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Die Vorbereitung der Revolution

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Nach dem Januarstreik 1918 war die Spartakusgruppe praktisch aufgerieben. Leo Jogiches und seine Helfer wurden im März verhaftet, die illegalen Strukturen zerschlagen, die Druckereien ausgehoben, Drucker verhaftet, Flugblätter beschlagnahmt, ja die ganze Adressenkartei fiel der Politischen Polizei in die Hände.104 Einzig Ernst Meyer hielt noch das Fähnchen hoch. Bei den Obleuten übernahm stellvertretend Emil Barth für den eingezogenen Müller die Koordination. Man stand in Kontakt zu den USPD-Männern Ernst Däumig und Ledebour. Die Obleute mieden erstmal die unter Beobachtung stehenden Reste von Spartakus, zögerten aber nicht, ab Frühsommer 1918 weitere Massenaktionen zu planen. Und diesmal war klar, ohne Bewaffnung würde man gegen die Polizei und das in seiner Haltung schwer einzuschätzende Heimatheer (die in der Hauptstadt und im Reich stationierten Truppen) keine Chance auf Erfolg haben. Man sammelte bei Sympathisanten in Deutschland, in Holland und mittels der Bolschewiki Geld für Waffen, auch wenn man autoritäre Strukturen wie bei Lenins Partei nicht zum Vorbild nahm. Luxemburg hatte aus dem Gefängnis heraus sogar die Bolschewiki, für ihre Abschaffung der Arbeiterkontrolle in den Betrieben und ihren Terror, scharf kritisiert. Meyer, der diese Kritik nicht teilte, versuchte ebenfalls, Geld und Waffen zu organisieren.

Gleichwohl war die Stimmung während des ganzen letzten Kriegsjahres nicht gerade revolutionär. Joffe, der russische Botschafter, berichtete an Lenin, man könne »auf die deutsche Revolution in nächster Zeit nicht hoffen«.

Doch dann überstürzten sich die Ereignisse. Liebknecht wurde am 23. Oktober 1918 aus dem Gefängnis entlassen und triumphal von Tausenden am Bahnhof empfangen.

Er forderte am 2. November sofortige Aktionen und geriet mit dem seit September aus dem Krieg zurückgekehrten Richard Müller von den Obleuten aneinander, der Liebknechts Vorstoß als »revolutionäre Gymnastik« bezeichnete. Man einigte sich – nach einer knappen Abstimmung – auf den 11. November als Aufstandstermin. Hauptsächlich, weil man die Massen noch nicht genügend bewaffnet sah. Es war keine direkte Konfrontation geplant, sondern man wollte, wie Rosa Luxemburg es einmal zur Revolution 1905 in Russland formuliert hatte, an die »Kasernentore klopfen« und die Truppen zur Übergabe bewegen.105 Von den Obleuten hatte Däumig, Ex-Unteroffizier (USPD), die Stimmung der Berliner Truppen erkundet. Die Haltung war unklar.

An der Westfront kam es am 31. Oktober zur Befehlsverweigerung einer ganzen Division. Sie lehnte es ab, in Metz in die Stellungen zu gehen.106 800 000–1 000 000 Soldaten waren schon im Frühjahr 1918 in einem »verdeckten Militärstreik« (Deist) den Befehlen ihrer Offiziere nicht mehr gefolgt.107


Abb. 9 Martha Globig, Foto aus den 50er Jahren

Ende August 1918 »hatten die Desertationen aus der Armee Massencharakter angenommen«108, berichtete Martha Globig. Auf den Berliner Bahnhöfen überredete die »Spartakistin« Soldaten, nicht an die Front zurückzukehren und ihre Gewehre zu behalten. In der Hauptstadt hielten sich im Oktober 1918 etwa 20 000–40 000 Deserteure auf.109 Die meisten warfen – Globigs Bitte folgend – die Flinte nicht ins Korn.

November 1918 – Der verpasste Frühling des 20. Jahrhunderts

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