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Auf unterschiedlichen Wegen zum Tierwohl

Ziele und Herausforderungen deutscher und internationaler Tierschutzorganisationen

Nach "Tierschutzorganisationen" gegoogelt, erschlagen mich über eine Million Suchergebnisse. Offensichtlich ist Tierschutz ein Thema. Das Spektrum der Probleme und Lösungen ist sehr breit, so widmen sich unterschiedliche Organisationen verschiedenen Schwerpunktthemen: der Zucht, den Haltungsbedingungen, der Jagd oder den Tierversuchen. Mit Projekten, Protestaktionen und Petitionen gehen sie gegen das durch den Menschen verursachte Tierleid vor. Die einen setzen auf verstörende Bilder und schockierende Happenings, um aufzurütteln, die anderen gehen eher auf leiseren Sohlen und plädieren für schrittweise Veränderungen.


Freiwillige vor!

Neben wenigen Festangestellten, die den Kern der Vereine ausmachen, sind es vor allem Ehrenamtliche, die die Arbeit der Tierschutzorganisationen überhaupt erst ermöglichen. Laut dem im Fünf-Jahres-Rhythmus stattfindenden Deutschen Freiwilligensurvey17 haben sich im Jahre 2014 in Deutschland knapp 31 Millionen Menschen ab 14 Jahren freiwillig engagiert. Das entspricht 43,6 Prozent der Bevölkerung und bedeutet einen zehnprozentigen Anstieg seit 1999. Für die Umwelt, den Natur- und Tierschutz haben sich 8,6 Prozent der Freiwilligen engagiert.

Auf Spenden angewiesen

Allen Natur- und Tierschutzorganisationen gemeinsam bleibt die Abhängigkeit von Spendengeldern. Die Organisationen finanzieren sich fast ausschließlich aus privaten Spenden und Mitgliedsbeiträgen, ein Teil der Mittel kommt auch von Unternehmen oder Stiftungen. In einer Studie der Stiftung Warentest18 wurden sechs von 44 untersuchten Organisationen als besonders förderungswürdig ermittelt: Atmosfair, BUND – Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Deutscher Tierschutzbund, Greenpeace, Provieh und WWF Deutschland. Sie "arbeiten wirtschaftlich, sind transparent und gut organisiert". Die VIER PFOTEN, PETA (People for the Ethical Treatment of Animals) sowie IFAW (International Fund for Animal Welfare) wurden in der Studie als "unwirtschaftlich arbeitende Organisationen" bezeichnet. Nach Auffassung der Stiftung Warentest arbeitet eine Spendenorganisation dann wirtschaftlich, "wenn sie für Verwaltung und Werbung höchstens 35 Prozent der Ausgaben eines Jahres einsetzt." Nach eigenen Angaben der PETA fließen allerdings "87 Prozent der Spenden direkt in Aufklärungskampagnen, politische Arbeit, PR-Kampagnen und Öffentlichkeitsarbeit", teilte die Organisation in einer Stellungnahme mit. Der Verein VIER PFOTEN entgegnete wiederum: "Im Geschäftsjahr 2012 hat VIER PFOTEN Deutschland insgesamt 47,35 Prozent der Ausgaben für Projekte und Kampagnen sowie weitere 17,74 Prozent für Informations- und Öffentlichkeitsarbeit aufgewendet. Damit beträgt die Quote der satzungsgemäßen Aufwendungen insgesamt 65,09 Prozent. Dem gegenüber stehen die Werbungs- und Verwaltungskosten, nämlich Kosten für Verwaltung (6,96 Prozent) sowie Fundraising inklusive Neuspendergewinnung (27,71 Prozent)."

Spenden-Siegel für die Guten

Eine Spenderberatung und Auskünfte über förderungswürdige Organisationen bietet das Deutsche Zentralinstitut für Soziale Fragen (DZI), das auch das DZI-Spenden-Siegel vergibt. Das Markenzeichen für seriöse Spendenorganisationen kann von gemeinnützigen Organisationen selbst beantragt werden, allerdings nur von solchen, die in den zwei letzten abgeschlossenen Geschäftsjahren jeweils mindestens 25.000 Euro Geldspenden erhalten haben. Wo viel Geld fließt, ist der Bedarf an Information und Entscheidungshilfe auch am größten. Eine Organisation, die die Zertifizierung anstrebt, muss sich einer detaillierten Prüfung nach wirtschaftlichen, rechtlichen und ethischen Kriterien unterwerfen und den Prüfern Einsicht in ihre Rechnungen, Jahresberichte, Aufsichtsprotokolle sowie Informations- und Werbematerialien gewähren. Diese Standards erhöhen Seriosität und Vertrauenswürdigkeit im Spendenwesen. Das bestätigt auch eine Ende 2016 von Spiegel Online veröffentlichte Studie19, die die Wirkungstransparenz von 50 großen Spendenorganisationen bewertet. In dem Ranking schnitten Hilfswerke mit DZI-Spenden-Siegel mit durchschnittlich 3,8 von 5 Punkten besser ab als Organisationen ohne DZI-Siegel, die im Durchschnitt 3,3 Punkte bekamen.


