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Bis es knallt
ОглавлениеNach viereinhalb Stunden mit der Deutschen Bahn bin ich reif für ein Sanatorium. Ich bin mit Hertha-Fans in einem Abteil eingepfercht. Die Klimaanlage ist ausgefallen, vielleicht aber schafft sie es einfach nicht mehr, die ganzen Ausdünstungen zu entsorgen, die sehr viele Hertha-Fankörper absondern. Viele liegen auf dem Boden herum und essen aus kleinen Schachteln und Tüten, auf denen McDonald’s steht. Noch mehr haben Bierdosen in der Hand, und wenn sie auf dem Boden keinen Platz mehr gefunden haben, lehnen sie sich an andere Hertha-Fans, die auch Bierdosen in der Hand halten, zur Not lehnen sie sich auch an Reisende, die so aussehen, als würden sie zum ersten Mal mit Hertha-Fans zu tun haben und bei denen es unschwer zu erraten ist, dass ihnen unablässig: »Das Grauen, das Grauen«, durch den Kopf geht, obwohl sie Joseph Conrad gar nicht kennen.
Ein Hertha-Fan, der dieser Vorstellung vom Grauen sehr gut entspricht, hat sein Hertha-Shirt ausgezogen und zeigt seine zahlreichen Tätowierungen. Sein Gesicht ist scharf geschnitten, und wenn er grinst, kommt eine intakte Zahnleiste mit viel Gold zum Vorschein. Er erzählt mir etwas, aber ich verstehe ihn nicht. Ich nicke zustimmend mit dem Kopf, weil es mir nüchtern schwerfällt, mich mit jemandem zu unterhalten, der breit wie ein Moschusochse ist. Zusätzlich wird unsere Kommunikation dadurch erschwert, dass ich nach fünf Versuchen der Kontaktaufnahme immer noch nicht weiß, worum es geht. Als sich unsere Wege trennen, ruft er mir hinterher: »Ich hab heute noch Sex. Und zwar jaaanz lange.« Dabei zeigt er seine Zähne und lacht.
An der Bushaltestelle stehe ich mit jungen Leuten zusammen, die gerade eine Polizeiausbildung machen. Einer erzählt, wem er als Erstem »die Fresse polieren« würde, und dass er in der Gosse gelandet wäre, wäre er nicht bei der Polizei gelandet.
Im Bus steigen drei ältere Herren in Freizeitkleidung hinzu. Sie befinden sich gerade auf der Rolle. Sie sind Vertreter auf der Suche nach ein bisschen Spaß. Ein Vertreter erklärt dem anderen Vertreter, wie man Bus fährt: »Und jetzt das Ding ganz langsam in den Schlitz schieben, bis es knallt.« Die drei lachen, und einer wiederholt zur Sicherheit noch mal: »Bis es knallt.« Und dann lachen sie noch mal.
Draußen in der Dunkelheit rauscht ein großes Plakat vorbei, auf dem mich Wowereit angrinst und behauptet, er würde »Berlin verstehen«. Viel Spaß, denke ich, und schließe Augen und Ohren.