöhnte ein weiteres Mal. Musste das sein? Er? Ich schlug die Augen auf und schaute mich verwirrt um. Ich lag in einem Krankenhaus, dessen war ich mir schnell sicher. Weiße Wände, karge Einrichtung, seltsame Geräte, gebleichtes Bettlaken und der penetrante Geruch nach Desinfektionsmittel. Eindeutig eine Klinik.

»Was zur ...?« Ich versuchte mich aufzusetzen, aber es funktionierte nicht. Ich wurde leicht panisch.

»Hey Nora, bleib ruhig. Du trägst eine Halskrause. Tu dir nicht weh.«

»Jan? Was ist los? Warum bist du hier?«

»Du hattest einen Unfall. Einen Autounfall.«

»Autounfall?«

»Ihr wart zu viert im Auto. Der Fahrer liegt ein paar Zimmer weiter mit ungefähr den gleichen Verletzungen wie du. Die anderen beiden sind nahezu unverletzt.«

Ich versuchte mich zu erinnern, mit wem ich in welchem Auto gewesen sein sollte. Aber mein Kopf tat weh und erschwerte mir das Nachdenken. Jan bemerkte wohl, dass ich Schmerzen hatte, und drückte auf einen roten Knopf neben meinem Bett.

»Wir müssen Bescheid sagen, dass du wach bist.« Ich schaute ihn überfordert an. Ich hatte Angst und Schmerzen und verstand einfach gar nichts. Ich merkte, wie sich langsam Tränen in meinen Augen sammelten. Als ich meinen Arm heben wollte, fiel mein Blick auf die Infusion und die vielen Kratzer, die sich auf meiner Haut abzeichneten. Jan beugte sich über mich und strich mir erst einige störende Haarsträhnen aus dem Gesicht und wischte mir dann mit dem Daumen die Tränen weg. Diese zärtliche Geste gepaart mit seinem besorgten Gesichtsausdruck brachte mich erst recht zum Heulen.

»Was machst du hier, Jan?« Meine Stimme zitterte.

»Ich lass dich nicht mehr alleine.«

»Du ...« Ich kam nicht dazu, meinen Satz zu beenden. Eine pummelige Krankenschwester betrat das Zimmer und begrüßte mich mit lauter, aufdringlicher und viel zu fröhlicher Stimme.

»Hallo Frau Krüger, schön, dass Sie wach sind. Haben Sie Schmerzen?« Ich nickte. »Wo genau tut es Ihnen denn weh?«

»Mein Kopf und mein Bein. Und irgendwie die Rippen.«

»Ich werde gleich den zuständigen Arzt zu Ihnen schicken. Bis dahin gebe ich Ihnen schon mal ein schwaches Schmerzmittel.«

Dankbar schluckte ich die Tablette und nahm auch das Glas Wasser, das sie mir reichte, entgegen. Mein rechter Arm funktionierte ohne Probleme, nur die linke Seite meines Körpers war malträtiert.

In dem Moment krachte die Tür auf und Sebastian kam gefolgt von Hiro ins Zimmer gestürmt.

»Oh Gott, Nora, du bist endlich wach!«

Sebastian kam zu mir gerannt und nahm mich in den Arm. Ich zog scharf die Luft ein. Sein Verlobter zwang ihn daraufhin glücklicherweise, mich aus seiner brutalen Umarmung zu entlassen, indem er ihn von mir wegzog und ihn tröstend selbst in den Arm nahm.

»Tut mir leid, ich bin nur so froh«, sagte er unter Schluchzern und wischte sich mit dem Handrücken ein paar Tränen aus den Augen. Hiro lächelte mich an und wirkte ebenfalls erleichtert.

Ich war immer noch überfordert von der Gesamtsituation.

»Aber Nora, ich bin auch sauer. Was machst du denn für einen Scheiß? Der verdammte Fahrer des Autos hatte 2,2 Promille! Warum fährst du denn mit so jemandem mit? Kanntest du ihn?« Plötzlich kamen mir wieder einige Erinnerungsfetzen in den Sinn. Mike, Emma und Rob. Ich hatte sie an dem Abend kennengelernt. Vor dem Club. Ich wusste nichts von ihnen. Nichts außer ihren Namen. Ich schüttelte den Kopf und starrte auf die Bettdecke.

»Warum seid ihr denn alle hier?«

»Einer der Typen in dem Auto hat mich angerufen. Ich war die letzte Nummer, die du von deinem Handy aus gewählt hattest.«

Ich nickte. Okay, das klang logisch.

Wieder ging die Tür auf, wodurch ich vor Schreck zusammenzuckte, während Bianca in mein Krankenzimmer kam. Auch sie atmete erleichtert auf, als sie sah, dass ich bei Bewusstsein war. Sie kam zu mir gelaufen, lehnte sich über das Bett und nahm mich in den Arm. Ich schloss die Augen und strich ihr vorsichtig mit der Hand über den Rücken, damit mir die Infusionsnadel nicht aus der Vene rutschte.

»Ich bin okay«, sagte ich mit leiser, leicht zittriger Stimme. Sie gab mir einen Kuss auf die Wange und erhob sich wieder.

»Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht. Zum Glück bist du wieder wach.« Doch schneller, als ich schauen konnte, wandelte sich ihr Gesichtsausdruck plötzlich von Erleichterung in Wut.

»Dieses Krankenhaus ... Da muss man sich erst als deine Mutter ausgeben, um an Infos zu kommen ...« Sie schüttelte genervt den Kopf und ging dann auf Jan und Sebastian zu.

