Читать книгу Xeyos Tränen - Katica Fischer - Страница 6

4 - Aufbruch

Оглавление

Mit der ersten Sichtung des Kometen Swer, der von diesem Zeitpunkt an noch drei Wochen brauchen würde, um in Eotans Nähe zu gelangen, wurde das zehnte und letzte Raumschiff fertiggestellt und mit allem bestückt, was für die lange Reise notwendig war. Anschließend inspizierte man noch einmal die Kryostase-Einheiten und instruierte dann jeden Aufbrechenden einzeln über die weitere Vorgehensweise. Als schließlich der Tag des endgültigen Aufbruchs begann, wurden alle Passagiere in Tiefschlaf versetzt. Am Ende schloss und versiegelte man die Abdeckungen ihrer eisigen Schlafstätten in der Hoffnung, diese sicher und unbeschadet nach Aquitan bringen zu können. Eine Stunde vor dem Start versammelten sich schließlich die leitenden Köpfe zu einem letzten persönlichen Gespräch, bevor ein jeder seinen Platz auf der Kommando- oder Funktionsebene seines Schiffes einnahm.

Zusammen mit zwei Technikern, einer mächtigen Telepatin, einer Heilerin und einem Sternkundigen saß der jeweilige Schiffskapitän in der obersten Ebene der Steuereinheit. Eine Etage tiefer lagen acht Ondore-Tax in einem engen Kreis auf weichem Untergrund so, dass sich ihre Köpfe fast berührten. Mit fest geschlossenen Lidern verknüpften sie ihre Hirne anhand eines stabilen telepathischen Netzes, bevor sie sich gemeinsam darauf konzentrierten, ihr Raumschiff vom Boden abheben zu lassen.

Die wach gebliebenen Yden spürten, wie sich die Luft um sie herum mit prickelnder Energie auflud. Auf ihrer Haut schienen plötzlich ganze Armeen von Feuer-Ameisen herumzurasen. Und ihr Haar begann sich knisternd aufzurollen, bis es einer unentwirrbar scheinenden Kappe glich. Gleichzeitig merkten sie, wie sie sich mitsamt dem Schiff aufwärts bewegten – erst langsam und leicht ruckend, dann immer schneller werdend. Zudem wurden sie durch die immer größer werdende Geschwindigkeit in ihre Sitze niedergedrückt, unfähig, sich aus eigener Kraft daraus zu erheben.

Das Fliegen war für die Yden keine neue Erfahrung, denn in der Vergangenheit war oft Gelegenheit gewesen, diesem Freizeitvergnügen in den leichten Seglern nachzugehen. Doch die Tatsache, dass sie nun im Begriff waren, Eotan zu verlassen und nie wieder zurückkehren, verursachte bei so manch einem ein mulmiges Gefühl in seiner Körpermitte. Der schnell davonrasenden Planetenoberfläche mit den Augen folgend, gewöhnten sie sich jedoch bald an die Nebenwirkungen der Ondore-Tax-Energie und den Druck, der sie in ihren Sitzen hielt.

Sobald die Schiffe in der unmittelbaren Nähe von Swers Schweif anlangten, errichteten die Ondore-Tax-Zirkel eine zusätzliche Energieblase um die jeweiligen Raumfähren, um diese beim Eintritt in die Wolke aus Eiskristallen und Staubpartikeln zu schützen. Trotzdem wurden alle so durchgeschüttelt, dass man schon fürchtete, die Schiffe könnten jeden Moment in Millionen Teile zerbrechen.

