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1 - Erwachen

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Zu einer Zeit, als noch kein Pulsschlag die eisige Finsternis des Universums störte, erwachten zwei aus purer Energie bestehende Wesen, die über eine logisch funktionierende Intelligenz und enorme mentale Fähigkeiten verfügten.

Das erste Geschöpf, welches sich selbst Ydur nannte, erzeugte anfangs bei jedem Gedanken nur einige wenige Lichtpunkte, welche seine Umgebung kurzzeitig erhellten und dadurch einen Raum offenbarten, der grenzenlos und auf den ersten Blick vollkommen leer schien. Doch mit der Zeit wurde daraus eine dauerhaft leuchtende Aura, deren Leuchtkraft beständig zunahm, je intensiver sich Ydur mit Fragen beschäftigte, die nicht nur seine Existenz betrafen. Und so erkannte das Wesen schließlich, dass es inmitten einer endlos erscheinenden Staubwolke weilte, in der sich nichts regte, solange es selbst keinen Versuch machte, irgendetwas verändern zu wollen. Also begann es zu experimentieren und stellte dabei fest, dass es anhand seines bloßen Willens nicht nur die einzelnen Staubpartikel in Bewegung bringen konnte, sondern auch imstande war, diese in eine bestimmte Richtung zu lenken oder auf der Stelle innehalten zu lassen. Zudem fand es heraus, dass die einzelnen Teilchen keineswegs gleich waren. Dieser Erkenntnis folgend begann es damit, seine Umgebung intensiv zu erforschen und gewann dadurch das Wissen, dass in seiner Umgebung viele verschiedene Elemente zu finden waren, die man miteinander verbinden und so Neues erschaffen konnte.

Ydurs Experimente hatten zur Folge, dass hin und wieder auch organisches Leben entstand. Allerdings existierten diese Schöpfungen nur kurze Zeit, denn die unbarmherzige Kälte des Raumes ließ sie relativ schnell wieder zugrunde gehen.

Das zweite Wesen nannte sich Enai. Es konnte zwar selbst kein Licht erzeugen, nahm die Gegebenheiten seines Existenzbereiches aber so deutlich wahr, als gäbe es keine Dunkelheit. Zudem verströmte es mit jedem Gedankenimpuls Wärme, die seine unmittelbare Umgebung beeinflusste.

Mental genauso umfangreich begabt, wie Ydur, nutzte Enai die eigenen Talente anfangs ausschließlich dazu, aus dem kosmischen Staub kompakte Kugeln zu formen, die es Sterne nannte und die es dann so stark erhitzte, dass sie in Brand gerieten und zu rot glühenden Feuerbällen wurden. Allerdings passte bei einigen Sternen die Zusammensetzung ihrer Masse nicht, sodass sie schnell wieder auseinanderfielen, wobei auch ihre Leuchtkraft schwand. Andere hingegen barsten aufgrund ihrer wärmeempfindlichen Anteile in Millionen Stücke, die dann unkontrolliert nach allen Seiten wegschossen. Also dachte das Geschöpf über dieses Problem nach und kam relativ bald zu der Erkenntnis, dass nicht nur eine sorgfältige Auswahl der zu verwendenden Komponenten zu treffen, sondern auch eine bessere Kontrolle seiner Kräfte nötig war, damit die Existenz- und Wirkungsdauer seiner Schöpfungen erhöht wurde.

Sowohl Ydur als auch Enai waren zunächst der Meinung, jeder von ihnen sei die einzige, sich seiner selbst bewusste Lebensform inmitten einer Finsternis, die keine Grenzen und schon gar kein Ende aufwies. Als sie schließlich aufeinander aufmerksam wurden, näherten sie sich vorsichtig einander und erkundeten dann voller Neugierde, wie der andere wohl beschaffen und mit welchen Fähigkeiten er ausgestattet sei.

Der Phase des Kennenlernens folgte bald eine Zeit des Vergleichens, wobei beide Geschöpfe erstaunliche Erkenntnisse gewannen. Enais glühende Geschosse konnten von Ydur gezielt gesteuert und letztlich auch zum Stehen gebracht werden, sodass sie zu Fixpunkten wurden, an welchen man sich orientieren konnte. Die Strahlungswärme, welche diese Sterne an ihre Umgebung abgaben, wirkte sich schon bald auf deren Umgebung aus, was wiederum dazu führte, dass die von Ydur erschaffenen Organismen immer länger existieren konnten. Als dem ersten Geschöpf aufging, dass Wasser eine große Rolle bei seiner Arbeit spielte, begannen es damit, jeden Eisklumpen einzusammeln, den es ausfindig machen konnten, um sein Werk mithilfe der Feuchtigkeit zu verbessern. Dabei regte sich immer öfter etwas Unbekanntes aber sehr angenehmes in seinem Bewusstsein. Und diese Empfindung benannte es nach einiger Zeit mit ‚Freude‘.