»Könnt ihr bitte mal kurz rausgehen? Ich möchte mit Nora alleine sprechen.«

»Mama, das ist doch Quatsch. Wir sind eine Familie«, gab Sebastian störrisch zurück. Jan nickte und trat unterstützend neben seinen Bruder. Hatte ich hier eigentlich auch was zu melden? Anscheinend ja nicht. Dabei hatte ich ein mehr als ungutes Gefühl bei der Sache.

»Könnt ihr mich nicht erst mal durchatmen lassen? Ich check noch gar nicht richtig, was passiert ist.« Ich hatte wirklich Hoffnung, dass sie mich in Ruhe lassen würden. Aber da hatte ich die Rechnung ohne Bianca gemacht, die sich nun bedrohlich vor mir aufbaute.

»Nein, wir werden das jetzt besprechen, Nora! Sag uns einfach nur, wie lange. Wie lange nimmst du schon Drogen?«

Sebastian fuhr erschrocken zusammen und hielt sich an Hiro fest, der keinerlei Reaktion zeigte. Auch Jan riss die Augen verwundert auf und starrte mich an. Ich vermied jeglichen Blickkontakt und konnte mir ein leichtes Augenrollen nicht verkneifen. Jetzt würde es kommen. Das Donnerwetter, auf das ich so gerne verzichtet hätte. Sie würden es nie verstehen und Erklärungen hatten keinen Sinn. Ich wollte nicht in ihre enttäuschten Gesichter sehen. Verdammt!

»Nora?« Bianca hörte sich drohend an. »Seit wann?«

»Jetzt übertreibt mal nicht, ey. Seit drei oder vier Jahren vielleicht.«

»Wir sollen nicht übertreiben?« Sebastian Stimme überschlug sich beinahe vor Hysterie und auch Hiros Hand auf seiner Schulter war nicht in der Lage, ihn zu zügeln.

»Ich bin nicht abhängig oder so, okay? Nur ab und an. Zur Entspannung ... zum Runterkommen.«

»Mensch Nora, hast du vergessen, wie es deine Mutter zugrunde gerichtet hat? Willst du so enden wie sie?« Ich krallte meine Hände in die Bettdecke und versuchte, meine Atmung zu beruhigen. Das war definitiv ein wunder Punkt und ich hatte dem nichts entgegen zu setzen.

Jan schaute auf den Boden und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Ich hörte ein leises »Fuck« aus seiner Richtung. Sebastian schaute wie drei Tage Regenwetter und Bianca war sauer. Toll. Kann mich bitte jemand wieder zurück ins Koma versetzen?

Als der Arzt einige Minuten später das Zimmer betrat, verließen es alle anderen. Zum Glück. Ich kam mir vor wie auf der Anklagebank.

In einem kurzen Gespräch erklärte mir der Doc, was geschehen war. Ein anderes Auto war uns auf einer Kreuzung links in die Fahrerseite reingeknallt. Anscheinend waren wir über Rot gefahren. Mein Bein war gebrochen. Ein glatter Unterschenkeldurchbruch. Zudem hatte ich ein Schleudertrauma, eine Gehirnerschütterung und zahlreiche Schnittwunden von der gesprungenen Scheibe. Mike, der Fahrer des Wagens, hatte fast identische Verletzungen. Emma und Rob fehlte nichts. Immerhin wurden sie von unseren Körpern geschützt. Wir waren menschliche Airbags.

Dann musste der Arzt mich natürlich auch noch auf meinen Drogenkonsum ansprechen. Ich behauptete einfach, dass es ein einmaliger Ausrutscher war, und versprach, es nicht mehr zu tun. Der Arzt nickte skeptisch. Aber eigentlich interessierte es ihn nicht die Bohne. Das war nicht sein Job. Wahrscheinlich rechnete er insgeheim damit, mich in naher Zukunft sowieso wieder hier anzutreffen.

Danach war ich wieder alleine und atmete erst mal tief durch. Es war wirklich mehr als verwirrend, irgendwo aufzuwachen und nicht zu wissen, wie man dahin gelangt war. Aber na ja, eigentlich dürfte ich mich darüber ja nicht mehr wundern oder überrascht sein. Nach meinen Partynächten mit diversen Drogen war ich hin und wieder in fremden Betten erwacht. Trotzdem saß der Schock tief. Im einen Moment machst du Party und denkst an nichts Böses und im nächsten wachst du einbandagiert in einem Krankenbett auf.

Es vergingen einige Minuten, bevor sich die Tür ein weiteres Mal öffnete. Jan betrat das Zimmer mit einem zaghaften Lächeln, schob einen Stuhl neben mein Bett und ließ sich darauf nieder. Ohne zu zögern, nahm er meine Hand und behielt sie in seiner. Er sagte nichts und ich hatte keine Kraft, mich gegen seine Nähe zu wehren. Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der wir beide auf meine weiße Bettdecke starrten, ergriff er das Wort.

»Ich möchte dir so gerne helfen.«

Ich schloss die Augen und verkniff mir einen bissigen Kommentar. Er streichelte meine Handinnenseite und strich mir sanft über die Fingerkuppen. Es war schön und so vertraut. Aber auch schmerzhaft. Wieder brannten Tränen in meinen Augen und ich biss mir auf die Lippe, um mein bebendes Kinn in Zaum zu halten.

Keine Schmerztablette der Welt kam gegen diese Qual an.

Geballte Ladung Liebe - Katharina Wolf Sammelband

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