„Keine Angst.“ Elyka, die verantwortliche Technikerin auf dem Schiff des Dyonaten lächelte beruhigend in die Runde. „Sobald wir unseren Platz direkt hinter dem Kometen erreicht haben, hört das auf.“

Xeyo erwiderte das Lächeln voller Wärme. Als er jedoch realisierte, dass er damit ausschließlich Verunsicherung und somit eine höchst unwillkommene Reaktion in Form einer deutlich sichtbaren Hauterscheinung verursachte, wandte er die Augen ab. Doch schon kurze Zeit später suchte sein Blick erneut die hochgewachsene Gestalt, die sichtlich konzentriert die Messdaten beobachtete, welche ihr auf den verschiedenen Monitoren angezeigt wurden. Für Elyka würde er im wahrsten Sinne des Wortes durchs Feuer gehen, schoss es ihm unvermittelt durch den Sinn. Obwohl er sie kaum kannte, war sie ihm so wichtig wie kein anderes Individuum aus seinem Volk. Aber wie war es möglich, dass ihn eine Frau derart für sich einnahm und ihn gleichzeitig vollkommen aus der Fassung brachte, fragte er sich nun. Konnte das Liebe sein? … Möglich, gab er sich selbst zur Antwort. Vyane hatte behauptet, Liebe wäre ein Gefühl, das einen einfach gefangen nahm und dann nicht mehr losließ. Und wenn das stimmte, dann kannte auch er nun diese Empfindung.

Es dauerte zwei Monate, bis Elyka ihren angstvollen Respekt vor dem Dyonaten soweit überwunden hatte, dass sie ihm gefasst gegenübertreten konnte. Danach vergingen weitere drei Wochen, bis sie es schaffte, seinen Blick ohne eine sichtbare Hautreaktion zu erwidern. Als er sie jedoch eines Tages auf dem Weg zu den Frachträumen abfing und ihr zu verstehen gab, dass sie für ihn mehr war, als nur ein wichtiges Mitglied der Schiffs-Crew, leuchteten die roten Zeichen auf ihren Wangen wie frisches Blut.

„Du erlaubst die sicher einen Scherz mit mir.“ Wenn er sie bloß in seiner unmittelbaren Nähe haben wollte, hätte eine entsprechende Aufforderung genügt, dachte sie verunsichert. Allerdings schien es ihm nicht allein um körperliche Nähe zu gehen. Und das … Oh, allmächtiger Rye! Konnte das wirklich wahr sein?

„Das tue ich ganz sicher nicht“, versicherte Xeyo mit sanfter Stimme. „Es ist mir in der Tat sehr wichtig, dass du weißt, wie es um mein Herz steht.“

„Dein Herz?“ Sie wusste nicht, wie sie seine Aussage deuten sollte.

„Ja, mein Herz“, erwiderte er leise, während er noch einen Schritt auf sie zu ging, und ihr dadurch so nahekam, dass sie die Wärme spüren konnte, die von seinem Körper ausstrahlte. „Es schlägt schneller, wenn ich dich ansehe. Und es möchte dir am liebsten entgegenfliegen, um immer nur bei dir zu sein.“

„Warum ich?“, entschlüpfte es ihr. „Ich bin doch nur eine kleine Technikerin.“ Sie verehrte ihn fast so sehr, wie Rye. Allerdings hatte sie bisher weder eine Erklärung noch eine Bezeichnung für dieses seltsame Gefühl in ihrem Inneren gefunden. Doch jetzt begann ihr allmählich zu dämmern, was das alles bedeutete.

„Liebe kümmert sich nicht um besondere Fähigkeiten oder die Rangordnung des anderen“, erklärte Xeyo unterdessen leise. „Sie folgt ihren eigenen Regeln.“ Vorsichtig eine Hand ausstreckend, berührte er gleich darauf mit einem Finger ihre Wange, was die flammenden Zeichen auf ihrer Haut noch deutlicher hervortreten ließ. Als sie daraufhin leicht den Kopf drehte und ihre Stirn auf die Stelle seines Handgelenkes drückte, wo der Puls deutlich zu sehen war, durchströmte in eine Welle frohen Glücks, denn jetzt, da sie ihre mentalen Barrieren gesenkt hatte, konnte er erkennen, was in ihr vorging. „Rye meint es gut mit mir“, raunte er, indem er sie an sich zog, um seine Stirn gegen ihre zu drücken. „Hier und jetzt nehme ich dich zu meiner Gefährtin. Von jetzt an bleiben wir Seite an Seite, bis wir ausgelöscht werden oder im Glanz von Rye aufgehen. Nichts kann uns trennen, solange unsere Liebe dauert. Wo du bist, werde auch ich sein, denn wir gehören zusammen.“