Eine Zeit lang machte es Ydur und Enai großes Vergnügen, ihr Können immer wieder unter Beweis zu stellen. Und so füllte ihre beständig anhaltende Lust am Erschaffen das Universum sowohl mit glühenden, hell leuchtenden Sternen, als auch mit Planeten, die zwar ein heißes Inneres aber auch eine feste äußerliche Kruste besaßen. Zudem ergab es sich, dass einige dieser heißen Brocken beim Erkalten Gase absonderten, die am Ende eine Art schützende Hülle bildeten, die den Verlust des gerade erst gesammelten Wassers verhinderten. Dies wiederum führte dazu, dass auf diesen besonderen Planeten eine ungeheure Vielfalt von organischem Leben angesiedelt werden konnte.

Es hätte auf immer und ewig so weitergehen können. Doch eines Tages versuchte Enai vergeblich, es Ydur gleichzutun und einen seiner Sterne auf einem bestimmten Punkt anzuhalten. Doch mit jedem gescheiterten Versuch steigerte sich das Wesen in eine unbeherrschte Frustration hinein. Als es seiner grenzenlosen Enttäuschung schließlich Luft machte, vernichtete der von ihm ausgesandte Feuersturm einige Planeten, auf welchen mittlerweile die schönsten und artenreichsten Gärten zu finden waren.

Zutiefst verärgert, weil es meinte, man habe sein Werk absichtlich zerstört, zog sich Ydur daraufhin in einen weit entfernten Teil des Universums zurückzog, um seine Trauer über die Vernichtung zu verarbeiten.

Enai versuchte unterdessen die Zerstörung wiedergutzumachen, denn es war zutiefst entsetzt darüber, was es angerichtet hatte. Da es aber nicht imstande war, alles wieder so zu gestalten, wie es zuvor gewesen war, fühlte es sich bald zutiefst deprimiert. Und weil es sich nun wie ein völlig nutzloses Geschöpf vorkam, streifte er allein durch die unendlichen Weiten des Raumes und fühlte sich alsbald so einsam, dass er am liebsten nicht mehr existieren wollte.

Ydur ging es nicht besser. Dennoch benötigte das Geschöpf eine geraume Zeit, um sich zu einem Entschluss durchzuringen. Als es sich schließlich auf die Suche machte und den ehemaligen Spielgefährten voller Selbstverachtung und Todessehnsucht vorfand, wurde es unvermittelt von der Angst überwältigt, in Zukunft und für alle Zeiten wieder ganz allein sein zu müssen.

„Ich kann nicht vergessen, was du getan hast.“ Die keineswegs angriffslustig klingende Botschaft in gewohnter Weise an sein Gegenüber sendend, ließ Ydur seine Aura gleichzeitig ein wenig dunkler erscheinen, denn es wollte damit zusätzlich betonen, dass es immer noch enttäuscht war. „Aber ich verzeihe dir, weil ich sehe, dass du dein Tun bereust.“

„Ja“, bestätigte Enai. „Es tut mir wirklich sehr leid. Ich wollte sein wie du. Aber jetzt weiß ich, dass das nicht möglich ist, weil jeder von uns ein einzigartiges Individuum ist.“

„Wir sollten nicht länger ohne Plan vorgehen“, schlug Ydur daraufhin im versöhnlichen Tonfall vor. „Es wäre viel klüger, wenn wir uns auf ein bestimmtes Ziel konzentrieren und etwas schaffen würden, woran wir uns lange Zeit gemeinsam erfreuen können. Na, was denkst du?“

„Es gibt nichts, was meine zerstörerische Kraft erschaffen könnte“, erwiderte Enai immer noch traurig. „Ich bin zu nichts nütze.“

„Du hast offenbar nur wenig gelernt, seit wir uns kennen“, stellte Ydur fest. „Wenn du nämlich genauer aufgepasst hättest, wäre dir längst aufgefallen, dass wir eigentlich zusammengehören. Wir sind im Grunde zwei Teile einer Einheit, die nur als Ganzes einen Sinn ergibt. Ich kann ohne Wärme nichts wachsen lassen, weil ich das Eis nicht wegtauen und die ewige Kälte nicht verscheuchen kann. Und du brauchst mein Licht, damit du siehst, was du wärmen aber nicht verbrennen sollst.“

Darauf hatte Enai keine Erwiderung parat. Und da es ohnehin nichts Besseres vorhatte, ließ es sich auf den Vorschlag Ydurs ein. Also verschmolzen die beiden zu einem einzigen Ganzen, wobei sie zu einer sengend heißen und grell gleißenden Lichtgestalt wurden, deren Glanz für einen Augenblick selbst die entferntesten Winkel des Universums erreichte. Dabei geschah auch noch etwas anderes, doch das sollten sie erst später erkennen.

Einer Feuerwalze gleich, die mit rasender Geschwindigkeit durch die Finsternis raste, ließen sich die Gefährten eine lange Zeit sorglos dahintreiben. Als ihnen jedoch bewusstwurde, dass sie durch ihre Verschmelzung und den damit einhergehenden Zusammenschluss ihrer Kräfte zu einem infernalischen Todessturm geworden waren, der alles zerstörte, was auch immer ihm in den Weg geriet, erschraken sie sehr. Daher riet Ydur, dass sie fortan an Ort und Stelle stehen bleiben sollten, damit nichts und niemand mehr Schaden durch sie nähme. Gleichzeitig besann es sich auf seine ursprüngliche Absicht und schuf dann mit seinem Gefährten mehrere große Feuersterne, welche weit heller leuchteten und dabei viel mehr Wärme verströmten als alle Sterne vor ihnen.