Das DZi-Siegel steht für vertrauenswürdige Organisationen

PETA: Gegen Anbindehaltung, Pelzfarmen und Wildtiere im Zirkus

Eine der Organisationen, die bisher auf die freiwillige Mitgliedschaft in einer Transparenz-Organisation wie dem DZI oder dem Deutschen Spendenrat, verzichtet hat, ist PETA. Durch ihre penetranten Undercover-Recherchen und schonungslose Aufklärungsarbeit, die viel Aufsehen, aber nicht selten auch Abneigung erntet, zählt PETA zu den bekanntesten Tierschutzorganisationen der Welt. Mit etwa fünf Millionen Unterstützern weltweit ist PETA auch die größte Organisation dieser Art. Sie setzt sich gegen die Tötung der männlichen Küken, die lebenslange Anbindehaltung von Kühen und Amputationen bei Hühnern, Kälbern oder Schweinen ein. Sie will die Schließung der deutschen Pelzfarmen und das Verbot besonders grausamer Schlachtmethoden wie der CO2-Vergasung oder des schmerzhaften Schenkelbrandes bei Pferden erwirken. Auch das Verbot für Wildtiere im Zirkus steht ganz oben auf dem PETA-Aktionsprogramm. In der öffentlichen Wahrnehmung ist die Organisation durch die Aufdeckung der Tierquälereien im Umfeld von Wiesenhof oder des Skandals um die falsch etikettierten Bio-Eier präsent. Auch die Recherche über den Kükenzüchter Lohmann oder den Skandal um die zurückgetretene Tierschutz-Ministerin Astrid Grotelüschen gehen auf das PETA-Konto.

Die deutsche Partnerorganisation des 1993 in den USA gegründeten Mutter-Vereins hält das hiesige Tierschutzgesetz für dringend reformbedürftig. "Dass ein Tier vor Gericht immer noch eine Sache ist, darf einfach nicht sein", sagt Lisa Wittman, Fachreferentin für Tiere in der Ernährungsindustrie bei der Tierrechtsorganisation PETA Deutschland e. V. "Ein Beispiel: ›Man darf einem Tier OHNE GRUND keinen Schaden hinzufügen.‹ Das lässt doch zu viel Spielraum. Es sind Ausnahmen und unterschiedliche Interpretationen möglich. Auch sind sogenannte Haus- und Nutztiere vor dem Gesetz nicht gleichgestellt. Hunde und Katzen dürfen beispielsweise in Deutschland nicht gegessen werden. Schweine und Rinder aber sehr wohl. Wenn ein Hund misshandelt wird, ist der Aufschrei groß. Aber kaum einer regt sich darüber auf, dass sogenannte Nutztiere ein Dasein fristen ohne jegliche Möglichkeit, ihre Bedürfnisse auszuleben."

