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Zwei Tonnen Hund

Wie Baba in mein Leben trat

Baba war ein Zufall. Ich wollte einen ganz anderen Hund adoptieren, eine aufgeweckte Belgische Schäferhündin, die allerdings anderswohin vermittelt wurde. In Freiburg führte ich damals die Tierheimhunde aus und nahm häufiger Clementine mit, eine stark übergewichtige Rottweiler-Hündin. Ein armer, fetter Findling mit unbekannter Vergangenheit. Clementine war auf unseren Gassi-Runden in der Regel teilnahmslos, lief gleichgültig neben mir an der Leine und interessierte sich weder für mich noch für die Umgebung. Ich hatte nicht allzu viel Freude mit ihr, sie tat mir aber leid – ich wollte, dass sie wenigstens etwas von ihren 30 überschüssigen Kilos verliert. Bei einem unserer Gassi-Gänge begleitete mich mein damaliger Partner. Und Clementine war wie ausgewechselt: Sie brachte uns Stöckchen, animierte zum Spielen, legte sich mit Schwung auf den Rücken, um am Bauch gekrault zu werden, und schmuste mit uns. Sie tat einfach alles, was ein agiler, neugieriger, lebenslustiger Hund tut. "Sag mal, wollen wir nicht die Clementine adoptieren?", fragte ich meinen Freund in einem Anfall von Übermut. "Bist du verrückt, zwei Tonnen Hund?", fragte er zurück.


Hauptsache Rudel

Ein paar Tage später zogen die zwei Tonnen Hund bei uns ein. Aus Clementine wurde Baba, auf Polnisch "Weib". Der Name schien mir passend, weil der süße Klotz so grobmotorisch und ungraziös unterwegs war, keine Elfe und ganz sicher keine Lady. "Rammbock" hätte ihr aber auch gestanden. Sehr schnell haben wir herausgefunden, wie Baba tickt. Nicht mein Freund, also nicht die männliche Gesellschaft, wie ich ursprünglich vermutet hatte, war der Grund für Babas gute Laune, sondern die Nähe des "Rudels". Baba war nur ein ganzer Hund, wenn zwei oder mehr Menschen in der Nähe waren. Dann versprühte sie ihren Charme und glänzte mit überdurchschnittlicher Intelligenz. Sie lief immer ohne Leine – außer in der Stadt, als Alibi – und niemals weiter als fünf Meter von ihrem Menschen entfernt, meist direkt bei Fuß. Sie erledigte sogar ihr Geschäft auf Kommando, wartete dann aber oft, bis ich von meinem Abstecher zum Mülleimer wieder zurückkam und wir den weiteren Weg fortsetzen konnten. Der Tüte hinterher zu traben und wieder zurück, schien ihr häufig sinnlos. Sie war eine Einzelgängerin, anderen Hunden gegenüber vollkommen gleichgültig. Es zählte nur der Mensch. Wir verstanden uns wortlos. Sie war uns eine großartige Partnerin und treue Begleiterin. Eine Persönlichkeit, ein Dickkopf, ein süßer Fratz. Im Laufe der Zeit hat sie ihre überflüssigen Pfunde verloren, an Grazie aber keinen Deut gewonnen.

Dreijährige Freundschaft

Nach drei gemeinsamen Jahren, sie war ungefähr zehn, mussten wir sie leider wegen eines akuten Nieren- und Leberversagens gehen lassen. 2007 war ich wissenstechnisch leider nicht so weit wie heute. Ich hatte Baba regelmäßig entwurmen und impfen lassen, sie hatte auch Trockenfutter bekommen. Mit dieser Speiseplangestaltung gehörte ich zu den 45 Prozent der Hundehalter11, die ihren Tieren Trockenfutter vorsetzen. Nach Einschätzung des Hamburger Tierarztes Dirk Schrader sind 80 Prozent der Todesfälle bei älteren Hunden und Katzen krebsbedingt. Den Zuwachs bei den Tumoren führt er auf das industrielle Futter zurück. "Mit den Umsatzzahlen der Futterindustrie stieg die Krebsrate massiv an", behauptet der Arzt, der im Buch "Katzen würden Mäuse kaufen" zitiert wird.12

Unwissen schützt vor Strafe nicht

Babas Gebrechen führe ich auf mein Unwissen zurück. Und auf meine Gutgläubigkeit den Tierärzten gegenüber. Das Bewusstsein, das Leben des geliebten Tieres eigenhändig verkürzt zu haben, tut sehr weh. Ich klammere mich nur noch an den Gedanken, dass sie mit uns drei glückliche Jahre genossen hat. Unwissenheit schützt leider nicht vor Strafe. Für uns war es der viel zu frühe Abschied und die unsägliche Leere, die Baba hinterlassen hat. Von ihrer Vergangenheit wussten wir gar nichts. Außer, dass sie Vorbesitzer hatte, die ihr unheimlich viel beigebracht und sie krankhaft übergewichtig haben werden lassen. Dem gemeinsamen Lebensabschnitt mit Baba verdanke ich meine Schwäche für Rottweiler – und eine ganze Menge unvergesslicher Erinnerungen, die mich immer noch zum Lächeln bringen. Ich hatte Baba nie als Welpe erlebt, konnte sie nicht aufwachsen sehen – das ist bei Tierheimhunden sehr selten. Doch niemals – niemals! – hätte ich Baba gegen einen Welpen mit einer perfekten Ahnentafel getauscht. Nach meinen Begleitern werde ich immer in den Tierheimen suchen. Von Hundezucht halte ich nichts. Die Tierheime quellen über, dort gibt es Hunde jeder Größe, jeden Alters, Rassehunde und Mischlinge, die alle sehnsüchtig auf ihre Chance warten und die sich oft selbst aufgeben, wenn sie Hoffnung auf ein Zuhause verloren haben. Wer Tiere wirklich liebt, müsste eins adoptieren statt es designen zu lassen. Niemand braucht einen maßgeschneiderten Hund. Einen Hund zu adoptieren macht mich nicht zu einem besseren Menschen. Es macht aber das Hundeleben besser. Und das ist ein verdammt gutes Gefühl.


Baba, halb Hund, halb Mensch

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