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Am Abend des Tages, an dem wir den Jungen getroffen hatten, berichteten wir Mr. D. begeistert von unserem Erlebnis mit dem Jungen und von unserer Absicht, ihn in unser Haus einzuladen. Mr. D. teilte unseren Enthusiasmus nicht. Er gab zu bedenken, dass wir auf diese Weise die Armen der Straße in die Vorstädte ziehen und auf Möglichkeiten zum Stehlen aufmerksam machen würden. Wir könnten auch das Opfer einer Erpressung durch den Anhang des Jungen werden. Im Übrigen sei die Sache auch aus gesundheitlichen Gründen alles andere als unproblematisch. Wer weiß, meinte er, welche Krankheiten der Junge ins Haus schleppte.

Wir fuhren am nächsten Tag dennoch zur Mount Road, mehr aus Neugierde und Abenteuerlust als in der Erwartung, den Jungen wieder zu sehen. Es war ja kaum wahrscheinlich, dass ein Kind dieses Alters und dieser Herkunft Verabredungen mit irgendwelchen Fremden einhalten würde, die einer momentanen Regung nachgegangen waren und mit dem Kauf eines Hemdes eigentlich schon mehr für ihn getan hatten, als er erwarten konnte. Auch war der Ort unserer Verabredung nicht eben klar bestimmt. Die Bushaltestelle auf der Mount Road war kein Punkt, sondern eher ein weitläufiger Bereich, der von zahlreichen Buslinien angesteuert wurde. Dort herrschte ein permanentes Gewühl von Autos, Bussen, Radfahrern, Karren, Straßenverkäufern und unzähligen Passanten, in dem ein kleines Tamilenkind leicht untergehen konnte. Wir fanden den Jungen dann aber doch. Er schlief auf einer Steinbank, gekleidet mit dem neuen Hemd, welches noch ohne einen Flecken war. Als Kopfkissen diente ihm die Tüte vom Vortag, in der sich nun zwei alte Hemden befanden.

Wir weckten den Jungen, der uns zugleich erstaunt und erfreut anschaute. Mit Hilfe einiger Straßenhändler, die den Jungen offenbar kannten, verhandelten wir über unser Vorhaben, ihn mit zu uns nach Hause zu nehmen. Man signalisierte uns, dass es keine Probleme gebe. Unter großer Aufmerksamkeit der Straßenbewohner und der Passanten stieg der Junge schließlich zu uns in den Wagen und wir fuhren zu unserem Haus.

In Hinblick auf die hygienischen Bedenken von Mr. D. schickten wir den Jungen erst einmal unter die Dusche. Er war, sah man von seinen unbeschuhten Füssen ab, eigentlich nicht schmutzig, sondern nur staubig. Sein schwarzes, leicht gewelltes Haar war gepflegt. Es war offensichtlich von einem Friseur geschnitten worden. Als er frisch geduscht an den Tisch kam, zeigte sich, dass er sehr hübsch war. Seine tiefbraune Haut glänzte, als sei sie mit Öl eingerieben. Das noch feuchte Haar hatte er zur Seite gekämmt, sodass sich eine harmonisch gewölbte Stirn zeigte. In ihrer Mitte war, vergleichbar den Schönheitspunkten, mit denen sich die indischen Frauen schmücken, ein Mal, eine etwa zwei Zentimeter große mandelförmige Narbe, welche die Linienführung seiner Augen vertikal wiederholte.

Der Junge musterte die neue Umgebung mit großer Aufmerksamkeit. Er beobachtete, wie wir uns am Tisch verhielten und machte es minutiös nach. Im Umgang mit Messer und Gabel hatte er einige Probleme. Er ließ sich davon aber nicht entmutigen. Obwohl das Essen kaum seinem Geschmack entsprochen haben dürfte, aß er tapfer, was auf den Tisch kam.


Das Tischgespräch war nicht ganz einfach. Der Junge konnte nur wenige Brocken Englisch. Zunächst fanden wir heraus, dass er Raju hieß. Der Name, der in tamilischen Buchstaben auf seinem Unterarm tätowiert war, bedeutete „König“. Die Frage nach seinen Eltern beantwortete er auch diesmal damit, dass er "no mummy" und "no papi" habe. Vertiefen konnten wir die Frage nicht. Den Rest des Nachmittags hatten wir damit zu tun, zu klären, auf welche Weise wir miteinander kommunizieren konnten. Wir versuchten es mit Händen und Füssen und damit, dass wir bekannte oder geklärte Worte in immer wieder neuer Weise kombinierten. Raju betätigte sich dabei als Komödiant. Wenn ihm die Worte fehlten, wusste er sich durch schauspielerische Einlagen verständlich zu machen. Es machte ihm offensichtlich Spaß, uns zum Lachen zu bringen. So verging der Nachmittag auf die unterhaltsamste Weise. Gegen Abend brachten wir Raju wieder auf die Mount Road. Das Zusammensein mit ihm war so erfreulich gewesen, dass wir uns für den nächsten Tag wieder verabredeten.

No Mummy, No Papi

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