Elyka meinte zunächst, sie würde vor lauter Glück vergehen. Doch dann traf sie der Energiestoß, welcher von Xeyo auf sie übersprang, wie der gnadenlose Hieb eines mordlüsternen Yden-Kriegers. Nicht länger fähig, auf eigenen Beinen zu stehen, hing sie in seinen Armen und konnte nicht fassen, dass sie noch lebte, obwohl in ihrem Inneren ein schier unerträgliches Feuer wütete.

„Hilf mir“, keuchte sie. „Ich verbrenne.“

Xeyo wusste zunächst nicht, was er darauf antworten oder was er machen sollte. Doch dann fiel ihm eine Unterredung mit Kalynte ein. Die oberste Heilerin hatte ihm kurz vor dem Start offenbart, dass ihrer Beobachtung zufolge aufrichtige Liebe zwischen zwei Individuen manchmal dazu führen konnte, dass ein Teil von den Kräften des stärkeren Partners auf den schwächeren übertragen wurden. Es sei ein Vorgang, der meist mit einem ungeheuren Glücksgefühl einherginge, hatte sie erklärt. Man hätte ihr jedoch auch schon erzählt, dass ein fast unerträglicher Schmerz die Zusammengehörigkeitserklärung begleitet habe. Vor allem dann, wenn der schwächere Partner mehrere Generationen jünger war.

„Wiederhole meine Worte“, verlangte er aus einer Eingebung heraus. „Dann wird es besser.“

Elyka gehorchte und seufzte dann vernehmlich, weil das infernalische Fieber zusehends erträglicher wurde. Allein die Hitze in ihrer Mitte blieb, bis Xeyo seine Hand auf ihren Bauch legte und so dafür sorgte, dass sie sich zu einer angenehmen Wärme wandelte.

Der Erste Yde spürte die Erleichterung und die Kraft, die jetzt den gesamten Körper seiner Gefährtin fluteten. Gleichzeitig realisierte er, dass sie durch ihn keineswegs nur gestärkt wurde. Nein. Sie war ihm ebenbürtig!

„Was hast du mit mir gemacht?“, fragte sie, sobald sie wieder imstande war, verständliche Worte zu formulieren.

„Was meinst du?“, reagierte er irritiert.

„Als du mich zu deiner Gefährtin erklärt hast, ist etwas mit mir geschehen“, erklärte sie. „Und jetzt möchte ich wissen, warum ich dachte, ich müsse sterben.“

„Ich habe nichts getan“, versicherte er. „Aber Rye hat offenbar dafür gesorgt, dass wir von jetzt an auf der gleichen Stufe stehen, was unsere mentalen Kräfte betrifft.“

„Du meinst …“ Seit sie denken konnte, hatte sie sich gewünscht, von ihm gesehen und umarmt zu werden. Doch die Macht, die ihr durch ihn verliehen wurde, machte ihr Angst. „Ich bin doch nur eine kleine Technikerin.“

„Nein, das bist du nicht.“ Er lachte. „Du bist jetzt eine sehr starke Elyka, die von heute an die gleichen Rechte und Pflichten hat, wie der Yde, der dein Herz für sich erobert hat.“ Beide Hände auf ihre Wangen legend, zog er gleich im Anschluss ihren Kopf zu sich heran, um erneut seine Stirn gegen die ihre zu drücken. Als sie daraufhin ihre Arme um ihn schlang, und sich fest an ihn presste, seufzte er glücklich. „Ich wusste nicht, was Liebe ist, bis ich dich sah“, erklärte er leise. „Und jetzt bin ich froh, dass alles so gekommen ist und wir uns gefunden haben.“

