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Geile Schlampe

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Ich befinde mich gerade im Buchladen meines Lieblingsbuchhändlers, in dem es manchmal bienenschwarmmäßig zugeht wegen der vielen Touristen, die dort eine Postkarte kaufen, um sich später daran zu erinnern, dass sie in Berlin waren und sich eine Postkarte in Kreuzberg gekauft haben ... Ich bin also in Kisch & Co., als draußen auf der Oranienstraße die Feuerwehr erst in die eine Richtung fährt und dann wieder in die andere und dabei ohrenbetäubend lalüt. Fup ist ganz entgeistert. Und beeindruckt. Er sagt »Oh!«, und man hört das Ausrufungszeichen mit.

Kurz danach tut sich eine andere Lärmquelle auf. Ein Mann mittleren Alters hat sich breitbeinig mitten auf den Bürgersteig gestellt wie ein Comic-Cowboy vor dem Showdown. Er brüllt aus Leibeskräften: »Du verficktes Arschloch! Du dreckiges Warzenschwein!« Aber es steht ihm niemand gegenüber, wie sich überhaupt um ihn herum eine Art Sahelzone gebildet hat.

Nur ein Mann befindet sich in seiner Nähe, wenngleich in gebührendem Abstand. Auch er beachtet den Brüller nicht. Er schließt nur sein Fahrrad auf und fährt davon. Am Schreihals vorbei, der trotz eines offensichtlich ordentlichen Alkoholpegels erstaunlich behende beiseite tritt, nur um sofort wieder seine breitbeinige Shootout-Haltung einzunehmen, kaum ist der Fahrradfahrer an ihm vorbeigefahren. »Du Arschgesicht, du Drecksau, dich würd ick ja nich mal mit ‘ner Kneifzange anfassen!«, brüllt er dem Fahrradfahrer hinterher. Und dann plötzlich, wie in einem Moment der Erleuchtung und nicht mehr so laut: »Oder vielleicht doch?« Dann geht er im Zickzack-Kurs weiter.

Fup und ich gehen auch, schwanken aber nicht so. In der Adalbertstraße bewachen Polizis­ten eine Kundgebung. Schwarz gekleidete Menschen sind gegen die Gentrifizierung »und insbesondere für den Erhalt des bedrohten Werkstattprojekts ›Linienhof‹ in Berlin-Mitte«. Das liest ein schwarz gekleideter Mann mit schwarzer Baseballmütze vom Blatt ab. Ein anderer schwarz gekleideter Mann filmt ihn dabei. Die Polizisten, die nicht so schwarz gekleidet sind, lehnen sich lässig an das Absperrgitter. Sie filmen nicht.

Viele Leute sind nicht da. Vielleicht liegt das daran, dass es sich um ein Projekt in Berlin-Mitte handelt. Vielleicht auch, weil die schwarz gekleideten Menschen merkwürdige Dinge tun. Ein paar nageln aus Holzpaletten Bänke und Liegen zusammen, und auf einem Anhänger befindet sich eine provisorische Schmiede. Ein Stück Eisen wird in eine offene Feuerstelle gehalten, bis die Spitze glüht, und dann wird mit einem Hammer darauf herumgehämmert. Ich kann nicht herausfinden, ob nur einfach so auf dem glühenden Eisen herumgehämmert wird, oder ob irgend­etwas geformt werden soll. Das Ganze nennt sich »unkommerzielles Projekt«, und das sieht man dem Projekt auch überdeutlich an. Wer will sich schon eine Sitzlandschaft aus Paletten ins Wohnzimmer stellen?

Später stellt sich heraus, dass der Journalist Matthias Greffrath irgendwie in die Geschichte um die Hausräumung verwickelt ist, weil er das Haus offenbar gekauft hat, in dem das »unkommerzielle Projekt« untergebracht ist, das nun geräumt werden soll.

Bei Matthias Greffrath fällt mir aber immer nur ein, dass er mich mal am Telefon mit »Na, du kleine geile Schlampe!« angesprochen hat. Er meinte dann aber Gottseidank nicht mich, sondern jemand anderes. Glück gehabt, aber das prägt, das kriegt man nie wieder aus dem Kopf raus.

Alles schick in Kreuzberg

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