SOKO Tierschutz: Investigativ gegen Tierquälerei

Ähnlich energisch und medienwirksam recherchiert auch der investigative Journalist Friedrich Mülln, der bereits seit den 90er-Jahren Missstände in der Tierhaltung aufdeckt. Ob Tierquälerei in der Schweinemast, unsägliche Haltungsbedingungen auf Geflügelfarmen oder Tierversuche in Laboren – der Aktivist recherchiert, dokumentiert und informiert. Er ist auch Gründer von "SOKO Tierschutz", einem gemeinnützigen Verein, der sich für die Rechte der Tiere, der Umwelt und des Verbraucherschutzes einsetzt. Am 14. Oktober 2008 erhielt Friedrich Mülln für Aufdeckungen zum Thema Tierquälerei und insbesondere für seinen erfolgreichen Rechtsstreit um Meinungsfreiheit mit dem Weltkonzern Covance den Preis für Zivilcourage der Solbach-Freise-Stiftung. Auf die Frage, was an der Misere um die Nutztiere schlimmer wäre, die Profitgier der Betriebe, die Untätigkeit der Politik oder die Ignoranz der Konsumenten, antwortet der 40-Jährige: "Letztere sind die Ausschlaggebenden, die Konsumenten schicken gerne Politiker oder die bösen Konzerne vor. Aber mit jedem Kauf, auch vom Tierfutter, geben sie genau den Zuständen den Auftrag, die sie dann in TV-Beiträgen erschüttern. Ich sage immer, die Höchststrafe für Tierquälerei ist ein geändertes Ess- und Kaufverhalten und damit meine ich nicht den Metzger um die Ecke oder den Bauern des Vertrauens". Obwohl er immer wieder aggressive Reaktionen ernte, rate er zu weitgehend pflanzlichen Optionen. "Wir entziehen den Haustieren in Zucht und Haltung weitgehend die natürlichen Wurzeln, aber beim Hundefutter muss dann plötzlich alles wie vor tausenden Jahren sein? Dazu kommt noch, dass im Tierfutter aus der Fleischproduktion der letzte Dreck aus der Tierhaltung verarbeitet wird. Ich kann den Hundehaltern nur empfehlen: Scheuklappen ablegen und handeln!"

Albert Schweitzer Stiftung: Für Nutztiere und vegane Lebensweise

Auch die "Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt" setzt sich seit ihrer Gründung im Jahr 2000 für sogenannte "Nutztiere" ein. Zusammen mit nationalen und internationalen Kooperationspartnern nimmt die deutsche Organisation auch Einfluss innerhalb der EU sowie auf global agierende Unternehmen. Mit Hilfe wissenschaftlicher Erkenntnisse konzentriert sich die Stiftung auf Kampagnen und Aktionen in den Bereichen Wirtschaft, Verbraucherinformation, Recht und Politik. Da ein Ende des Nutzens von Tieren zu Nahrungszwecken derzeit nicht absehbar ist, wirkt das Team auf eine weniger qualvolle Züchtung, Haltung und Tötung von Tieren in der Lebensmittelproduktion hin. "Wir setzen uns dafür ein, die schlimmsten Formen der Massentierhaltung zu beenden. So überzeugen wir etwa Unternehmen, nach und nach ihre Standards anzuheben und bestimmte Produkte nicht mehr zu verwenden oder zu verkaufen, wie z. B. Käfigeier", erklärt Andreas Grabolle, Leiter der Stiftungskommunikation. "Darin sehen wir einen vielversprechenden Weg, zunächst die größten Missstände zu beenden und damit das Leid von Tieren erheblich zu reduzieren." Grundsätzlich betont Albert Schweitzer Stiftung aber die Notwendigkeit, das Mensch-Tier-Verhältnis grundsätzlich zu hinterfragen und setzt sich für die Verbreitung der veganen Lebensweise ein. "Da ihre umfassende Verbreitung ein langwieriger Prozess ist, begrüßen wir auch Zwischenschritte. Dazu zählen etwa die Reduktion des Fleischkonsums und die vegetarische Ernährung. Diese Wege kann jeder einzelne einschlagen. Würden viele Menschen weniger oder keine Tierprodukte mehr nachfragen, würde das den Markt und damit auch die Produktionsmethoden deutlich verändern", so Andreas Grabolle. Die Politik spiele allerdings eine entscheidende Rolle, ebenso die Rechtsprechung. Denn sie könnten und müssten durchsetzen, dass der Tierschutz als Staatsziel gleichwertig mit anderen Zielen behandelt wird.

Welttierschutzgesellschaft: Für Hunde, Kühe und Schuppentiere

Die Welttierschutzgesellschaft war ursprünglich Teil eines internationalen Netzwerks, seit 2012 ist sie aber ein völlig eigenständiger Verein. Die international engagierte Organisation mit Sitz in Berlin will die Lebensbedingungen von Tieren in Ländern verbessern, in denen es bislang kaum Tierschutzmaßnahmen gibt. Ihre Schwerpunkte liegen in Projekten zu Gunsten von Haus-, Wild- und Nutztieren: Bären, Eseln, Hunden, Katzen, Kühen, Schuppentieren, Haien und anderen. Ein großes Anliegen der Welttierschutzgesellschaft ist es, die Menschen vor Ort einzubeziehen, um nachhaltig wirksame Arbeit zu leisten. "Herausforderungen für den Tierschutz, gibt es überall, ob in Deutschland oder in jedem anderen Land der Welt", erklärt Bettina Praetorius, Geschäftsführerin der Welttierschutzgesellschaft. "Wir sind jedoch besonders in Entwicklungs- und Schwellenländern aktiv, weil es dort sehr umfangreiche Problemkomplexe gibt und unsere interne Struktur viele Erfahrungen in diesen Ländern vorzuweisen hat.