Da Elykas Gesicht sein gesamtes Sichtfeld ausfüllte, bemerkte er zunächst nicht, dass ihre Umgebung plötzlich in ein goldenes Licht getaucht war. Doch dann wurde er auf das Leuchten aufmerksam, welches von ihr ausging. Also lockerte er seine Umarmung, um sie besser betrachten zu können, und sog dann überrascht den Atem ein. Von den ehedem roten Zeichen auf den sichtbaren Flächen ihrer Haut war nichts mehr zu sehen. Stattdessen strahlte es so warm und hell aus ihr heraus, als wäre in ihrem Inneren eine Sonne. Selbst ihr Haar war nicht mehr silbern, sondern von einer Farbe, die an reines Gold erinnerte. Dieses Phänomen hatte er schon einmal gesehen, erinnerte er sich. Allerdings war es bei Vyane bei Weitem nicht so schön gewesen, wie jetzt bei Elyka. Sie wirkte in der Tat wie ein Wesen aus einer anderen Welt!

„Du bist nicht nur wunderschön, sondern tatsächlich ein Wunder“, raunte er, bevor er erneut seine Stirn an die ihre drückt.

„Das sind wir beide“, erwiderte sie leise. „Auch du strahlst.“ Sie lachte glücklich, während sie seine Hand fasste, um ihre Wange in seine Handfläche zu legen. „Wie schön das ist.“ Sie seufzte. „Ich möchte dich nie wieder loslassen.“

Die Nachricht, dass man nun wieder eine Dyonata besaß, die genauso mächtig war, wie ihr Gefährte, verbreitete sich wie ein Lauffeuer und löste Überraschung und Freude aus. Allein eine Yden-Frau auf Xeyos Schiff nahm die Neuigkeit mit versteinertet Miene auf, bevor sie sich wortlos abwandte und in ihr Quartier ging.

*

Die Reiseroute und Geschwindigkeit der zehn Raumschiffe entsprach den Berechnungen, die man im Vorfeld gemacht und mehrfach überprüft hatte. Daher blieb während der Reise genug Zeit und Muße, um sich mit Fragen zu beschäftigen, wie die Zukunft des Yden-Volkes auf Aquitan aussehen sollte. Dass es ein vollkommen neues, von künstlich hergestellter Energie und Hochleistungs-Industrie unabhängiges Leben sein sollte, stand ja bereits fest. Weil das aber nur mit einer gründlichen Vorausplanung gelingen konnte, saßen sowohl Xeyo und Elyka als auch die übrigen Führungsköpfe samt der wachen Crew oft und lange im Gemeinschaftsraum ihrer Schiffe zusammen, um Pläne auszuarbeiten, die jede Eventualität berücksichtigen. Sie alle wussten, ihr Ziel-Planet besaß eine stabile Gashülle auf Sauerstoff, Stickstoff, einigen Edelgasen und Kohlendioxid. Sie wussten auch, es gab Wasser und ausreichend Land, das für den Anbau der hoch entwickelten Pflanzen geeignet zu sein schien, die man zum Überleben benötigte. Sie wussten allerdings nicht, ob sie ihre neue Heimat mit intelligenten Lebewesen würden teilen müssen.

Xeyo hatte mehrfach versucht, seinen Schöpfer dazu zu bewegen, doch wenigstens ein paar Informationen preiszugeben, damit man sich entsprechend vorbereiten konnte. Doch Rye dachte gar nicht daran, denn er wollte sehen, wie die Yden das Problem aus eigener Kraft meisterten.

„Selbst, wenn auf Aquitan blutgierige Bestien ihr Unwesen treiben, macht das nichts.“ Elyka sah den frustrierten Zorn in den Augen ihres Gefährten und wollte ihn nun beschwichtigen, bevor er seiner Enttäuschung freien Lauf ließ und dabei womöglich etwas sagte, was seinen Schöpfer ernsthaft beleidigte. „Ein Volk, das einen atomaren Krieg überstehen konnte, wird bestimmt eine Möglichkeit finden, um sich wilde Tiere vom Hals zu halten.“

Sie hatte nicht ganz Unrecht, gestand sich Xeyo ein. Dennoch nahm er Rye das Schweigen übel, welches schon so lange anhielt.

