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7 „Ich bin nicht klein!“
ОглавлениеIch brach früh in La Grande Motte auf und war bequem bis zum Abend in Mainz, die Kinder abzuholen. Die beiden warteten schon mit ihren gepackten Köfferchen an der Wohnungstür auf mich. Wir machten uns auf den Weg. Im Zufallen der Wagentür fragte Max:
„Gehen wir morgen wieder ins ‚Rebstockbad‘?“
„Au ja!“, stimmte Moritz begeistert ein, „Und ins ‚Taubertsbergbad‘ zum Spuckdelphin!“
Ich „vermittelte“:
„Ich glaube, wir gehen morgen besser woanders hin.“
„Ohhh!“, tönte es von den Kindersitzen.
Hier war eine Alternative vonnöten!
„Schaut mal“, sagte ich also, „Bald ist Weihnachten. Da werden wir uns nicht sehen.“
„Nein?“, fragte Max überrascht, und „Warum?“ quäkte Moritz inquisitorisch.
„Na ja, Magnolia feiert mit euch Weihnachten in Cuxhaven.“
„Und?“, wunderten sich die beiden; ich erläuterte:
„Jedenfalls sehen wir uns an Weihnachten nicht. Deswegen dacht ich, dass wir morgen eure Weihnachtsgeschenke aussuchen.“
„Au ja! Prima!“
Treffer!
„Aber ich will ein Piratenschiff!“, reklamierte Moritz.
„Du hast doch schon eins“, wunderte nun ich mich.
„Dann hab ich zwei!“
Mein Jüngster konnte wirklich schon gut rechnen! Ich sagte:
„Schauen wir mal das Angebot an. Dann könnt ihr euch viel leichter etwas aussuchen. In Ordnung?“
„Geht in Ordnung“, bestätigte Max, und Moritz insistierte:
„Aber ich bekomm ein Piratenschiff! Dann ist’s in Ordnung.“
„Moritz“, beruhigte ich ihn, „Du kannst dir dein Geschenk aussuchen. Wenn du ein Piratenschiff willst, bekommst du eins. Aber schau dir erst an, was angeboten wird.“
„In Ordnung“, bestätigte nun auch Moritz.
„Dürfen wir unsere Geschenke direkt auspacken?“, fragte Max.
„Klar. Wisst ihr, wir feiern unser kleines Weihnachtsfest einfach schon morgen. So habt ihr nichts versäumt. Okay?“
„Okay“, sagte Max, und Moritz schloss:
„Also feiern wir Weihnachten doch zusammen.“
„Genau.“
Nach einer kurzen Periode der Stille fing Moritz wieder an:
„Aber am Sonntag gehen wir ins ‚Taubertsbergbad‘.“
„Nein, ins ‚Rebstockbad‘!“, widersprach ihm Max vehement.
„Hört mal, Kinderlein!“, intervenierte ich, „Ihr wollt euch doch nicht wegen solcher Kleinigkeiten streiten. Was haltet ihr davon, wenn wir am Sonntag auf eine Ritterburg fahren, eine mit richtigen Folterkammern.“
„Toll! Das machen wir!“, entgegnete Max aufgeregt.
„Ja, auf eine richtige Ritterburg mit Folterkammern und Skeletten!“, bestätigte Moritz nicht minder enthusiastisch, und ergänzte – offenbar von rasenden Phantasien überholt – ein wenig verunsichert: „Und schreien die Leute da auch?“
„Nein“, beruhigte ich ihn, „Die Folterkammern sind zwar echt, aber darin werden keine Leute mehr gefoltert. Schon lange nicht mehr. Ich dachte nur, dass euch solche Sachen gefallen. Die sind nämlich ganz schön gruselig.“
„Richtig gruselig?“, fragte Moritz.
„Ja, richtig gruselig“, nickte ich ernst.
„Gibt’s da auch Gespenster?“, erkundigte sich Moritz weiter.
„Sei doch nicht blöde. Du müsstest doch wissen, dass es keine Gespenster gibt“, orientierte Max den kleinen Moritz.
„Ich bin nicht blöde“, echauffierte sich dieser, „Du bist selber blöde.“
„Nein, du bist blöde.“
„Sagt mal, ihr kleinen Möpse“, musste ich mich nun doch einschalten, „Wo habt ihr überhaupt derartige Ausdrücke her.“
„Ach, die kennt doch jeder“, winkte Max gelassen ab.
„Ja, jeder“, bestätigte der kleine Moritz souverän.
„Aber dann müsstet ihr auch wissen, dass man sich so etwas nicht an den Kopf wirft.“
„Wieso?“, fragte Max trocken, „Wenn Moritz blöde ist, kann ich ihm auch sagen, dass er blöde ist.“
„Max, genau das ist doch der Punkt“, erläuterte ich, „Moritz ist nicht blöde. Außerdem ist er dein Bruder. Und zu seinem Bruder ist man besser lieb.“
„Bin ich ja auch. Ich kann ihm aber trotzdem sagen, dass er blöde ist, wenn er blöde ist. Wer an Gespenster glaubt, ist halt blöde.“
„Das stimmt nicht“, stellte ich richtig, und legte dar: „Bei vielen Urwaldvölkern, zum Beispiel, glauben die meisten an Gespenster. All diese Leute sind ja nicht blöde! Die sehen diese Dinge nur anders. Hier in Deutschland glaubt man schon lange nicht mehr an Gespenster. Aber selbst in Deutschland haben die meisten früher an Gespenster geglaubt. Weißt du, Moritz ist eben noch klein. Deswegen glaubt er vielleicht an Gespenster. Aber deswegen ist er noch lange nicht blöde.“
„Ich bin nicht klein!“, grummelte Moritz.
„Doch, klein und blöde!“, schoss es aus Max heraus.
„Jetzt hör aber auf, Max! Und du auch, Moritz!“, stiftete ich Frieden, „Ich finde es nicht gut, wenn ihr so zankt. Wenn ihr weiter so streitet, habt ihr morgen keine Lust, euch eure Geschenke auszusuchen.“
„Wieso?“, fragte Max perplex, „Darauf hab ich immer Lust.“
„Na ja“, rang ich nach einer Erklärung, „Wenn ihr weiter so zankt, seid ihr morgen noch sauer.“
„Ach nee. Ist doch bloß Spaß!“, winkte Max ab.
„Dann ist’s ja gut“, war ich beruhigt, „Können wir uns jetzt über was anderes unterhalten?“
„Über was denn?“, quäkte Moritz, sein Hälschen reckend.
„Zum Beispiel darüber, ob ihr ein Eis haben wollt. Wir kommen nämlich gleich am ‚Burger King‘ vorbei.“
„Au ja!“, waren sich die beiden wieder einig.