Auch in Deutschland geht es nicht allen Tieren gut. Wir haben hierzulande aber bisweilen bessere Möglichkeiten gegen Unrecht vorzugehen oder mehr Wissen darüber, wie man Tierschutz besser durchsetzen kann". Zu den besonderen Herausforderungen des Auslandstierschutzes zählt die Geschäftsführerin die kulturellen Unterschiede, "die Frage, wie man sich auf Augenhöhe begegnet und welche Werte man hat. Methoden, wie man lernt oder wie man Wissen effektiv verbreitet. Ein individueller Zeitbegriff, unterschiedliche Abrechnungsmethoden, staatliche Auflagen oder einfach nur die Bürokratie gehören dazu." Neben aktiver Projektarbeit vor Ort ist die Organisation für ihre tiefgründige Kampagnenarbeit bekannt. Auf das Konto der Organisation geht unter anderem die Kuh+du-Kampagne, die eine starke Medienresonanz genossen hat und den Milchratgeber hervorbrachte, der wochenlang an zahlreichen Supermarkt-Kassen bundesweit auslag. "Für unsere Kampagnenarbeit ist Voraussetzung, dass es ein besonderes Tierschutzthema gibt, dass uns dringend erscheint, es aber bislang keine gesellschaftliche Gruppe gibt, die sich dafür engagiert oder das bislang zu wenig Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit genoss", sagt Bettina Praetorius. "Im Falle unserer Kuh+du-Kampagne hatten wir einen wissenschaftlichen Beirat aus Wissenschaftlern, Bauern, Tierärzten etc. gebildet, auf deren fachliche Expertise wir zurückgreifen konnten."


Streunerhunde in Südafrika, eins der Hilfsprojekte der Welttierschutzgesellschaft

Kurze Geschichte des Tierschutzes

Das erste Tierschutzgesetz Europas wurde 1822 in England erlassen und schützte Pferde, Esel, Schafe und Rinder vor Misshandlungen. In den Folgejahren wurden auch in anderen Ländern und Städten erste Gesetze zum Schutz bestimmter Tiere erlassen: 1829: USA, 1830: Sachsen, 1839: Württemberg, 1842: Schweiz und Norwegen, 1846: Österreich, 1847: Hannover, 1857: Schweden und Dänemark.

Den ersten Tierschutzverein in Deutschland – den Vaterländischen Verein zur Verhütung von Tierquälerei – gründete 1837 der Pfarrer Albert Knapp in Stuttgart. Der Verein hat sich 1881 mit weiteren Vereinen zum Deutschen Tierschutzbund zusammengeschlossen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts spaltete sich die Bewegung in gemäßigten Tierschutz und radikale Tierversuchsgegnerschaft auf. 1907 wurde die erste Tierrechtsgruppierung in Deutschland gegründet: der Bund für radikale Ethik.

Während des Zweiten Weltkriegs traten die Interessen der Tiere in den Hintergrund und dem 1933 verabschiedeten Tierschutzgesetz lagen meist antisemitische Motive zugrunde. In den 1960er-Jahren formierten sich die Bewegungen neu. Das Buch "Animal Machines" von Ruth Harrison verurteilte 1964 erstmals die tierquälerische Intensivtierhaltung. 1963 gründete der britische Journalist John Prestige die englische Hunt Saboteurs Association, die bis heute Jagdsabotagen organisiert. Der britische Psychologe Richard D. Ryder, ein Pionier der modernen Tierbefreiungsbewegung, prägte 1970 den Begriff "Speziesismus", nach dem ein Individuum aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Tierart benachteiligt wird. In den 70er-Jahren entstanden auch in Deutschland zahlreiche neue Vereine als Gegengewicht zum Deutschen Tierschutzbund. Der Bundesverband der Tierversuchsgegner, die erste bundesweit operierende Antivivisektionsorganisation, gründete sich 1982. In den Folgejahren erweiterte sich das Themenspektrum der Vereine und der Tierschutz in Deutschland hat sich gesellschaftlich etabliert. Seit 2002 ist der Tierschutz im Grundgesetz verankert.

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