„Tue nichts, was du später bereuen könntest“, mahnte Elyka im sanften Tonfall. „Dein Erwecker wird seine Gründe haben, warum er dir nicht antwortet.“ Sie drückte für einen langen Augenblick ihre Stirn gegen seine und verließ dann die gläserne Schiffskuppel, um ihre Arbeit für diesen Tag zu beginnen.

Elyka hatte erst ein Drittel der Kryostase-Einheiten im ersten Laderaum überprüft als ihr bewusstwurde, dass sie nicht die einzig wache Person vor Ort war. Also drehte sie sich herum, um den Neuankömmling zu begrüßen und nach seinem Begehr zu fragen. Sie kam jedoch gar nicht dazu, auch nur einen Ton von sich zu geben, denn im selben Augenblick surrte eine lange, ungemein scharf geschliffene Messerklinge durch die Luft, die nur einen Sekundenbruchteil später ihren Hals durchtrennte.

Zur gleichen Zeit, da seine Gefährtin enthauptet wurde, krümmte sich Xeyo in einem Anfall nahezu unerträglichen Schmerzes. Es war ihm, als wollte man ihn in zwei Stücke schneiden. Zudem hatte er ein Verlustgefühl, wie wenn ein Teil seiner selbst nicht mehr vorhanden wäre.

„Elyka!“ Er konnte kaum noch stehen, so kraftlos war er plötzlich. „Nein!“ Sein Aufschrei, der sowohl laut hörbar als auch auf telepathischem Wege ausgestoßen wurde, erreichte nicht nur die Crew seines eigenen Schiffes, sondern auch die Yden auf den anderen Raumfähren. Seine Füße mit aller Macht zum Gehorsam zwingend, taumelte er vorwärts, bis er den Raum erreichte, in welchem der Mord geschehen war. Dort fand er nur Elykas Körper, nicht aber ihren Kopf, was ihm einen weiteren, zutiefst verzweifelten Schrei entlockte.

Mehrere Minuten lang kniete Xeyo auf dem Boden und wiegte seine tote Gefährtin in den Armen, unfähig, seine Qual in irgendeiner Weise zum Ausdruck zu bringen. Als ihm schließlich bewusstwurde, dass er schon die ganze Zeit auf die Blutlache starrte, an deren Rand ein undeutlicher Schuhabdruck zu erkennen war, zuckte er überrascht hoch. Gleichzeitig stieg das Bild wieder vor seinem inneren Auge auf, welches in seinem Kopf aufgeblitzt war, während ihn die erste Schmerzattacke geschüttelt hatte. Es war ein weibliches Gesicht gewesen, das Elyka in der letzten Sekunde ihres Lebens gesehen hatte, erinnerte er sich. Und es war ein Antlitz, das ihm jeden Tag mindestens einmal begegnete!

Ohne weiter nachzudenken, legte Xeyo Elykas leblosen Körper vorsichtig ab und stand auf, um sich auf den Weg zu machen. Er musste gar nicht lange suchen, bis er die Yden-Frau fand, die neben ihrer Aufgabe als Heilerin auch für das leibliche Wohl der Schiffs-Crew verantwortlich war. Doch stand er ihr kaum gegenüber, da hob er auch schon den Arm, mit der Absicht, Cecyle anhand seiner Kräfte vernichten zu wollen.

