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1994 erschien ein Buch des amerikanischen Germanisten Th. Ziolkowski mit dem Titel »Das Amt des Poeten – die deutsche Romantik und ihre Institutionen« (München), das sich nicht zuletzt auch auf »Bürger und Irre« bezieht. Ziolkowski weist nach, daß die deutschen Romantiker durchaus in der gesellschaftlichen Realität ihrer Zeit standen, diese gestalteten und in ihrer Poesie das intellektuelle Modell einer Reihe von Institutionen schufen, ohne deren systematische Wirksamkeit die Moderne nicht denkbar wäre. Er macht dies an den Institutionen Bergwerk, Justiz, Irrenhaus, Universität und Museum fest, denen er die Naturwissenschaften, die Gesellschaftswissenschaften, die Psychologie, die Philosophie und die Kunst zuordnet. In einer Zeit, in der auf der Basis des Selbstbestimmungsrechts des Individums und einer utilitaristischen Ethik die Marktwirtschaft begann, die Gesellschaft zu atomisieren, standen – so Ziolkowski – die Romantiker poetisch wie beruflich für die Modernisierung von Institutionen, durch die die Individuen sich dennoch weiterhin als Teil eines Ganzen sehen konnten. In diesem Kontext steht das Irrenhaus für die sich damals bildenden flächendeckenden Netze sozialer Institutionen, in denen nicht nur die psychisch Kranken, sondern insgesamt etwa die 10% der Bevölkerung institutionalisiert werden konnten, die gegenüber der modernen bügerlichen Vernunft als unvernünftig galten und die mangels bürgerlicher Wohlanständigkeit und industrieller Verwertbarkeit im Prozeß der Vermarktwirtschaftlichung ohne gesellschaftlichen Ort und Sinn und damit rettungslos verloren gewesen wären. Die Analyse Ziolkowski stützt die Position, daß es zu Beginn der Moderne zur Institutionalisierung störender, gestörter und unbrauchbarer Bevölkerungsgruppen keine Alternative gab. Zugleich ist sie ein Beleg dafür, daß die Wirtschaftsbürger und die Bildungsbürger, also die Repräsentanten der beiden Spaltprodukte der vollständigen aufklärerischen Vernunft, nämlich der instrumentellen Individualvernunft und der romantischen Sozialvernunft, getrennt voneinander, aber komplementär und gleichsinnig die moderne Gesellschaft gestaltet haben. Diese Überlegungen könnten sich unmittelbar dazu eignen, in der heutigen Kontroverse zwischen Liberalismus und Kommunitarismus zu einem tragfähigen Kompromiß zu kommen.

Bürger und Irre

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