„Wir wollen sie Sonnen nennen“, schlug es vor. „Jede von ihnen soll zum Zentrum einer Planetengruppe werden, die wir zu Gärten machen können.“

„Ja, das machen wir“, stimmte Enai voller Vorfreude zu. „Vielleicht kannst du dann …“

„Wir können alles tun, was uns gerade einfällt“, unterbrach Ydur, wohl wissend, was Enai gerade dachte. „Ist dir denn nicht aufgefallen, dass wir uns seit unserer Verschmelzung verändert haben?“

Enai verstand zunächst nicht. Doch dann ging ihm auf, was Ydur meinte.

„Wir sind ein Geschöpf, das alle Kräfte in sich vereint“, stellte es verwundert fest.

„Ganz genau“, bestätigte Ydur. „Es gibt keinen Unterschied mehr zwischen uns, denn wir sind jetzt eine untrennbare Einheit.“

In der Folgezeit entstanden neue Welten, die, angefüllt mit den verschiedenartigsten Kreaturen, den Geist der Gefährten erfreuten und zu ständig neuen Aufgaben ermutigten. Doch trotz aller Schaffensfreude fühlten sie immer öfter eine seltsame Leere in sich, die sie sich zunächst nicht erklären konnten. Doch dann ging ihnen auf, dass sie immer noch das einzig intelligente Wesen waren, inmitten eines zwar artenreich ausgestatteten aber allein von Instinkten gesteuerten Universums. Diese Erkenntnis wiederum führte zu der Frage, wozu sie sich überhaupt so viel Mühe gemacht hatten, wo doch keines der primitiven Lebewesen ihr Werk wirklich bewunderte oder gar um dessen Fortbestand bemüht war.

„Auch wir sollten Nachkommen haben“, erklärte Ydur eines Tages. „Wenn wir einen kleinen Teil von uns selbst opfern, werden daraus bestimmt ein paar neue Wesen entstehen, die sowohl unsere Fähigkeiten als auch unser Wissen in sich vereinen. Und die können uns dann helfen, die Gärten zu pflegen, die wir bisher angelegt haben. Vielleicht haben sie auch Freude daran, selbst neue Gärten anzulegen und mit Leben zu füllen, was bestimmt spannend wird.“

„Das ist wirklich ein guter Einfall von dir“, stimmte Enai erfreut zu. „Unsere Nachkommen sollen unser Schaffen pflegen und stets mit Vernunft und Fürsorge darüber wachen, dass unsere Schöpfungen erhalten bleiben und der Kreislauf des Lebens nicht gestört wird.“

*

Die Gebun bestanden wie ihre Schöpfer aus reiner Energie. Sie waren mit umfassenden mentalen Kräften ausgestattet, hatten jedoch wesentlich weniger Macht. Auch wurden sie mit eigenen Namen versehen, damit man sie unterscheiden konnte. Sie existierten und wirkten zunächst nach den Regeln, die man für sie erstellt hatte. Allerdings dauerte es nicht lange, bis sie untereinander Streit anfingen, weil jedes Wesen bedeutender sein wollte, als alle anderen.

Ydur und Enai, die nach wie vor über allen anderen Geschöpfen standen, also die höchste Macht im Universum verkörperten, sahen sich den Zwist unter ihren Nachkommen eine Weile tatenlos an. Als es jedoch so schlimm wurde, dass die Gebun sogar bereit schienen Gewalt gegen ihren jeweiligen Gegner anzuwenden, was einen gigantischen, alles zerstörenden Energiesturm und somit auch einen empfindlichen Verlust von Lebensenergie ausgelöst hätte, schritten sie ein. Und so wurde jedes Gebun in einen bestimmten Teil des Universums verbannt, wo es so lange allein an seinem ihm bestimmten Platz bleiben sollte, bis es vollständig von Egoismus und Rücksichtslosigkeit frei war. Damit es jedoch nicht vor lauter Langeweile auf dumme Gedanken kämen oder gar den Sinn seiner Bestrafung vergäße, sollte es anhand seiner Arbeit beweisen, dass er tatsächlich willens war, die Schöpfung seiner Erzeuger nicht nur zu bewahren, sondern auch selbst weiterzuentwickeln und somit zu bereichern.

Die Gebun lehnten sich zunächst mit allen Mitteln gegen ihre Schöpfer auf. Als jedoch ersichtlich wurde, dass ihre Kräfte nicht ausreichten, um den Bann zu überwinden, der sie an Ort und Stelle fesselte, gab sich eines nach dem anderen geschlagen. Nichtsdestotrotz gärten in einigen der Zorn weiter, was dazu führte, dass diese Gebun keine friedvolle und bunte, sondern schattenreiche und wilde Gärten schufen, die sie mit ebensolchen Kreaturen füllten.

Xeyos Tränen

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