„Sie wurde von deiner eigenen Erweckerin ins Leben gerufen“, grollte er. „Wieso musste sie sterben?“

„Weil sie sich genommen hat, was ich schon so lange begehrte.“ Die Gefragte war längst nicht mehr fähig, vernünftig zu denken. Rasend vor Eifersucht hatte sie zugesehen, wie der Platz, den sie selbst irgendwann einnehmen wollte, durch Elyka besetzt wurde. Als sie es schließlich nicht mehr ausgehalten hatte, dem verliebten Paar zusehen zu müssen, war sie hingegangen, um die Sache zu bereinigen. Dabei war sie nicht ein einziges Mal auf den Gedanken gekommen, dass ihr Verhalten alles andere als hilfreich sein könnte. Selbst jetzt, da sie als Mörderin entlarvt war, klammerte sie sich an die Hoffnung, doch noch ans Ziel ihrer Träume gelangen zu können. „Elyka hat sich nie dafür interessiert, wie man ein Volk lenkt. Sie wollte immer nur, dass du sie siehst. Aber ich wollte schon immer mehr! Du könntest in mir nicht nur eine ergebene Gefährtin, sondern auch eine Dyonata finden, die dir einen Teil deiner Last abnimmt.“ Der Kopf ihrer Rivalin war längst an einem Ort, wo man ihn niemals finden würde. Selbst, wenn es gelungen wäre, Elykas Gestalt in ihrer Unversehrtheit wiederherzustellen, hätte man sie nicht mehr zurückbringen können, denn ihr Lebensfunke war längst auf dem Weg in die Ewige Finsternis.

Xeyo meinte zunächst, Cecyle hätte allein aus Enttäuschung darüber gehandelt, weil er seine Liebe einer anderen Frau geschenkt hatte. Doch dann erkannte er den Machthunger und die Grausamkeit, die sich hinter dem hübschen Frauengesicht versteckte. Und das erschreckte ihn so sehr, dass er, ohne länger nachzudenken, seine zerstörerische Macht gegen sie schleuderte.

Cecyle sah das vernichtende Feuer auf sich zu rasen, nicht fähig, irgendetwas zu tun, um sich zu retten. Allein ihre Frustration, angesichts ihrer Niederlage, äußerte sich in einem zornigen Aufschrei, welcher auf allen Ebenen des Schiffes zu hören war. Als schließlich nur noch ein Häufchen Asche von ihrem Körper übrig war, schoss ihr Lebensfunke davon, um sich außerhalb der Raumfähre in den dunklen Weiten des Alls zu verlieren.

Xeyo indes stand mit hängenden Armen immer noch an Ort und Stelle. Er fühlte sich nun so leer, als hätte man ihm tatsächlich alle Kraft ausgesaugt. Rye hatte offenbar eine sadistische Freude daran, ihm jede Gefährtin wegzunehmen, stellte er bitter fest. Also würde er von nun an keine Frau mehr so nahe an sich heranlassen, dass sie sein Herz berühren konnte. Außerdem würde er zu verhindern wissen, dass weitere Leben um seinetwillen geopfert wurden. Besser gesagt, sobald Aquitan erreicht und die Landung erfolgreich abgeschlossen war, würde er alles hinter sich lassen und eigene Wege gehen. Er hatte nämlich genug davon, ein Volk zu leiten, dem nichts anderes so wichtig war, wie das persönliche Wohl!

Gefangen in seiner Trauer um seine über alles geliebte Gefährtin lehnte es Xeyo in der Folgezeit rigoros ab, sich öfter in der Gesellschaft seiner Crew aufzuhalten, als es unbedingt nötig war. Während also alle anderen nicht nur die Gegenwart ihrer wachen Reisegefährten, sondern auch allerlei Unterhaltungsmöglichkeiten suchten, um sich von der Tatsache abzulenken, dass sie alle in metallenen Kisten inmitten eines unvorstellbar kalten Universums eingesperrt waren, nicht genau wissend, wann und ob sie überhaupt an ihrem Ziel ankommen würden, hockte er lieber alleine in seinem Quartier, ausschließlich damit beschäftigt, seinen Erinnerungen nachzuhängen.

Xeyos Tränen

Подняться наверх