Читать книгу Alles schick in Kreuzberg - Klaus Bittermann - Страница 9

Hit the Road, Jack

Оглавление

Morgens zur Zeitungslesezeit begebe ich mich zu »Monsieur Ibrahim«, um Zeitung zu lesen, diesmal jedoch nicht die übliche Presse, sondern das neueste Journal von Miss Trixie. Vierfarbig, klein­formatig und in nur einem Exemplar verfügbar. Ich lese in »Vermischtes«:

»In China stürzte sich ein Mann von einem siebenstockwertigen Hochhaus runter. Süchater hatten sich 4 Jahre lang um ihn gekümmert. Dass er wieder Lust am Leben hat. Die Süchater waren Profis und haben sich sehr Mühe gemacht. Experten fragen sich nun, warum es nicht geholfen hat. Wahrscheinlich war er unbeliebt, auch in der Schule. Man glaubt auch, dass er kranke Verwandte hat und sich Sorgen gemacht hat. Polizisten versuchen jetzt auch was herauszufinden.«

Ich bin hingerissen und deprimiert zugleich. Da versuche ich, lustige und hinterhältige Texte zu schreiben, und dann kommt eine zehnjährige Göre daher, noch dazu meine eigene Tochter, und zeigt mir mal ganz nebenbei, wie ein lustiger und hinterhältiger Text aussieht. Ich glaube, jetzt könnte ich auch einen Süchater gebrauchen.

Aber den könnten hier viele gebrauchen. Zum Beispiel der Mann vor Kaiser’s, der die Motz feilbietet wie ich das sonst nur von den Zeugen Jehovas kenne. Er hält sie stumm vor seine Brust wie ein Mahnmal der Anklage. Obwohl, bei dem würde ein Süchater auch nichts nützen. Geld würde schon reichen. Auch bei dem Mann, der aus einem Abfallkorb einen Coffee-to-go-Papp­becher herausfischt, den Deckel abmacht, den Kaffeerest ausschüttet und den Becher dann mitnimmt. Nur am Geld kann das nicht liegen, jedenfalls nicht im Sinne von: »Ich bräuchte jetzt einen Pappbecher, kann mir aber keinen leisten.«

In der U-Bahn-Linie 1 entern drei Spanier den Waggon. Zwei haben Trompeten dabei, einer ein Plastikharmonium, und dann haben sie auch noch eine fette Box mit Anlage dabei, die sie auf einem Hackenporsche hinter sich herziehen. Einer sagt irgendwas auf Spanisch, das ich nicht verstehe, außer »bruta«, und dann dröhnt »Hit The Road, Jack« von Ray Charles aus der Box. Sie tun so, als ob sie mitspielen würden, aber nur ein bisschen. Dann geht einer mit einem Coffee-to-go-Pappbecher herum. Es dämmert mir. Klar, wofür sonst braucht man auch einen gebrauchten Coffee-to-go-Pappbecher.

Als sie den Waggon wieder verlassen, verste­cken sie ihre Trompeten unter der Jacke.

Alles schick in Kreuzberg

Подняться наверх